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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Chemikalien unorganischen Ursprungs.

säure, welche hierbei gewonnen werden, wenigstens zum Theil zu verwerthen. Sie geschieht in der Weise, dass man trockenes Chlorgas auf dünne Schichten gebrannten und durch Besprengen mit Wasser zu Pulver zerfallenen Kalkes leitet. Man hat hierbei darauf zu achten, dass die Temperatur nicht über 25° steigt, weil sonst höhere Oxydationsstufen des Chlors, namentlich die Chlorsäure, entstehen. Das Kalkhydrat nimmt das Chlorgas mit grosser Begierde auf; die Umsetzung findet hierbei etwa in folgender Weise statt: 1 Mol. Calciumoxyd giebt seinen Sauerstoff an 1 Mol. Chlor ab, bildet damit unterchlorige Säure HClO, die sich mit 1 Mol. Calciumoxyd zu unterchlorigsaurem Kalk verbindet, während das vom Sauerstoff befreite Mol. Calcium mit einem zweiten Mol. Chlor Chlorcalcium bildet. Vielfach soll in den Fabriken, nachdem die Sättigung vollendet ist, der fertige Chlorkalk noch mit weiterem Kalkoxydhydrat gemengt, oder wie der technische Ausdruck lautet, verlängert oder gestreckt werden. Sofort nach der Fertigstellung muss die Waare in Fässer aus gut getrocknetem Holz gepackt werden.

Die Herstellung des Chlorgases in den Fabriken geschieht auf dreierlei Weise:

1. Indem man Salzsäure mit Braunstein erhitzt; hierbei resultiren Manganchlorür und Chlorgas; 2. dass man ein Gemenge von Chlornatrium, Braunstein und Schwefelsäure mit einander erhitzt, also die Herstellung des Natriumsulfats mit der des Chlorgases verbindet. Beide Methoden, die sonst sehr einfach sind, haben den Uebelstand, dass grosse Mengen von Manganchlorür oder Mangansulfat dabei abfallen, die erst durch ein ziemlich weitläufiges Regenerationsverfahren in Mangansuperoxyd (Braunstein) für die weitere Benutzung zurückgeführt werden müssen. Man ist daher 3. zu dem Verfahren des Engländers Deacon übergegangen, die Chlorwasserstoffsäure (Salzsäure) dadurch in ihre beiden Bestandtheile zu zerlegen, dass man sie völlig trocken, bei einer Temperatur von ca. 400°, durch Thonröhren leitet, welche mit Kupfervitriol getränkt sind. Hierbei tritt, wenn eine richtige Regulirung der Gasdurchströmung stattfindet, eine vollständige Zersetzung ein, ohne dass lästige Nebenprodukte zu beseitigen wären. Zu den eben angeführten Methoden der Chlorgewinnung gesellt sich neuerdings ein 4. Verfahren, nach seinen Erfindern Weldon-Pechiney genannt. Es basirt darauf, dass Magnesiumoxychlorid bei sehr hoher Temperatur den grössten Theil seines Chlors als Chlorgas und als Salzsäure frei giebt. Zuerst wird Magnesiumchlorid mit Magnesiumoxyd gemengt; die Masse erwärmt sich und es entsteht binnen 20 Minuten eine harte, feste Masse, das Magnesiumoxychlorid. Dies wird nun in wallnussgrosse Stücke zerkleinert und in einem Strom von Luft, die auf 250° erhitzt ist, entwässert. Hierbei entweichen ausser dem Wasser einige % des vorhandenen Chlors. Das so ausgetrocknete Magnesiumoxychlorid wird in Kammeröfen gebracht, welche vorher auf ca. 1000° erhitzt waren und durch die ein Luftstrom gesogen wird. Hierbei entweicht das Chlor