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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bayern
Die ^
Schlußwahlen 12. Juli brachten folgendes Resultat: !
3 Konservative, 73 Mtramontane, 9 Vaucrnbündler,
68 Liberale, 1 Demokraten und 5 Socialdemokraten.
Die Liberalen verloren im ganzen sieben Mandate,
darnnter die vier Nürnberger an die Socialdemo-
kraten und drei weitere an die Baucrnbündlcr. Das
Centrum büßte fünf seiner bisherigen Mandate ein,
davon eins an die Socialdemokratie und vier weitere
an den Vauernbund. Die Socialdemokraten kamen
mit dieser Wahl zum erstenmal in den bayr. Landtag,
der 28. Sept. 1803 eröffnet wurde. Das 3. Okt.
vorgelegte Budget balancierte in Einnahmen und
Ausgaben mit 323276922 M. Der Anteil B.s an
den Rcichscinnahmen betrug 39912 750 M., der an
den Rcichsausgaben 46711280 M. Die zweijäh-
rige Vnan^eriode von 1890 bis 1891 ergab einen
Überschuß von 59921855 M., wovon 12110360 M.
auf Grund von Beschlüssen des letzten Landtags
verausgabt wurden. Von dem Neste wurden
21164700 M. zur Annullierung von Eisenbahn-
anlcihen und 14101165 M. zu Staatsbauten an-
gewiesen. Aus dem Überschuß 1890-91 rührten
22^2 Mill. von Mehreinnahmen des Ncicbs, 22^,,
Mill. aus den Staatsbetrieben und nur 14^ Mill.
aus dem Malzaufschlag, den Stempelgebührcn und
den Staatssteuern her. Ein Antrag der Socialdcmo-
traten auf Abänderung des Wahlgesetzes, worin na-
mentlich auf Neueinteilung der Wahlkreise (1 Ab-
geordneter auf 35000 E.), Feststellung derWahl-und
Wählbarkeitsberechtigung, Verlegung der Wahl auf
einen Sonntag oder Landesfeiertag, Unmittclbar-
keit und Geheimhaltung der Wahl gedrungen wurde,
wurde nebst cincmZusatzantrag derLiberalcn 12. Okt.
von der Kammer abgelehnt. Äm 24. Okt. genehmigte
die Kammer eine Regierungsvorlage betreffend die
aegen die Futtcrnot zu ergreifenden Maßregeln. Ein
Antrag Ratzingers, betreffend die bedrohlich wach-
sende Verschuldung des Bauernstandes (7. Nov.),
wurde vom Minister Feilitzsch zurückgewiesen, da-
gegen ein Gesetzentwurf betreffend den Nachlaß der
diesjährigen Grundsteuer im Notstandsgebiete ange-
nommen. Die Kammer der Abgeordneten lehnte
22. Nov. den Antrag der Liberalen, die Steuerfrei-
heit der ^tandesherren aufzuheben, mit 76 gegen
67 Stimmen ab, nahm dagegen den Antrag des Cen-
trums nach lebhafter Debatte an, wonach eine En-
quete vorgenommen werden folle über den fiskalischen
Umfang dieser Steuerfreiheit, um den Betrag festzu-
stellen, der für die event. Ablösung erforderlich wäre.
Zu Anfang 1894 erregte die Frage der Auf-
hebung der Staffeltarife auf den preuß. Eisenbah-
nen, an welche V. offiziell im Bundesrate die Zu-
stimmung zu dem deutsch-russ. Handelsverträge ge-
knüpft habe, eine lebhafte Diskussion in der Presse.
Nach einer wcitern Diskussion über die Tarife im
preuß. Herren- und Abgeordnetenhaus erfolgte
17. März die Aufhebung der Staffeltarife zum
1. Aug. 1894.
Am 19. Jan. 1894 beriet die Abgeordnetenkammer
über den russ. Handelsvertrag und nahm mit knapper
Mehrheit den von der Majorität der Centrumsfrak-
tion eingebrachten Antrag an, an den Prinz-Regen-
ten die Bitte zu richten, die Bevollmächtigten B.s
zum Bundesrat anzuweisen, mit aller Energie dahin
zu wirken, daß 1) bei etwaigem Abschluß eines Zoll-
und Handelsvertrags mit Rußland die bis 1893
bestandenen GetreideschrchMlc aufrecht erhalten blei-
ben' 2) der Identitätsnachweis, welcher für die land-
wirtschaftlichen Verhältnisse Süddcutschlands von
außerordentlicher Wichtigkeit sei, nicht aufgegeben
werde. Desgleichen kam es 22. Jan. zu einer großen
Debatte über die Reichssteuerreform inl Finanzaus-
schuß. Finanzminister von Riedel sprach für die
Annahme der Tabaksteuer, da alsdann der Abschluß
des bayr. Budgets, das durch die Mehrforderungen
der Militärvorlage alteriert werde, keine Schwierig-
keiten mehr biete. Am 14. April beendete die Kammer
die Beratung des Kultusetats und bewilligte die For-
derungen der Regierung einschließlich der für Kunst
.und Wissenschaft mit geringfügigen Änderungen.
Am 9. Mai genehmigte sie eine Vorlage wegen Auf-
besserung der Gebälter der prot. und kath. Geistlichen.
Am 22. Mai beschloß die Kammer ein Gesuch um
Einführung einer allgemeinen, direkten, progressiven
Einkommensteuer in Verbindung mit einer Ver-
mögenssteuer oder eine Reform der bestehenden
direkten Steuern. Am 31.Mai genehmigtesiedenMi-
litäretat für 1894-95, einschließlich der Forderung
für einen Truppenübungsplatz des 2. Armeekorps,
10. Mai einen Antrag auf Änderung des Heimats-
gesetzes, und 16. Mai bewilligte sie 4 Mill. M. für
die Mainkorrektion von Aschafsenburg bis Kitzingen
und 2 777000 M. für die Einrichtung der Ketten-
schleppsckiffahrt auf dieser Strecke. Dagegen lehnte
sie 17. Mai die Forderung der Regiernng auf
300000 M. für die Ausarbeitung eines Projettes
zur Herstellung einer für die Großschisfahrt geeigne-
ten Main-Donau-Wasscrstraße ab. Am 4. Juni er-
folgte der Schluß des Landtags.
In der Kammer der Reichsräte besprach 14. März
Prinz Ludwig die bisherigen Leistungen für die bayr.
Wasserstraßen. Dem von der Zweiten Kammer ge-
nehmigten Antrag Dallers gegen das Duellwesen
trat die Reichsratskammer nicht bei (15. März), und
umgekehrt lehnte die Abgeordnetenkammer 13. Febr.
den Beitritt zu dem Beschlusse der Reichsratskammer
ab, die Regierung um einen baldigen Gesetzentwurf
zu bitten, laut dessen die Bestimmungen des Neichs-
gesetzes vom 5. April 1888 betreffend die unter Aus-
schluß der Öffentlichkeit stattfindenden Gerichtsver-
handlnngen auch auf die Militärstrafgcrichtsordnung
vom 29. April entfprechende Anwendung finden
sollen. Am 16. Mai trat die Kammer der Reichsräte
dem von der Abgeordnetenkammer 15. März gefaß-
ten Befcklusse auf Revision der Statuten sämtlicher
26 in V. zugelassenen Vrandversicherungsgesell-
schaftcn bei. Die Bauernbcwegung nahm ihren Fort-
gang und dehnte sich über Oberbayern aus. Der
Charakter einer Opposition gegen die bayr. Cen-
trumsmitgliedcr blieb auch hier der Grundzug.
Am 14. Juli wurden 20 Ortschaften der Amts-
bezirke Ebersberg und Erding durch einen Cyklon
teilweife zerstört. Großes Aufsehen weit über V. hin-
aus erregte die Vauernrevolte vom 30. Okt. 1894
in Fuchsmühl (s. d.).
Die 14. Mai 1895 in Nürnberg tagende Wander-
oerfammlung bayr. Landwirte sprach sich für Förde-
rung landwirtschaftlicher Genossenschaften und Er-
richtung kleiner Lagerhäuser mit Staatshilfe aus.
Mitte September vereinigten sich die kath. Bauern-
vereine B.s zu einem Landesverband und bekannten
sich zu folgenden Grundsätzen: Abänderung des
Strafgesetzes, Gründung einer landwirtschaftlichen
Kreditbank, Herabsetzung des Hypothekenzinsfußes,
Gewähr von Hypothekenkredit aus den Versiche-
rungsanstalten (Alters- und Invalidenversicherung)
zu 3^/2 Proz., Herabsetzung des Zinsfußes für Stif-