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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechenland
bei einer jährlichen Zahlung von nur 30 Proz.
der Zinsen in Gold; für die fälligen Coupons von
Itt/i und Dez. 1893 sollten dagegen 50 Proz.
in Papier ausbezahlt werden. Nach langen und
heftigen Debatten wurde der betreffende Gesetz-
entwurf 17. Dez. von der Kammer gebilligt. Ebenso
genehmigte die Kammer den Gesetzentwurf über
die Militarpolizei, der 13. Jan. 1895 in Kraft trat.
Nicht weniger heftig waren die Debatten über die
Mittel zur Abwendung der Krisis im Korinthen-
handel gewesen, die durch die starke Zunahme der
Kultur dieses Hauptprodukts G.s und das Sinken der
Nachfrage und des Preises herbeigeführt war und
viele der kleinen Gutsbesitzer ins Elend gestürzt
hatte. Die Regierung legte der Kammer einen Ge-
setzentwurf vor, wonach der Staat den Überschuß
der jährlichen Korinthenproduktion zu einem gerin-
gen Preise ankaufen follte, doch schwankten die Ab-
geordneten, von den einander entgegengesetzten In-
teressen ihrer Provinzen hin und her gezogen, so daß
die Frage lange schwebte. Zu diesen Schwierig-
keiten gesellten sich nach dem Schluß der Kammer-
sitzungen 24. März 1894 noch die Verhandlungen
mit den nach Athen gesandten Vertretern der aus-
ländischen Gläubiger, die Anfang August unver-
richteter Sache abreisten. Dennoch hielt die Re-
gierungspartei trotz allcdcm fest zu Trikupis und
wies 26. Nov. ein Gesuch der Opposition, die Re-
gierung solle die auf die Verhandlungen mit den
Gläubigern bezüglichen Dokumente vorlegen, ab.
Der Korinthenkaufgesetzentwurf wurde endlich mit
74 Stimmen gegen 64 angenommen, doch veran-
laßte die Abneigung einiger Provinzen gegen den-
selben 18. Dez. seine Sistierung, worauf man zur
Abwendung der Korinthenkrisis die Gewinnung
von neuen Märkten ins Auge faßte, die man
namentlich in Rußland fand. Indessen hatte die
Regierung eine Zollerhöyung vorgeschlagen, was
in Verbindung mit der finanziellen Not und der
Korinthenkrisis große Unzufriedenheit hervorbrachte.
Die Regierung beschloß eine 20. Jan. 1895 in
Athen zusammentretende Versammlung zu verhin-
dern, und es war schon zwischen dem erzürnten
Volk und dem Militär zu einem Konflikt gekommen,
als der Kronprinz als Oberanführer der Armee an
Ort und Stelle eintraf und durch Inschutznahme der
Demonstranten die Ordnung wiederherstellte. Das
Kabinett aber erklärte sich durch die eigenmächtige
Haltung des Kronprinzen für verletzt, und 22. Jan.
reichte Trikupis seine Abdankung ein. Am Tage
darauf betraute der König den Admiral Kanaris
mit der Bildung eines Kabinetts; da aber dieser
ablehnte, berief der Königs 24. Jan. Nikolaus
Delijannis, einen Vetter des frühern Ministerpräsi-
denten Theodoros Delijannis, der ein Ministerium
aus parteilosen höhern Beamten bildete. Die Kam-
mer wurde aufgelöst, und die Neuwahlen wurden
auf den 28. April festgesetzt. Durch ihren Ausfall
bekam Theodoros Delijannis bei weitem die Ober-
hand, während die Partei Trikupis' eine völlige
Niederlage erlitt und nicht einmal er selbst gewählt
wurde. Erbittert kündigte er seinen Rücktritt von
dem polit. Leben an und begab sich ins Ausland,
wo er 12. April 1896 starb. Indessen behielt Niko-
laus Dclijannis noch das Portefeuille bis zur defi-
nitiven Konstituierung der neuen Kannner, die
27. Mai zusammentrat und 10. Juni den Kandida-
ten der siegreichen Partei des Theodoros Delijannis,
Zaums, zum Präsidenten wählte. Am folgenden
Tage übernahm Theodoros Delijannis das Kabi-
nett. Die neue Kammer genehmigte das Budget,
beschloß die Wiedereinführung der Gefandtenstellen
im Auslande, die in den letzten Jahren eingezogen
waren, ein neues Volksschulgesetz und die Bil-
dung einer Kommission für die Beaufsichtigung der
Staatsschuld. Ferner wurde die Korinthenfrage
endlich dahin gelöst, daß der Abkauf von 10 Proz.
der jährlichen Produktion 24. Juli gebilligt wurde.
Neue Verhandlungen, die seit Dez. 1895 von dem
griech. Gesandten in Paris mit den ausländischen
Gläubigern geführt wurden, ergaben ebenfalls kein
Resultat, vielmehr lehnten die Komitees der Gläu-
biger die Vorschläge der griech. Regierung als völlig
unannehmbar ab und beschlossen, auf alle weitern
Verhandlungen zu verzichten und das diplomat.
Eingreifen ihrer Regierungen zu erbitten. Die
schwankende finanzielle Lage verhinderte die Re-
gierung, irgend welche Schritte sowohl gegen die
bulgar. Umtriebe in Macedomen während des
Sommers 1895 als auch später in der armenischen
Bewegung zu thun. Sie bewahrte vielmehr zunächst
eine korrekte Zurückhaltung, selbst nachdem sich vom
Winter 1895 ab in Kreta (s.d.) die christl. Bewohner
gegen die türk. Gewaltherrschaft erhoben und für
einen Anschluß an G. kämpften. Diese Zurückhaltung
der Regierung erregte große Unzufriedenheit im
Volk, nichtsdestoweniger hielt die Regierungspartei
noch fest und bewilligte 27. März 1896 das Budger
für 1896/97 mit 95 262196 Drachmen Einnahmen
und 90923 540 Drachmen Ausgaben. Vom 7. bis
15. April feierte man in Athen die sog. Olympischen
Spiele (s. o.), die für G. den bleibenden Wert der
Verbreitung des Turnens hatten und nicht wenig
dazu beitrugen, die Zuversicht der gricch. Nation zu
heben. Diese moralische Stärkung zeigte sich durch
das immer wachsende Interesse an der Lage in Kreta,
die sich seit dem Winter fortwährend verschlimmerte
und die Einmischung der europ. Diplomatie veran-
laßte. Durch wiederholte Demonstrationen, Gcld-
sammlungen und Waffensendungen suchte das
griech. Volk die Regierung zu einer offenen Partei-
nahme für den kretischen Aufstand zu bewegen, doch
hielt sich diese unter dem Einfluß der Großmächte
zunächst noch zurück, wenn sie auch die Unterstützung
durch Private nicht verhinderte. Bei dem Wiedcr-
ausbruch der kretischen Unruhen im Febr. 1897
<s. Kreta) stellte sich endlich der König an die Spitze
der nationalen Bewegung zur Befreiung der Stam-
mesgenossen vom türk. Joch. Große Rüstungen zu
Lande und zu Wasser wurden getroffen, und wäh-
rend der größte Teil des griech. Landheers an die
macedon.Grenze abging, landete gleichzeitig 15. Febr.
ein griech. Detachement, bestehend aus einem In-
fanterieregiment, cinor Batterie und einer Sappeur-
compagnie unter dem Obersten Wassos auf Kreta,
um im Namen des Königs von G. von der Insel
Besitz zu ergreifen. Dies völkerrechtswidrige Vor-
gehen stieß jedoch auf den Widerstand der Groß-
mächte, die ebenfalls Truppen auf Krcta landeten
und 2. März in Athen identische Noten überreichen
liehen, worin Kreta Autonomie unter Suzeränitat
des Sultans zugesichert, dagegen G. bei Vermei-
dung von Zwangsmaßregeln aufgefordert wurde,
binnen sechs Tagen Kreta zu räumen und seine
Schiffe aus den kretischen Gewässern zurückzuziehen.
In seiner Antwort, die 8. März erfolgte, willigte G.
zwar in die Zurückziehung seiner Schiffe, hielt aber
das Verbleiben der griech. Truppen auf Kreta zur