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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Binnenschiffahrt
auf den Gütertransport zu Lande, tragen also den
Eigentümlichkeiten des Wassertransports zu wenig
Rechnung: auch sind sie so wenig auf specielle Schifft
fahrtsrec^tsfälle ausgedehnt, daß neben ihnen die
Ortsgebräuche und die Vorschriften des bürgerlichen
Rechts des betreffenden deutschen Vundesstaates für
die weitaus große Mehrzahl der Fälle als Normen
für die Rechtsprechung gelten mußten. Nach mehrern
privaten Entwurfsversuchen gelang dem Central-
verein für Hebung der deutschen Fluß- und Kanal-
schiffahrt die Zusammenstellung einer im Juni 1891
erschienenen, ziemlich allgemein gebilligten "Binnen-
schiffahrtsordnung für die Elbe, Oder, Weichsel
und die Wasserstraßen ihrer Stromgebiete". Da-
nach wurden 1893 im Reichsjustizamt Grundzüge
eines Gesetzentwurfs ausgearbeitet und mit Sach-
verständigen durchbcraten; 1895 gelangte der Gesetz-
entwurf vom Bundesrat an den Reichstag, wurde
von diesem in wesentlichen Punkten abgeändert, vom
Bundesrat in der veränderten Fassung angenommen
und unter dem 15. Juni 1895 als "Gesetz, betreffend
die privatrechtlichen Verhältnisse der V.", im "Ncichs-
gesetzblatt" veröffentlicht, das sich inhaltlich im all-
gemeinen dahin charakterisieren läßt, daß es die
Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über das
Seeschiffahrtsrecht, fogar diejenigen über die große
Haverei, foweit angängig, auf die Verhältnisse der
V. überträgt. Mit dem 1. Jan. 1890 trat das
neue Gesetz in Kraft. Der erste Abschnitt des Ge-
setzes, §§. 1- 6, handelt vom Schiffseigner.
Auch wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zur V. ver-
wendet und es entweder selbst führt oder die Füh-
rung einem Schiffer anvertraut, wird Dritten gegen-
über als Schiffseigner angefehen. Der Schiffseigner
ist für den Schaden verantwortlich, den eine Person
der Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Ver-
schulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen
zufügt' hierbei sowie für die Rechtsgeschäfte seines
Schiffers haftet der Schiffseigner nur mit Schiff
und Fracht. Auch wenn er das Schiff selbst führt,
haftet er für den durch fehlerhafte Schiffsführung
entstandenen Schaden ausschließlich mit Schiff und
und Fracht, es fei denn, daß er "böslich" gehandelt
habe. Bei Schleppzügen haftet nur das den Scha-
den verursachende Schiff. Für die Löhne der Schiffs-
besatzung haftet der Schiffseigner persönlich. Zu-
ständig für alle Klagen gegen den Schiffseigner ist
das Gericht am Orte seiner Geschäfts-(Haupt-)Nieder-
lassung. Der zweite Abschnitt, §8. 7-20, handelt
vom Schiffer. Er ist verpflichtet, im Dienst die
Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden
und haftet bei Vernachlässigung fowohl den Schiffs-
eignern, wie den Ladungsbeteiligten lAbfender und
Empfänger), wie den beförderten Perfonen und
der Sch'iffsbesatzung. Er ist verantwortlich, daß
das Schiff vor der Reise fahrtüchtig, gehörig einge-
richtet und ausgerüstet, hinreichend bemannt ist und
daß die Schiffspapicre und Ladungsverzeichnisse an
Bord sind. Er hat für die Tüchtigkeit der Gerät-
schaften zum Laden und Löschen, für die gehörige
Stauung der Ladung sowie dafür zu sorgen, daß
das Schiff nicht schwerer beladen wird, als die Trag-
fähigkeit und die jeweiligen Wasserstandsverhältnisse
es erlauben. Wenn der Schiffer im Auslande die
Polizei-, Steuer- und Zollgesetze nicht beachtet, so
muß er den Schaden ersetzen. Für Stellvertreter bei
Krankheit ist er nur in Bezug auf die richtige Wahl
verantwortlich. Von Beschädigungen des Schiffs
oder der Ladung muß Meldung und Beweisauf-
nahme vor dem Amtsgericht (nach den Vorschriften
der Civilprozeßordnung) erfolgen. Der Schiffer ist
an fremden Orten zur Einziehung der Frachtforde-
rungen befugt, muß zur Ausstellung von Wech-
seln, zum Abschluß von Frachtverträgen und zum
Verkaufe oder zur Verpfändung des Schiffs Voll-
macht vom Schiffseigner haben, ist aber zur Aus-
stellung von Ladescheinen stets befugt. Der Schiffer
untersteht den Vorschriften über das Dienstverhältnis
der gewerblichen Vetriebsbeamten (§.133a der Ge-
werbeordnung); er ist verpflichtet, bis zur Beendigung
der Reise im Dienst zu bleiben. Der dritte Abschnitt,
§§. 21-25, betrifft die Dienstpflichten der Schiffs-
mannschaft, zu der die Steuerleute, Boots-
leute, Matrofen, Schiffsknechte, Sä^Wungen, Ma-
schinisten und Heizer rechnen. Die Schiffsmannschaft
unterstehtder Gewerbeordnung. Der vierte Abschnitt,
§§. 26-77, vom Frachtgeschäft, enthält genaue
Bestimmungen über die Ladezeit, das Liegegeld, die
Wartezeit, über das Laden und Löschen der Fracht,
über die Löschzeit, über die Umladung in Leichter-
fahrzeuge, über die Haftung des Frachtführers für
Schaden, über den Frachtbrief. <S. Frachtvertrag.)
Ohne besondere Vereinbarung trägt der Frachtführer
die Hafen-, Schleusen-, Kanal- und Brückengelder,
die Lotsengebühren, Schlepplohn und Kosten für
Leichterung; dagegen kann der Frachtführer vom
Ladungsbeteiligten die Kosten der Auseisung sowie
besondere Unkosten, die durch auf Verlangen des-
selben bewirkte Ablieferung der Güter bei Eis,
Sturm, Hochwasfer, zur Nachtzeit oder an Sonn-
und Feiertagen entstanden sind, verlangen. Der
Frachtvertrag tritt außer Kraft, wenn das Schiff ver-
loren geht oder derart beschädigt wird, daß es die
Reise nicht antreten kann, oder wenn die Frachtgüter
verloren gehen. Wird die Reise durch Naturereig-
nisse unterbrochen, so kann der Absender vom Fracht-
vertrag zurücktreten. Der Ladeschein muß neben den
Angaben des Art. 414 des Handelsgesetzbuchs auch
die Bezeichnung des Schiffs und die Meldeadresse
des Empfängers enthalten. Im fünften Abfchnitt,
88-78 - 91, wird die große Haverei behandelt.
Die große Haverei wird von Schiff und Ladung
gemeinschaftlich getragen. Besondere Haverei, d. h.
alle nicht zur großen Haverei gehörigen Schäden,
werden von den Eigentümern des Schiffs und der La-
dung, von jedem für sich allein getragen. Zur großen
Haverei wird gerechnet 1) wenn Waren, Schiffs-
teile oder Schiffsgerütschaften über Bord geworfen,
Taue oder Segel weggeschnitten, Masten, Anker,
Ankertaue oder Ankerketten gekappt worden sind;
2) wenn zur Erleichterung des Schiffs die Ladung in
Leichterfahrzeuge übergeladen ist, fo gehört der Leich-
terlohn und jeder Schaden dazu; 3) wenn das Schiff
absichtlich festgefahren ist, um das Sinken zu ver-
hüten, oder wenn es zum Sinken gebracht ist, um
das Verbrennen von Schiff und Ladung zu verhüten;
dazu gehören auch die Kosten für Hebung von Schiff
und Ladung; 4) wenn zur Abwendung von Gefahren
Schleppdampfer oder Hilfsmannfchaften angenom-
men werden, fo gehören deren Kosten dazu; 5) wenn
das Schiff wegen Winterfrost einen Zwischenhafen
anlaufen muß, fo gehören die dadurch entstehenden
Kosten dazu. Die Aufstellung der Rechnung über die
große Haverei, die sog. Dispache, kann der Schiffs-
führer selbst machen oder von einem Sachverständigen
aufstellen lassen; letzteres muß geschehen, wenn ein
Beteiligter es verlangt. Im sechsten Abschnitt, §8.92
-101, wird die Schadenersatz Pflicht bei Schiffs-