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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

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Erläuterungen.

Stilperiode sind auf S. 229 u. f. eingehend besprochen worden, hier will ich deshalb nur noch einzelne äußerliche Kennzeichen und Merkmale aufführen.

Ein solches Merkmal ist vor allem der Rundbogen als Abschluß von Oeffnungen und als vielfach verwendetes Zierglied; als letzteres tritt er in der Form des Bogenfrieses auf (11 in Fig. 717). Wichtig ist für die einzelnen Stilzeiten die Form des Kapitäls, die sich aus der einfachen, unten abgerundeten Würfelform langsam in die Kelchform verwandelt, die im gotischen Stil ausschließlich Anwendung findet. Bald erhält das einfache Würfelkapitäl auch reichen Schmuck aus Bandwerk und Umbildungen des Akanthusblattes (2). Diese Blattformen finden beim Kelchkapitäl ausschließlich Anwendung, ihr Ursprung ist aber kaum noch zu erkennen (3). Schließlich wird aus dem Blattschmuck durch Vereinfachung der Linien und Aufrollen der Ecken zu Knollen das im Uebergangsstile häufige Knospenkapitäl (4).

Die Grundform der ganzen Säule ist sehr einfach. Die Basis (6) ist der sogen. attischen nachgebildet und weist außer in der gedrungenen Form eine besondere Eigentümlichkeit in den Eckblättern (6 a) auf. Der Schaft ist anfänglich glatt, später erhält er aber, wie bei der goldenen Pforte zu Freiberg, reichen Schmuck durch verschiedene aufgelegte Figuren, durch sich herumwindende Wülste u. a. Der Pfeiler, der im romanischen Stil als wichtiges Bauglied auftritt, hat im allgemeinen die einfache, in 7 angedeutete Form mit abgefasten oder ausgekehlten Kanten, an die später kleine Ecksäulchen angefügt werden. Ganz eigenartige Gebilde sind die gekuppelten Säulen, deren Kapitälbildung 13 zeigt, zugleich ein Beispiel für die vielfach vorkommende und deshalb ebenfalls als gutes Kennzeichen dienende phantastische Ausbildung des Schmuckwerkes. Das Schmuckwerk weist auch sonst eigentümliche Formen auf. In Frankreich, wo antike Beispiele unmittelbar als Vorbilder gedient haben, tritt noch häufig das Akanthusblatt in nur wenig veränderter Form auf (15); es ist gedrungener, mehr in die Breite gehend, als die antike Form. In Deutschland tritt eine ebenfalls vom Akanthus hergeleitete, aber ganz willkürlich veränderte Form auf (an 2 oben und an 3 sichtbar), häufig in Verbindung mit Bandwerk, an den Rippen mit Perlen besetzt u. s. f. Sonst herrscht im Schmuckwerk die gleiche Strenge und Gesetzmäßigkeit wie im allgemeinen Aufbau. Ein Beispiel für das strenge Stilisieren pflanzlicher Formen ist 14, eine Rosette aus dem Kloster Heiligenkreuz bei Wien.

^[Abb.: Fig. 717. Romanische und gotische Stil-Formen.]