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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

0831c

Erläuterungen zu Karte: Tiergeographie II.

(Tierverbreitung in Deutschland.)

Deutschland gehört tiergeographisch zur paläoarktischen Region und zwar zu ihrer europ. Subregion (s. Tiergeographie). Es bildet eine eigene Provinz derselben, die germanische, zu der im Süden ein Teil einer andern, der alpinen, hinzukommt. Die german. Provinz zerfällt nach Bodenbeschaffenheit, Tier- und Pflanzenwelt in zwei Unterprovinzen: die gebirgige oberdeutsche im Süden, vom Fuß der Alpen bis zum 52 Parallelkreis im Westen und bis zum 51. Parallelkreis im Osten, und die flache niederdeutsche von der Nordgrenze der oberdeutschen bis an das Meer oder bis an die Landesgrenze. Die beiden Unterprovinzen zerfallen je wieder in zwei Gaue. Deutschland setzt sich mithin tiergeographisch aus folgenden Teilen zusammen: aus dem Nordstrich der alpinen Provinz und aus dem südöstlichen (der indessen zum größten Teil österreichisch ist), einem südwestl., einem nordöstl. und einem nordwestl. Gau. Die Grenze zwischen den ersten beiden ist einigermaßen künstlich und verläuft vom 12. zum 10.° östl. L., von Halle a. S. bis zum Bodensee, die zwischen den beiden letztern hingegen wird recht natürlich von der Elbe, soweit sie das flache Land durchströmt, und der untern Saale gebildet.

Der an Tierarten reichste Teil Deutschlands ist der Nordostgau, besonders in seinen nordöstl. Teilen, ihm folgt der kleine Strich der alpinen Provinz, der Südostgau und der Südwestgau, während der Nordwestgau der kümmerlichste von allen ist. Die ganze alpine Provinz und der ganze Südostgau mit den außerdeutschen Teilen sind beide einzeln allerdings reicher als der Nordostgau, so daß von Südosten nach Nordwesten in Deutschland eine stetige Abnahme der Land- und Süßwasserfauna stattfindet.

Die Fauna Deutschlands setzt sich aus drei Elementen zusammen: ständigen Bewohnern, Sommer und Wintergästen. Irrgäste, wenn sie auch wie manche Vögel (Rosenstare, Bienenfresser, Fausthühner u.a.) gelegentlich auf deutschem Boden einmal brüten, können als Bestandteile der Tierwelt Deutschlands nicht in Betracht kommen. Die Mitglieder der ständigen Bewohnerschaft haben sich in histor. Zeit wesentlich verändert. Eine Reihe von Formen sind völlig verschwunden. Der Luchse zeigt sich im bayr. Hochgebirge nur als seltener Wintergast, die beiden letzten wirklich oder doch sehr wahrscheinlich deutschen wurden, der eine 1818 bei Seesen im Harz erlegt, der andere 1833 im Odenwald geschossen. Der braune Bär scheint von den Schweizer und österr. Alpen gelegentlich noch in die bayrischen zu wechseln, dürfte hier aber kaum setzen. Der letzte in der deutschen Provinz wurde 1770 in Oberschlesien geschossen. Der letzte deutsche Wisent fiel 1755 bei Bujak einem Wilddieb zum Opfer. Der Vielfraß ist im nordöstlichsten Teile wahrscheinlich, der Steinbock im bayr. Hochgebirge gewiß in histor. Zeit ausgerottet, doch fehlen nähere Angaben hierüber. Fast verschwunden sind Nörz, Wolf, Biber, Elch und Höckerschwan. Der Nörz zeigt sich noch einzeln in Mecklenburg, bei Schwerin, Plau, Waren, Bützow, am Wentlowsee u.s.w. sowie im östl. Schlesien. Der Wolf tritt gelegentlich in Lothringen, den Vogesen, im östl. Schlesien und in Ostpreußen auf, es ist aber fraglich, ob er hier noch wirft, ob nicht vielmehr die betreffenden Individuen Wintergäste sind. 1874 sollen sie sich in Lothringen und den Vogesen stark vermehrt haben. 1874 wurden 45 in Lothringen erlegt und ihr noch vorhandener Bestand auf 150 geschätzt. Im Jan. 1875 wurde ein 36 kg schwerer bei Borny, nahe bei Metz, erlegt. In Mecklenburg wurde 1800 der letzte geschossen, und in demselben Jahre schreibt Bechstein, er sei in Thüringen gänzlich ausgerottet. Der Biber hat sich unter behördlichem Schutz in kleinen Kolonien an der Elbe bei Wittenberg bis Magdeburg an der untern Saale von ihrer Mündung in der Elbe aufwärts bis Trabitz unterhalb Calbe erhalten. An der Iller wurden 1833 noch Biber beobachtet, und die beiden letzten am Lech wurden 1842 zwischen Augsburg und Gersthofen gefangen. Der Elch findet sich nur im Ibenhorster Revier im Reg.-Bez. Gumbinnen. In Sachsen wurde der letzte 1746 und in Schlesien 1776 erlegt. Der Höckerschwan brütet nur ganz vereinzelt in Pommern und Preußen. In starkem Abnehmen begriffen sind Wildkatze, der Uhu, das Auer- und Haselhuhn und der Kranich. Eine Reihe von Tieren erhalten sich nur unter Schutz des Menschen, so der Edelhirsch, das Wildschwein und das Birkhuhn. Merklich abnehmend sind der Kolkrabe, der Schwarzspecht, alle Tiere, die durch Nahrung oder ihre Fortpflanzungsverhältnisse an alte, hohle Bäume, an Steinhalden, Moore und Sümpfe gebunden sind. So werden die Mandelkrähe. der Reiher, der schwarze Storch von Jahr zu Jahr seltener, und die einst an den norddeutschen Gewässern im Rohr weitverbreitete Bartmeise findet sich nur noch bei Metz. Auch viele größere Insektenarten, namentlich Bewohner alter Eichen und größerer Gewässer, wie der Eichbock und der breite Schwimmkäfer, nehmen mit der Ausrottung und Trockenlegung ihrer Aufenthaltsorte an Individuenzahl rasch ab.

Dafür sind in histor. Zeit neue Tierformen teils eingewandert, teils noch in Einwanderung und im