Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

854
Pest - Petersburg
seine Bewohner, Bd. 3: Das Hochland von P. (Berl.
1895); Viault, Ult^mar (Par. 1895). Karte: Rai-
mondi, Napa äki l. (Lima 1892-94).
^ Pest. Im 1.1894 gelang es dem von der franz.
Negierung zur Erforschung der in Kanton und Hong-
kong wütenden Bubonenpest abgesandten Bakterio-
logen Dersin sowie gleichzeitig dem japan. Forscher
Kitasato, den bisher unbekannten Erreger dieser
Seuche in unzweifelhafter Weise nachzuweisen und
zu kultivieren. Es ist ein kurzer Vacillus, der sich
mit den gewöhnlichen Anilinfarben leicht färbt, im
Centrum jedoch häufig eine ungefärbte Lücke zeigt;
der Vacillus findet sich im Gewebesaft des Pest-
bubos stets in ganz ungeheuren Mengen, während
cr im Blut des Patienten nur in geringerer Zahl
und, wie es scheint, nur in den schweren, schnell töd-
lich endenden Fällen vorkommt. Die Züchtung ge-
lingt leicht in allen gebräuchlichen Nährmedien.
Überimpfung der Kulturen auf Mäuse, Ratten,
Meerschweinchen und Kaninchen bewirkt eine töd-
liche, unter dem Bilde einer allgemeinen Sepsis
verlaufende Erkrankung der Versuchstiere; bei
Mäusen und Ratten entsteht ein der menschlichen
Pestbeule durchaus analoger Bubo. Diese Tiere
unterliegen auch sehr häufig der natürlichen Pest-
infektion und können viel zur Verbreitung der
Seuche beitragen, indem sie eine Verschleppung des
Infettionsmaterials von Haus zu Haus bewirken
und mit demselben auch die oberflächlichen Boden-
schichten imprägnieren, in denen der PestbacilluZ
in der That nachgewiesen werden konnte. Auch
Fliegen werden, wie Jersin festgestellt hat, von der
Vuboncnpest häusig ergriffen und können dieselbe
begreiflicherweise sehr leicht verschleppen. Die Viru-
lenz der künstlich fortgezüchteten Kulturen nimmt
rasch ab, kann aber durch Tierimpfungen tonserviert
werden. Ganz neuerdings scheint es nach Jerstn,
Calmette und Vorel gelungen zu sein, Tiere gegen
die Pestinfektion durch eine Schutzimpfung mit er-
bitzten Kulturen zu immunisieren; das Serum dieser
Tiere besaß immunisierende und beilende Eigen-
schaften. Da diefe Versuche auch an Pferden gelan-
gen, so darf man hoffen, daß auch im großen eine
Heilserumtherapie der menschlichen Bubonenpcst
möglich sein wird. Zur Zeit sind es namentlich zwei
Seuchenherde, von denen sich die P. immer wieder
ausbreitet, von der chines. Provinz Iün-nan und
von Mesopotamien, Persien und Arabien. Mit
besonderer Heftigkeit trat sie seit Ende 1896 in Ost-
indien, namentlich in Bombay, auf, wo bis Mitte
Febr. 1897 in der ganzen Präsidentschaft 9911 Er-
krankungen und 8006 Todesfälle stattfanden, von
denen 6853 Erkrankungen und 5447 Todesfälle
allein auf die Stadt Bombay kamen. Wenn auch
die Gefahr für Europa nicht groß ist, da der Pest-
bacillus sich gegen die geeigneten Desinfektions-
mittel wenig widerstandsfähig zeigt, fo trat doch im
Febr. 1897 in Venedig eine internationale Konferenz
zusammen, die sich mit der Beratung von Schutz-
maßregeln beschäftigte. Die Hauptsache bleibt jeden-
falls die Prophylaxe, die vor allem eine etwaige Ein-
schleppung nach Europa durch strengste Überwachung
des Seeverkehrs, Absperrmaßregeln, Desinfektion
u. s. w. in dem infizierten Gebiet unter staatlicher
Kontrolle verhindert; in den Pestbezirken selbst ist
vor allem von gründlicher Besserung der socialen
und hygieinischen Verhältnisse etwas zu erwarten. -
Vgl. ^unHi68 äs 1'inätiwt I^teur 1894, Nr. 9,
und 1895, Nr. 7; Aoyama, Mitteilungen über die
Pestepidemie in Hong-kong sin den "Mitteilungen
der mediz. Fakultät der Kaiserl. Japanischen Uni-
versität zu Tokio", Bd. 3, Nr. 2,1895); Petri, Zum
gegenwärtigen Stand der Pestfrage (in der "Deut-
fchen mediz. Wochenschrift", Lpz. 1897).
* Peter, Nikolaus Friedrich, Großherzog von
Oldenburg. Seine Gemahlin Elisabeth starb
2. Febr. 1896 in Oldenburg. Der Erbgroßherzog
August, dessen Gemahlin Prinzessin Elisabeth
von Preußen 28. Aug. 1895 zu Schloß Adolfseck bei
Fulda starb, vermählte sich in zweiter Ehe 24. Okt.
1896 mit Herzogin Elisabeth von Mecklenburg-
Schwerin (geb. 10. Aug. 1869).
* Peters, Karl, wurde 1895 zum Landeshaupt-
mann in Deutsch-Ostafrika ernannt, und zwar wurde
ihm das Gebiet am Tanganikasee überwiesen, doch
verzichtete er auf diefe Stellung, ohne sie angetreten
zu haben, und wurde daher im Nov. 1895 zur Dis-
position gestellt. Am 20. Febr. 1896 wurde er zum
Vorsitzenden der Deutschen Kolonialgesellschaft (Ab-
teilung Berlin) gewählt, doch legte er dies Amt sehr
bald nieder, nachdem er 13. März im Reichstag
namentlich von Bebel aufs heftigste angegriffen war
wegen angeblich auf seiner Kilima-Ndscharo-Erpe-
dition 1891 begangener Grausamkeiten. Eine des-
halb gegen ihn eingeleitete Untersuchung war im
Febr. 1897 noch nicht abgeschlossen. P. schrieb noch
"Das goldene Ophir Salomos. Eine Studie zur
phönik.^Weltpolitik" (Münch. 1895).
* Petersburg. Seit 1895 ist ein starkes An-
wachsen der Bevölkerung bemerkbar. Die Zahl der
Geborenen betrug 1894: 31826, der Gestorbenen
27215, der Eheschließungen 6652. Neu erbaut ist
die Börsen- oder Neue Brücke über die Kleine Newa
zur Verbindung von Wassilewskij-Ostrow (am östl.
Ende) mit der Petersburger Seite. Die Verwaltung
steht unter dem Stadthauptmann (A0i'0(l8ko.j ^o-
lova), der mit seinem Adjunkten und sechs Depu-
tierten die Stadtverwaltung (Foi'oä^^a. uprava)
bildet. Der Stadtrat (äuma) besteht aus 109 Mit-
gliedern. Das Budget beträgt (1894) 10,9 Mill.
Rubel Einnahme und 10,? Mill. Rubel Ausgabe.
Bildungs Wesen. P. hat 23 höhere, 130
mittlere Nnterrichtsanstalten und 825 Elementar-
init 16 Eonntagsschulen. Ein mediz. Institut für
Frauen ist in der Errichtung begriffen. Unter den
mittlern Schulen sind noch zu erwähnen die fünf
mit Gymnasialrechten versehenen Schulen der luth.
St. Annen-, Petri- und Katharinenkirche, der deut-
schen reformierten und der römisch-kath. St. Katha-
rinenkirche, ferner 12 Realschulen und Progym-
nasien, 25 Mädchengymnasien und Mädchenschulen
erster Ordnung, 1 Mädchenprogymnasium, das
Tenia-Institut, die mit Gymnasialrechten versehenen
Mädchenschulen der luth. St. Annen-, Petri- und
Katharinenkirche. - Das Panajewtheater ist für
Komödie und Drama, das Aquariumthcater im
Winter für ital. Oper, im Sommer für franz. Ope-
retten. Für deutsche Vorstellungen ist der Saal des
deutschen Handwerkerklubs "Palme" eingerichtet;
zur Zeit der großen Fasten findet deutsches Gastspiel
im kaiserl. Großen Theater statt.- 1896 erschienen
in P. 235 russ. Zeitungen, 8 deutsche, 1 armenische,
die übrigen unverändert, wie früher. Das Tage-
blatt "8t. ?6t6rdui-F8^iH^6ä0iii08ti)) hat unter
der Redaktion des Fürsten Uchtomskij (seit Anfang
1896) einen neuen Aufschwung genommen. Der
"6i-Ä8kÜ3.uiii" erscheint seit 1896 als Wochenblatt.
1895 bestanden in P. 189 Druckereien, 12 Schrift-