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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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ziehen und die Bedürfnisse der Menschen an diesem Ort von Anfang an eine Stadt erfordert. Ein anderes Zeichen ihres Alters ist das Zusammentreffen öffentlicher Wege und Straßen. Es liegt nämlich Ulm gleichsam als Mittelpunkt eines Kreises, von dem aus die Wege wie die Linien oder Radien an jeden Punkt des Kreises d. h. der Welt gezogen erscheinen. Es ist aber bekannt, daß, solange es Menschen gegeben hat, diese durch die Länder wanderten, und so mußte es in Ulm, wo so viele Wege aus den Gegenden Alemanniens nach Italien und den andern Ländern zusammenlaufen, von Anfang an Wohnungen wenigstens als Herbergen für die Pilger an einem Ort gegeben haben, wohin die Menschen zu wandern begannen. Ein drittes Zeichen ihres hohen Alters ist das Alter ihrer Gebäude. Denn die Mauer der alten Stadt ist sehr alt und dick, auch sehr fest aus Steinen zusammengefügt, von welchen die neueren Baumeister nicht wissen, aus welchen Gegenden sie stammen: so ist die Kirche des heiligen Kreuzes sehr alt und die Kapelle des hl. Georgius und des hl. Ägidius und das Hans des alten Stadtpfarrers und mehrere andere Gebäude beweisen das Alter der Stadt. - (pag. 17) Der vierte Beweis für das hohe Alter liegt in der Auffindung von Mauern und menschlichen Gebeinen. Denn fast überall in der Stadt findet man, wenn man gräbt, Mauern und an vielen Stellen Gebeine Verstorbener, aus denen man vermuten kann, daß daselbst Kirchen gestanden seien. So wollte in der Nähe des Neuentors, oben auf der linken Seite, im vorigen Jahr ein Weber ein unterirdisches Gemach graben, wie es das Handwerk erfordert, und fand bei dieser Arbeit einen erstaunlichen Haufen Knochen. So fand man im Spital, als man grub zur Aufstellung von Säulen, das Gewölbe einer Stube zu tragen, eine große Masse Knochen, auch anderwärts an sehr vielen Orten, aber auch an dem Abhang und der Stelle, wo die Metzgerhäuser sind, und oben, wo jetzt eine Straße unten am Markt ist, durch welche man zum Herdbruckertor geht, werden sonderbare Gewölbe und unterirdische Gemächer aufgefunden, in denen einst Münzen geschlagen worden sein sollen. - Der fünfte Beweis ist wirksam, um das Alter der Stadt darzulegen. Denn als die Ulmer im Jahr des Herrn 1348 die Juden verbrannt hatten und ihre Habe durchsuchten, fanden sie einen Brief, der zur Zeit Christi von Jerusalem an die Juden in Ulm geschickt worden war und folgenden Inhalt hatte:

"Den jüdischen Brüdern jenseits des Meeres im Schwabenland in der Stadt Ulm senden die Brüder in Jerusalem und im jüdischen Lande Gruß und guten Frieden. Von großer Trübsal befreit, sagen wir herzlichen Dank und verkündigen Euch, daß der ruchlose Verführer Jesus von Nazareth, der Sohn Josephs, aus der Welt geschafft sein wird. Denn, da wir seine Schmähungen und Lästerungen nicht länger ertragen konnten, brachten wir die Anklage "gegen ihn vor den Landvogt. Als dieser unsere Gründe gehört und Mitgefühl für unser Unglück hatte, ließ er ihn hart züchtigen, kreuzigen und töten, wie er es verdiente, und auch seine Jünger zerstreuen. Lebet wohl."

Und noch heute bekennen die Juden, daß sie einen solchen Brief haben. Überdies sind es nicht viele Jahre, daß auf dem Kirchhof der minderen Brüder (Franziskaner) weit unter der Erde ein mit hebräischen Buchstaben beschriebener Stein gefunden wurde; ein Jude aber, der herbeigeführt wurde, um die Schrift zu lesen, sagte, jener Stein sei die Inschrift eines jüdischen Grabes gewesen und diese Schrift sei vor dem Tode Christi geschrieben worden. Dies habe ich von glaubwürdigen Männern gehört (pag. 18), die es von ihren Vorfahren gehört haben, und