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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Südamerika
* Südamerika. Im nördlichen S. haben die
Untersuchungen von A. Hettner, W. Sievers und
Fr. Regel über Columbia und Venezuela neues
Licht gebracht. Diejenigen Hettners erstrecken sich
auf die Cordillere von Bogota, den östl. Zug der
Anden in Columbia. Sie stellt sich als ein gleich-
mäßig gebautes Faltengebirge mit Hochbecken dar,
die zum Teil noch vom Wasser bedeckt sind.
Sievers Bereisung Coros ergab die Existenz eines
zweigliedrigen Gebirgssystems vom Charakter der
Anden und einer dazwischen gelegenen Niederung.
Interessant ist auch der Nachweis eines Gebietes fast
vollkommener Sandwüste im östl. Llano Venezuelas
zwischen dem Rio Chive und dem Orinoco. Regel er-
forschte das columbianischcDepartamentoAntioquia.
Über Ecuador haben Theodor Wolfs (^rta. 360-
Frakca äsi Ncu^äor in 1:445000 und seine (^60-
AraiiH ^ ßeoloZiii äei Ncuaäor neue Anschauungen
hervorgerufen. Danach besteht das Land nicht, wie
bisher angenommen wurde, aus zwei Andenketten
und dazwischen gelagerter Hochebene, sondern aus
einer Reihe von Hochbecken, indem die beiden Aste
der Doppelcordillere durch Riegel mehrfach in Ver-
bindung stehen. Außerdem reicht die Doppelcordil-
lere weiter nach Süden, als bisher bekannt war,
und endlich müssen die meisten Längen nach
Osten verschoben werden. Neue Höhenmessungen der
großen Vulkane gab Whymper. Leider fehlt immer
noch eine umfassende Darstellung der physik.-geogr.
Untersuchungen von Reiß und Stübel in Ecuador.
Dagegen sind die astron. Ortsbestimmungen der-
selben von V. Peter bearbeitet erschienen.
Die große Karte von Peru von A. Raimondi
wurde nach dem Tode des Gelehrten (25. Okt. 1890)
von der Geographischen Gesellschaft in Lima weiter
herausgegeben und war 1894 zur Hälfte fertig; es
fehlten noch die 18 füdl. Blätter. Eine umfang-
reiche Beschreibung des ganzen Landes gabMidden-
dorf in seinem dreibändigen Werke "Peru". Durch
A. Hettners Reise in Peru ist der Schneeberg
Ampato in der Westcordillere als einer der höchsten
Gipfel Amerikas bekannt geworden, der mit dem
Aconcagua zu konkurrieren fchcint. Zugleich hat
derselbe Reisende wahrscheinlich gemacht, daß der
Spiegel des Titicacasees zur Eiszeit bis 200 iu
höher gestanden hat und nicht unbedeutende Thal-
gletscher in der Ostcordillere vorhanden gewesen sind.
In Chile knüpften sich die Fortschritte in der
Physik. Geographie des Landes an den Grenzstreit
mit Argentinien. Da die Grenze zwischen beiden
Staaten auf der Wasserscheide verlaufen foll, diese
aber südlich des vierzigsten Parallelkreises nicht
mehr überall mit der Linie der höchsten Gipfel zu-
sammenfällt, so sind Zweifel über die richtige Ab-
grenzung entstanden, und diese haben Veranlassung
zur Untersuchung der fast unbekannten Anden
Zwischen 42 und 44" südl. Vr. gegeben.
Am meisten haben zur Aufhellung der Grenz-
gebiete H. Steffen, P. Stange und von Fischer bei-
getragen. Die Form des Lago Nahuel-Huapi wird
auf den Karten verändert, die Höhe beträgt 710 in.
Die Anden sind südlich davon durch Querthäler und
Lücken aufgelöst. Der Rio Palena, einer der jen-
seits, östlich der Hauptkette entspringenden Flüsse,
fließt aus dem Rio Carrileufn und Rio Frio zu-
sammen; ersterer entspringt unter 71" westl. L.,
44" südl. Vr. an der Laguna del General Paz,
fließt in einem Querthal westwärts; letzterer ist
noch unerforscht, durchzieht aber ein gewaltiges
Längsthal südwärts. Möglicherweise ist er identisch
mit dem von Fontana von Patagonien aus gefun-
denen Flusse Staleufu. Den Carrileufu umgeben
großartige Schnceberge, die Wasserscheide liegt
auch hier östlich der Hauptkette unter 71° westl. L.
Auch der Rio Puelo, der große östl. Zufluß der
Boca de Reloncavi, ist bis zur Quelle von Valle
Nuevo verfolgt worden; er durchbrickt die Schnee-
berge der Cordillere in nordwestl. Richtung; zwei
Seen, der Lago Superior und der Lago Inferior,
liegen nahe seinen Quellen als Sammelbecken.
Der Berg Tupungato ist von W. Moericke 1890
als ein thätiger Vulkan erkannt worden, was schon
Darwin vermutet hatte; als thätig erwies sich auch
der bisher als erloschen geltende Vulkan Calbuco
südlich des Llanquihuesees, durch lange andauernde
Ausbrüche vom Febr. 1893 bis Anfang 1895.
In Patagonien sind nur wenige neue Errungen-
schaften zu verzeichnen. Die Quelle des Rio Coile'
wurde 1892 von A. Mcrcerat in 73" westl. L. gefun-
den. Auch hier sowie an den Quellen des Rio Gal-
legos und des Santa Cruz sind die Anden keine ge-
schlossene Kette. Auf dem Vasaltplateau nahe Cabo
de las Virgencs liegen einige erloschene Vulkane.
Fürdiephysik.Geographie Mittelargentiniens sind
von Bedeutung L. Brackebusch' Karten (in "Peter-
manns Geographischen Mitteilungen", 1892) und
seine gesondert erschienene "NapH 66 1a RkMdlica
^rL6ntww) in 1:1000000; ferner A. Seelstrangs
großer "^.tl^L äLlHi^LpudlicH^i'^entinii". Bracke-
busch' Arbeiten beruhen auf eigenen Reisen in den
1.1881-88 in den argentin. Anden. Ihm folgten
feitdem W. Bodenbender, Avti - Lallemant und
H. Kurtz im Gebiet zwischen Mendoza und dem
Neuquen. Bodenbender wies nach, daß die Thal-
bildung am Neuquen, Grande, Agrio, Collon Cura,
Varrancas auf tektonische Ursachen, Spaltenbildung
zurückgeht, meist nordwestliche. Dadurch wird es
wahrscheinlich, daß auch die großen Andenseen auf
ähnliche Spaltenbildung zurückzuführen sind. Die
vorherrschende Oberflächenform nördlich der Seen
ist die Hochfläche, am deutlichsten zwischen dem Limay,
Neuquenund Colorado. Derwasser-, holz-und weide-
reiche Süden steht im Gegensatz zu dem wasserarmen,
öden, vegetationslosen Norden mit engen Thälern
und Schutthalden.
Über die Schiffbarkeit des Rio Pilcomayo macht
sich jetzt wohl selbst die bolivian. Regierung keine
Illusionen mehr. Die Expeditionen von Page und
Graham Kerr sowie Storm 1890 stellten endgültig
die Seichtheit des Fahrwassers, viele Stromschnellen
und Sandbänke, überhaupt die Ungeeignetheit des
Flusses für Dampfschiffahrt fest. Der westl. Arm
ist der eigentliche Pilcomayo. Der nun in den Vor-
dergrund getretene, bei Olimpo in den Paraguay
mündende Rio Otuauis erwies sich jedoch 1891
ebenfalls als ungeeignet zur Herstellung regel-
mäßiger Schiffahrtsverbindung zwifchen dem an-
dinen Bolivia und dem Rio de la Plata.
Über Brasilien liegt wenig neues wissenschaft-
liches Material vor. Wirkliche Aufnahmen finden
nur in Säo Paulo statt, wo eine geolog. Durch-
forschungdesParana-Panema-Thals1889begonnen
worden ist und zahlreiche geodätische Arbeiten aus-
geführt worden sind; zugleich sind Meteorolog. Sta-
tionen errichtet worden. Im übrigen gehen alle
Fortschritte in der Kenntnis der Physik. Geographie
von Fremden aus, um so mehr als Brasilien seit der
Erklärung zur Republik aus polit. Wirren nicht