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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schutzmittel
noch durch Kalkeinlagerungen verstärkt wird, ist ost
unglaublich hart. Bei vielen Tieren ist der Körper
nicht allseitig durch seste Hautgebilde geschützt, son-
dern bloß der Rücken, während die Bauchseite weich
bleibt, aber sie besitzen dann die Fähigkeit, sich zu
kugeln, und in diesem aufgerollten Zustande sind sie,
wie Gürteltiere, Goldwespen, Käferschnecken, gewisse
Tausendfüßer und Asfeln, doch allseitig geschützt. Es
braucht die Schutzbedcckung unter diesen Umständen
kein festgefügter Panzer zu sein, sie kann auch wie
beim gewöhnlichen Igel oder beim Ameisenigel als
Stachelkleid auftreten, das nach allen Seiten dem
Feinde entgegenstarrt. Zahlreiche Tiere (Ringelwür-
mer), besonders Larven (Köcherjungfrauen ^s. Tafel:
Infekten lII, Fig. 15, Bd. 9^, Sackträger ^s. Tafel:
Raupen, Fig.2,Bd. 13^, Motten), machen sich aus
Fremdkörpern, die Larven der Lilienpfeifer (f. Blatt-
käfer, Bd. 3) gar aus ihrem eigenen Kot schützende
Gehäuse', viele Gliedertiere umgeben auch ihre Eier
mit schützenden Gespinsten. Die Einsiedlerkrebse ber-
gen ihren weichen Hinterleib in leere Schneckenschalen
<s. Tafel: Meerwasser-Aquarium, Fig. 14,
Bd. 1, und Krustentiere II, Fig. 5, Bd. 10).
Wieder andere Tiere bedecken ihren Leib in oft phan-
tastischer Art mit allerlei Fremdkörpern: eine in
Häusern lebende, von Bettwanzen sich ernährende
Wanzenart (RLäuvius p6l80natu8 FVlbr.) ist als
Larve umhüllt mit Staub und Gemüll. Manche
Seekrabben haben auf dem Rücken hakenartig ent-
wickelte Haarfortsütze, zwischen die sie zarte Gehäuse
von Seepolypen u. s. w. stecken, so daß sie wie be-
wachsene Steine aussehen. Andere (vi-omia) tragen
mit ihrem hintersten Fußpaar einen Korkschwamm
über sich, der sie bedeckt und versteckt, vorippe, gleich-
falls eine Krabbengattung, nimmt allerlei lose Gegen-
stände auf den Rücken. Droht ihr von einem andern
Krebs Gefahr, so hält sie ihrem Gegner den Schild
hin, und während er danach greift und sich damit be-
schäftigt, weiß sie rasch und geschickt zu entfliehen.
Manche ganz harmlose Tiere thun, als wären sie
im Besitze gefährlicher Waffen, indem sie sog. Schreck-
oder Drohstellungen annehmen. Dies ist der Fall
bei gewissen Raupen, dann bei manchen Raubküfern,
die bei drohender Gefahr den Hinterleib in die
Höhe wenden, als ob sie stechen wollten. Auch der
Ohrwurm droht mit seiner, eigentlich einem ganz
andern Zweck, nämlich dem Entfalten der Flügel,
dienenden Zange. Nicht wenige Tiere stellen sich
angesichts prekärer Umstände tot, wie man es
nennt, d. h. sie werden wahrscheinlich hypnotisch und
entgehen auf diese, allerdings unwillkürliche Art der
Vernichtung seitens von lebenden Mitgeschöpfen sich
ernährender Feinde. Auch die Gewohnheit man-
cher brütenden Vögel, sich, wenn ihrem Neste Gefabr
droht, flugunfühig und verwundet zu stellen und so
die Aufmerksamkeit des Feindes von der Vrut ab und
auf sich zu lenken, gehört in diese Kategorie der S.
Eine der merkwürdigsten Arten der S. ist die bei
manchen Tieren vorkommende, aber sicher unwill-
kürlich sich vollziehende Selbstverstümmelung (s. d.,
Bd. 14). Auch die Töne, die manche Insekten, na-
mentlich Küfer, von sich geben, wenn sie angefaßt
werden, mögen zum Teil in das Gebiet der S. fallen.
Ihr durch das unerwartete Geräusch überraschter
Angreifer läßt sie los, und sie finden Gelegenheit
zu entschlüpfen.
Einen sehr wesentlichen Anteil an den S. der Tiere
nehmen ihre Farben. Giftige und ungenießbare sind
meist lebhaft gefärbt und gezeichnet (f. Schreck-
farben, Bd. 14). Andere entziehen sich der Nach-
stellung durch die Ähnlichkeit ihrer Färbung, ost auch
ihrer Gestalt mit andern, aber ungenießbaren Tieren,
oder durch die Ähnlichkeit der Farbe oder Gestalt mit
Teilen der Umgebung (s. Niiuicr^, Bd. 11). Eine
sehr merkwürdige Schutzvorrichtung kommt bei man-
chen Kopffüßern (sopia) vor. Werden diese Tiere
verfolgt, so entleeren sie den dunkeln Inhalt einer
besondern Drüse (die sog. Sepia), trüben dadurch
das umgebende Wasser und entziehen sich ungesehen
ihrem Nachsteller.
Bezüglick der Einflüsse seitens der unbelebten Na-
tur ist zunächst der Schutz gegen die Entziehung von
Körperwärme (s. Wärme, Bd. 16) zu erwähnen.
Die gleichwarmen (fälfchlich warmblütig genannten^
Tiere (Vögel und Säugetiere) des Landes besitzen
Vorrichtungen, welche die Abgabe von Wärme ver-
zögern und die abgegebene Wärme in der Nähe der
Körperoberfläche festhalten: das sind die Epider-
moioalgebilde, die man als Haare, im ganzen als
Pelz, und als Federn, im ganzen als Gesieder, be-
zeichnet. Die abgegebene Körperwärme bleibt zu-
nächst in den Zwischenräumen der Körperbekleidunss
und verlangsamt dadurch den Austausch der tieri-
schen Temperatur mit der des umgebenden Mediums.
Je dichter das Kleid, desto zahlreicher das System
von Zwischenräumen, das auch noch durch Ausrich-
ten (Sträuben) der Haare und des Gesieders ver-
mehrt werden kann. Dies geschieht namentlich bei;
den Vögeln, die außerdem in den elastischen Dunen;
ein Unterkleid haben. Bei den Säugern weit mehr
als bei den Vögeln verdichtet sich die Körperbedeckung',
beim Eintritt der kältern Jahreszeit (Winterpelz)"
Den im Wasser lebenden Säugetieren würde ein-
langhaariger Pelz in mehr als einer Hinsicht nach-
teilig sein, es tritt Reduktion desselben ein, und um
so mehr, in einem je höhern Grade die Tiere an.
einen Aufenthalt im Wasser angewiesen sind. Da-
für entwickelt sich dann ein anderes Wärmeschutz-
mittel, ein unter der Haut gelegenes Fettpolster,,
das außerdem noch das Schwimmen erleichtert..
Bei den Walsischen ist der Umtausch der beiden
Wärmeschutzmittel vollzogen. . Bei vielen Tieren
tritt (nicht bloß bei ungleichwarmen, sondern na-
mentlich auch bei Vögeln) die Farbe als ein Mittel
auf, möglichst viel Wärmestrahlen zu absorbieren;,
die Sommertiere der Alpen und des hohen Nordens
u. s. w. werden dunkel, oft auch (bei Insekten) rauh,,
was gleichfalls die Wärmeaufnahme aus dem um-
gebenden Medium unterstützt.
<^. gegen die Feuchtigkeit sind gleichfalls weit ver-
breitet. Viele im Feuchten oder gelegentlich im.
Wasfer lebende Tiere haben einen Wachs- oder Fett'
Überzug, die Vögel, besonders die Schwimmvögel,
salben ihr Gesieder mit dem öligen Sekret ihrer-
Bürzeldrüse u. s. w. Gegen die Trockenheit und
Dürre sind viele Tiere und ihre Eier und Keime
durch eine meist hornige Hülle geschützt, sie kapseln
sich ein. Scbneckcn verschließen die Mündung ihres
Gehäuses mit einem Deckel und können jahrelang
ein latentes Leben führen. So werden Sommer-
schlaf (s. d., Bd. 15) und Winterschlaf (s. d., Bd. 16>
auch zu einer Schutzvorrichtung, ja selbst die meisten.
Fülle des Wanderns der Tiere.
Eine weitere Schutzvorrichtung besteht in den
Klammerorganen, die viele Geschöpfe besitzen, selbst
in der Eigentümlichkeit der Sessilität (s. d., Bd. 14).
Bei auf lockerm Schnee (Schneehühner, Eishase,
Eskimohunde) oder Sand (Fausthühner, Sand-