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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bakterien
zeigen Lichtentwicklung und können z. V. am Mcer-
leuchten beteiligt sein; in der That ist es schon ge-
lungen, in Aquarien künstliches Meerleuchten durch
B. zu bewirken-, die Lichtstärke ist zuweilen sehr er-
heblich, so daß man z. B. Kulturen solcher V. in
ihrem eigenen Licht photographieren kann.
Von ausschlaggebendem Einfluß auf die Lebens-
thätigkeit der V. ist die Temperatur. Jedes Bak-
terium gedeiht nur innerhalb eines bestimmten Tem-
peraturbereichs, dessen untere Grenze als Tempera-
turmimmum, dessen obere als Maximum bezeichnet
wird. Innerhalb dieses Temperaturbereichs existiert
ein, meist dem Marimum genähertes, Tcmperatur-
optimum,d. h. ein Grad, bei welchem sämtliche Lcbens-
äußerungen, Atmung, Stoffwechsel, Bewegung, Fort-
pstanzuna, am intensivsten und schnellsten vor sich
gehen. Minimum, Marimum und Optimum sind bei
verWe^enen Arten sehr verschieden; die meisten Ar-
ten wachsen zwischen ^ 5" bis -^ 10" einerseits bis
zu der obern Grenze von etwa -> 40"; das Optimum
liegt dabei dei den saprophytischen Arten tiefer, etwa ,
bei 20-25°, als bei den parasitischen, die bei 37- !
38° am besten gedeihen. Außerdem giebt es nun
aber nach oben und nach unten hin je eine bemerkens-
werte Gruppe, die eine Ausnahmestellung einnimmt;
eine Reihe von V., die besonders von Fischer
in Kiel studiert wurden, vermag noch bei 0° üppig
zu wuchern und ihre volle Lebcnsthütigkeit aus-
zuüben, während eine andere Gruppe, die der ther-
mophilen B., die von Globig und Nabinowitsch un-
tersucht wurden, ihr Optimum über 50" bat und
noch über 70" energischer Vermehrung fähig ist. Ab-
gesehen indessen von dieser ausnahmsweise vorhan-
denen Ausdehnung der Existenzbedingungen, die
bei den V. gegenüber andern Lebewesen auch schon
in den Ernührungsverhältnissen auffällt, äußert
sich der Einfluß der Temperatur in principiell ganz
gleicher Weise wie bei allen andern Lebewesen, ab-
gesehen von den höchsten, warmblütigen Tieren, in
denen durch sinnreiche automatische Negulations-
wirkungen die Temperatur des Organismus stets
schon auf dem Optimum erhalten wird und daher
der Einfluß der Außentemperatur nicht direkt zur
Anschauung gelangt; vom Minimum bis zum Opti-
mum steigt die Lebcnsenergie stetig mit zunehmender
Geschwindigkeit; jenseit des Optimums beginnt eine
sich außerordentlich rasch steigernde Schädigung, die
endlich zu völliger Wachstumshemmung und zu Ab-
sterben führt. Nicht so unterhalb des Minimums.
Hier wird das Leben nicht beeinträchtigt oder ver-
nichtet, sondern nur sistiert und in latenten Zustand
übergeführt; die B. verfallen in eine Art Kültestarre,
in der sie lange Zeit unbeschädigt konserviert werden
können und, sobald wieder günstige Lebensbedingun-
gen eintreten, alle ihre Lebensäußerungen mit un-
veränderter Energie wieder aufnehmen. Gegen Kälte
sind V. überhaupt sehr widerstandsfähig; viele Arten,
selbst pathogene, können im Freien überwintern und
vertragen selbst mehrmaliges Auftauen und Wieder-
gefrieren; einige Formen gingen sogar nach stunden-
langer Einwirkung eines künstlichen Kältegemischcs
von -110" ^. noch lebend hervor. Gegen hohe
Temperaturen dagegen sind die V., abgesehen von
den resistenten Sporen, viel empfindlicher und sterben
hierbei rasch ab. In der Natur kommen sür die Ab-
tötung der V. außerdem noch drei Momente haupt-
sächlich in Betracht: zunächst die Erschöpfung des
Nährbodens, wie sie besonders unter günstigen
Temperaturbedingungen auf beschränktem Nähr-
substrat schon durch die eigene rapide Entwicklung
und Aufzehrung aller Nährstoffe, teilweise noch
unter stetem Kampf ums Dasein mit andern kon-
kurrierenden B., sehr rasch zu stände kommt; die-
selbe ist neuerdings auch in künstlichen Kulturen
beobachtet und ihre geradezu staunenswerte Wirk-
samkeit zahlenmäßig festgestellt worden. Von mäch-
tigster Wirkung auf viele empfindlichen V. ist ferner
die Austrocknung; ein drittes, erst neuerdings in
seiner Bedeutung im großen gewürdigtes Moment
endlich ist die Einwirkung des Sonnenlichts,
welche außerordentlich verderblich für die B. ist und
wahrscheinlich bei der Selbstreinigung der Flüsse
eine bedeutsame Rolle spielt. Diesen Faktoren gegen-
über tritt die künstlich durch mechan. Erschütterun-
gen und vor allem durch chemische Einwirkun-
gen (Desinfektion) zu erzielende Vernichtung der
B. in der Natur völlig in den Hintergrund. Die
schädigende Einwirkung äußerer Momente auf V.
äußert sich in Entwicklungshemmung oder Beein-
trächtigung von Funktionen oder völliger Abtötung.
Außer ihrer parasitischen Lebensweise finden die
B. ibre Stätte in der Natur hauptsächlich im Boden,
im Wasser, in Nahrungsmitteln; in der Luft kommen
zwar die B. ebenfalls fast stets in wechselnder Menge
vor; einer Vermehrung in der Luft sind sie zwar,
da sie stets im ausgetrockneten Zustande oder als
Sporen in ihr enthalten sind, nicht fähig; doch
dient die Lust ihnen als Transportmittel und über-
trägt sie durch ihre Strömungen in alle offen stehenden
gär- oder fäulnisfähigcn Substrate, bewirkt also die
ubiquitäre Verbreitung der saprophytischen Arten.
Die Rolle der B. im Kreislauf der Natur besteht
wesentlich darin, die massenhaften Abfälle tierischen
Stoffwechsels und die toten höhern Organismen
selbst rasch bis zu den letzten einfachsten Zersetzungs-
produkten: Wasser, Kohlensäure, Ammoniak, zu
zerlegen; diese Arbeit wird durch die gewöhnlichen
Fäulnisbakterien geleistet, ihre Arbeit wird dann
durch die Nitrobakterien vervollständigt, die das
Ammoniak, das Endprodukt der Fäulnis stickstoff-
haltiger tierischer Absallstosfe, zu Nitrat oxydieren
und so für die Pflanzen nutzbar machen. Diese
letztern bauen aus dem Nitrat pflanzliches Eiweiß
auf, welches dann durch die Tiere (bei den Pflanzen-
fressern direkt, bei den Fleischfressern indirekt) in
tierisches Protoplasma umgewandelt wird, um end-
lich durch den tierischen Stoffwechsel zu zerfallen und
nach endgültiger Zerlegung durch die Fäulnis und
wieder erfolgter Nitrisikation den Kreislauf des
Stickstoffs in der Natur in der Pflanze von neuem
anzuheben. Die B., und zwar zuerst die Nitro-
bakterien, bewirken ferner die erste Bildung einer
Humusschicht auf nacktem Felsboden und liefern so
für späteres Leben höherer Arten erst die Basis. Der
für die Landwirtschaft so bedeutungsvollen stickstoff-
fixierenden Tbätigkeit einiger Bodenbakterien ist
schon oben gedacht worden. Ferner spielen die V.
in der Technik eine bedeutsame Rolle, teils als er-
wünschte Helfer, teils als ungebetene störende Gäste
in den Gärungsgewerben. Ihre Bedeutung endlich
für die Heilkunde bedarf keiner weitern Auseinander-
setzung. Neuerdings hat man sich auch in einzelnen
Fällen die krankheitserregende Wirkung der B. nutz-
bar zu machen gesucht, indem man unter schädlichen
Tieren absichtlich Seuchen zu erregen versuchte; in
der That ist es auf diese Weise gelungen, die Mäuse-
Plage in Thessabien zu beseitigen (s. Mäusetyphus-
bacillen, Bd. 11).