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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Indische Ethnographie

Familien Namen oder Titel solcher Personen einzuführen, die ihnen Gutes gethan haben und die sie lieben. So sind nach Dalton gewöhnliche Namen unter ihnen Major, Kapitän, Doktor, Tickell, Name eines engl. Obersten, der sich um sie verdient gemacht hat. Die Frauen werden sehr gut behandelt; abgesehen von ihrem Wuchse sind sie eher häßlich als schön. Die MundarI werden als ein arbeitsames und gutherziges Volk geschildert, das freilich zur Lüge neigt und nicht sehr keusch ist. Die Frauen stehen sittlich tiefer als die Männer; Abtreibung der Leibesfrucht ist häufig, der Verkehr der Knaben mit Mädchen untereinander sehr leichtfertig und unsittlich. Die Verlobung, die sehr umständlich vor sich geht, wird äußerlich symbolisch dadurch bestätigt, daß die Braut Wasser für die Verwandten des Bräutigams holt, das ihr diese vom Kopfe nehmen. Daher ist "Wasserabnahme" (argu daa) das Wort für Verlobung. An der Wasserquelle des Dorfes sieht der Bräutigam auch zum erstenmal seine Braut, die meist aus einem andern Dorfe und stets aus einem andern Clan stammt wie er selbst, eine weit verbreitete Sitte unter den Kolariern. Die Ehescheidung ist leicht. Die Eltern der Frau zahlen den Kaufpreis zurück, und als Zeichen der Scheidung wird ein Blatt zerrissen. Der Mann muß aber für die Frau sorgen. Ehebruch ist im ganzen selten, ebenso wie Bigamie, die meist nur stattfindet, wenn die erste Frau kinderlos ist. Die Toten werden verbrannt, oft mit ihren Kleidern und Gerätschaften. Die Überreste werden gesammelt, zusammen mit etwas Reis und Geld in ein irdenes Gefäß gelegt und nach dem Begräbnisplatze des Dorfes gebracht, wo der Verstorbene heimatsberechtigt war. Dort nimmt einer der Verwandten einen Halm einer bestimmten Grasart, teilt ihn in zwei Stücke zu 6 und 4 Zoll, bindet diese in Gestalt eines geraden, stehenden Kreuzes zusammen und setzt dasselbe oben in die Urne. Dieses Kreuz wird mit einem Hindiworte mūrt, "Götzenbild", genannt. Das einzelne Familiengrab besteht aus einem 4-5 Fuß breiten und langen, flachen Steine, der etwa einen Fuß hoch über der Erde auf andern Steinen ruht. Mit der Zeit sinkt er meist ein und wird so umwachsen, daß er auf ebener Erde zu ruhen scheint. Von diesen Begräbnissteinen verschieden sind die Gedenksteine, die zum ehrenden Gedächtnis des Verstorbenen im Dorfe selbst errichtet werden, eine Sitte, die bei vielen Völkern der Erde sich findet. Besonders errichtet man sie solchen Personen, die von einem Tiger zerrissen worden sind, mitten im Walde oder Felde, wo der Mord stattgefunden hat. Da die Aufstellung solcher Gedenksteine kostspielig und zeitraubend ist, werden sie nur reichen oder besonders beliebten Leuten gesetzt, oft gerade am Tanzplatze des Dorfes. Eine am Fuße hingelegte Steinplatte dient dann den Tänzern oder ältern Zuschauern als Ruheplatz. Bei der Verbrennung und Beisetzung des Toten werden alle Verwandten und Nachbarn bewirtet, so daß ein Todesfall eine kostspielige Sache ist, die mancher Familie den vierten Teil ihres beweglichen Vermögens kostet. Um sich vor zu großen Ausgaben zu retten, pflegen manche die Speisen zu verpfeffern. Musik und Tanz sind außerordentlich beliebt; beim Tanz wird ein Reisbranntwein getrunken, den jede Kolhfrau zu brauen versteht, und Lieder von oft obscönem Inhalt gesungen, wie auch der Tanz selbst meist unsittlich ausartet. Die Mundari sind sehr musikalisch und haben schöne Stimmen. Die Dschuang sind bekannt unter dem Namen "Blattträger" oder "Blätterleute". Ihre Frauen nämlich gehen nackt und binden sich nur, wenn sie in Verkehr mit Europäern oder Hindu kommen, einen Blätterschurz vor, der nach wenigen Stunden vertrocknet. Den Frauen der unter engl. Herrschaft stehenden Dschuang wurde 1871 von seiten der Regierung ein Baumwollstreifen als Kleidung überwiesen, den aber viele bald wieder ablegten. Die Dschuang haben noch Steinwaffen und leben in auffallend kleinen und engen Hütten, die nicht viel größer als Hundehütten sind. Die Kolhsprachen gehören zur Klasse der agglutinierenden; sie sind sehr wohlklingend und in ihrem Baue einfach, unter sich aber weit abweichend.

Der ganze Süden Indiens, das Dekan, mit Ausnahme der wenigen von Kolariern bewohnten Striche und des Gebietes der Marathen im Westen, wird von dem vierten großen Volksstamme Indiens, den Draviden (s. Drâviḍa, Bd. 5) bewohnt. Seit Caldwell (A comparative grammar of the Dravidian or South-Indian family of languages, 2. Aufl., Lond. 1875) ist es üblich, die dravidischen Sprachen in zwei Gruppen zu teilen, eine von sechs kultivierten und eine von sechs unkultivierten Sprachen. Zur ersten Gruppe werden gerechnet: Tamil, Malajalam, Telugu, Kanaresisch, Tulu und Kudagu oder Kurg; zur zweiten Tuda oder Toda, Kota, Gond, Ku oder Kondh, Oraon und Radschmahal. Trumpp (Grammatische Untersuchungen über die Sprache der Brāhūīs, Münch. 1881) hat auch das Brahui in Belutschistan, das schon Caldwell hierher zog, als echt dravidisch erweisen wollen. Aber seine Darlegungen bedürfen noch weiterer Beweise, und es ist besser, die Brahui vorläufig noch aus der Reihe der dravidischen Völker zu streichen. Auch die ganze zweite Gruppe ist keineswegs als feststehend anzusehen. Sicher dravidisch sind darin allein die Toda und Kota; die übrigen haben so viele Abweichungen von dem Typus der dravidischen Sprachen und neigen zum Teil so sehr zu den kolarischen, daß man sie richtiger als kolarische ansehen wird, auf die frühzeitig die dravidischen starken Einfluß ausgeübt haben. Das macht auch ihre geogr. Lage wahrscheinlich. Der größte und wichtigste dieser Stämme sind die Gond (s. d., Bd. 8), die Gonda der Sanskritschriftsteller. Sie sitzen in dem weiten Gebiete, das man Gondwana nennt, zerstreut finden sie sich auch in Orissa und im Westen in Khandesch und Malwa. Der Census von 1891 giebt ihre Zahl auf 1379580 an. Die Gond sind von dunkler, fast schwarzer Hautfarbe und von verschiedener Statur, je nach dem Grade ihrer Vermischung mit Hindu und je nachdem sie in den Bergen oder der Ebene leben. Die Berg-Gond, die allein als typisch für das Volk angesehen werden können, aber noch wenig bekannt sind, haben platte Nasen, dicke, wulstige Lippen, dickes, langes schwarzes Haar, das auch im Alter nicht bleicht, starke, gesunde Zähne. Sie sind kräftige, untersetzte Gestalten. Die Gond der Ebene sind meist ganz hinduisiert; sie sind zum Brahmanismus bekehrt, ein Teil sind Mohammedaner; nach dem Vorbild der Hindu zerfallen sie in viele Stämme und Kasten. Ihr Typus ist mehr negerartig als bei allen andern Stämmen der Ureingeborenen. Von den echten Gond sind die Kolam in den Centralprovinzen und vor allem die Maria in Bastar etwas besser bekannt. Die Kolam heiraten nicht unter die andern Gond, und die Ehe durch Raub ist bei ihnen üblich. Die Maria werden als sehr scheu geschildert. Wenn sie ihre jährlichen Steuern zahlen sollen, so schlägt der Steuer-^[folgende Seite]