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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

Schlagworte auf dieser Seite: Abhandlung von der Stadt Ulm

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Abhandlung von der Stadt Ulm, ihrem Ursprung, ihrer Ordnung, Regierung, ihren Bürgern und jetzigem Stand.

An letzter Stelle kommt mir zu die Beschreibung der Stadt Ulm, die ich ebenso im ersten Teil versprochen habe; denn sie ist das Ziel, von dem die Reise (evagatio) ausgegangen und an dem sie endlich wieder angelangt ist. Schwierig aber ist mir die Beschreibung dieser Stadt, da ich niemand finde, der vor mir auch nur ein klein wenig von ihr geschrieben hätte, und die Begierde in mir groß ist, klärlich von ihr zu reden. Denn ich weiß durch das Zeugnis des Hieronymus in der Vorrede (prologus) zu seinem Buch von den berühmten Männern, daß der schlechteste Lehrmeister der Mensch sich selbst ist bei der Abfassung von Büchern und besonders von Chroniken; denn es besteht die Besorgnis, daß er Neues auch aus alten Worten schmiede. Weil ich aber nicht weiß, was ich sonst tun soll, so unterfange ich mich mit der Bitte um Nachsicht, ans Werk zu gehen. Wenn ich nun von Ulm rede, werde ich es unterschiedslos urbs (Hauptstadt), civitas (Bürgerschaft oder Stadt), oppidum (Stadt), villa (Dorf), castrum (Feste), castellum (Kastell), burgum (Burg) und vicus (Dorf) nennen, da ihr alle diese Namen zukommen.

Ulm ist nämlich eine Stadt (urbs), wie denn urbs von orbis herkommt; denn das alte sowohl als das neue Ulm ist kreisförmig und rund und gleichsam im Kreis aufgeführt. Man darf aber urbs einfach ohne Beisatz nur Rom nennen, welches immer zu verstehen ist, wenn nur urbs gesetzt wird (wie es heißt de poenitentia et remissione). Wenn aber urbs von urbare herkommt, wird Ulm richtig urbs genannt, weil man glaubt, die Stadt sei wie andere Städte mit dem Pflug umgrenzt worden; urbare (pag. 2) *) bedeutet nämlich mit dem Pflug durch eine kreisförmige Furche zur Bezeichnung des Umkreises der zu errichtenden Mauern umgrenzen. Nach alter Gewohnheit nämlich wurde, wenn eine Stadt erbaut werden sollte, ihr Umkreis mit dem Pflug nach dem Befehl des Fürsten bezeichnet, ohne dessen Geheiß niemand eine Stadt erbauen kann. Und weil eine Sache in das sich wieder auflöst, aus was sie zusammengesetzt ist, deshalb sagt man, eine Stadt sterbe, wenn sie durch den Kaiser aus eigenem Verschulden zum Pflug verurteilt wird und durch Herumführen eines Pflugs aufhört eine Stadt (urbs) zu sein und alle ihre Privilegien verliert. So liest man von Friedrich I., daß er Mailand verurteilt und den Pflug über ihre Plätze gezogen habe. Daß bei Gründung einer Stadt eine urbatio (Umreißung) stattfindet, erhellt aus der Schrift von "Bedeutung der Wörter" bei dem Worte urbs.

*) Die in Klammern in den Text gesetzten Seitenzahlen sind die der Ausgabe von Gustav Veesenmeyer (Bibliothek des literarischen Vereins CLXXXVI, Tübingen 1889).