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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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wir genau aufmerken und aufrichtig sein wollen, so wissen wir, es vergeht selten ein Tag, da wir nicht dieses "Einviertelstündchen" unbenutzt vorübergehen lassen. Und wenn wir diese zusammen zählen und wie sind deren so oft an einem Tag mehrere, - nur ein einziges auf den Tag, und dann per Woche, per Monat - wie viel Zeit haben wir nur in 10 Jahren unnötig vergeudet, volle 3 Monate Arbeitszeit (für den Tag 10 Stunden Arbeit gerechnet) und was hätten wir nicht Alles in der Zeit leisten können, nicht nur für uns, sondern auch für andere, denen wir so manche Gefälligkeit erweisen müssen mit den Worten: "Es tut mir so leid; ich täte es gar zu gerne, aber ich habe keine Zeit dazu."

Ich weiß ja wohl, daß wir neben dem Schlafen nicht nur unausgesetzt arbeiten können. Wir haben auch täglich unsre Ruhe und Erholung nötig, sonst sind die Kräfte zu bald aufgezehrt. Und zudem sind wir nicht blos Arbeitsmaschinen, wir sollen auch Freude und Interesse haben für Höheres und Besseres, als nur arbeiten und essen; Geist und Gemüt bedürfen auch der Nahrung, nicht nur der Körper, und daher dürfen wir bei Einteilung unsrer Tagesstunden auch für deren Pflege genügend Zeit beanspruchen. Aber dennoch oder vielmehr gerade darum sollen wir die Zeit wohl einteilen und ausnützen, dann läßt sich doch vieles richten und leisten vom Morgen bis zum Abend, damit auf die verschiedensten Bedürfnisse Rücksicht genommen werden kann. Es wird so manche Stunde unnütz verschlafen und verplaudert, verträumt und versäumt, und dabei eilt die Zeit immer weiter, und oft zu spät erkennen und beklagen wir die zahllos verlorenen "Viertelstündchen."

Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt.

Und den du nicht benutzst, den hast du nicht gelebt.

Und du auch stehst nie still, der gleiche bist du nimmer,

Und wer nicht besser wird, ist schon geworden schlimmer.

Wer einen Tag der Welt nichts nützt, hat ihr geschadet,

Weil er versäumt, wozu ihn Gott mit Kraft begnadet.

(Rückert).

Umziehen.

Erlebnisse und Ratschläge einer Hausfrau.

Von Marie Rasch.

Umziehen! Inhaltsschweres Wort! Nicht ohne Reiz zwar für das junge Menschenkind, das, solange es denken gelernt, im unbewußten Glück angestammten Besitzes gelebt, doch schreckenvoll für den Hausherrn, der zwar ein Held der Feder, doch bei der drohenden Revolution im Heiligtum seines Arbeitszimmers sich wie gelähmt fühlt, qualvoller Begriff endlich für die Hausfrau, die von dem Moment an, wo die Auflader und Packer antreten, in jenen Zustand versetzt wird, darin sie "staunend ihre Werke und bewundernd untergehn" steht.

Es ist keine Frage, unsere Zeit, die den Patentmöbelwagen erfand, reizt durch die Hilfsmittel, welche sie bietet, die Menschheit, die an und für sich schon ewig nach Verbesserung strebt, auch immer häufiger zum Wechseln der Wohnungen, trotz aller Erleichterungen, wird das Verpflanzen einer ganzen Haushaltung doch stets ein schwieriges Werk bleiben. Denn die Wenigen, die, alles fremden Händen überlassend, sich um nichts zu kümmern brauchen, weil sie alles bezahlen können, kommen dabei nicht in Frage. Sie verreisen und finden am andern Orte ihre gut geölte Haushaltungsmaschine alsbald wieder im alten geräuschlosen Gang, von ihnen wollen wir ja auch nicht sprechen.

Als z. B. Johann Heinrich Voß i. J. 1802 mit Kind und Kegel von Eutin nach Jena zog, da fuhr die Familie im eigenen Reisewagen neben ihrer Habe einher, rastete mit dem Möbelfuhrmann und langte, bereichert an Erfahrungen über grundlose Fahrstraßen, gebrochene Achsen und ländliche Wirtshäuser, nach Wochen am Orte ihrer Bestimmung an. Die Regengüsse sowohl, welche den nur mit Leinwand umhüllten Wagen trafen, als die Stöße der steinigen Wege mögen den aufgepackten Mobilien nicht gerade genützt haben; und dennoch: wie froh begrüßte der Dichter der "Luise" seinen bescheidenen Hausrat, der nun in seiner neuen Heimat an der Saale aufgestellt wurde. Der Anblick der gewohnten Stücke erleichterte ihm und den Seinen das Eingewöhnen, er hätte sich nicht davon trennen mögen. Tat es auch nicht, sondern schleppte, 4 Jahre später, den ganzen Troß bis nach Heidelberg.

Heutzutage ist ein Umzug nach einem anderen Ort nicht der schlimmste, so behaupte ich (und ich habe seine Freuden genügend kennen gelernt). Man ist zwar dabei der Gnade oder Ungnade derjenigen, die die Ueberführung besorgen, vollständige ^[richtig: vollständig] anheimgegeben, aber im allgemeinen ist diese Art von Transport doch sehr gut organisiert, man kommt bezüglich der Packer kaum ganz schlecht an, da deren Uebung sehr groß ist, und dann kann man sich durch einen Vertrag auch gegen Schäden aller Art sichern. Durch den Umstand, daß man gezwungen ist, im Gasthof zu wohnen, bis alles wieder steht, entgeht man auch dem sog. Kehraus und wird deshalb körperlich nicht derartig angestrengt, wie bei einem Uebersiedeln in derselben Stadt, und es ist halt Brauch, daß die Hausfrau alles vorrichtet, man stellt oft übermenschliche Forderungen an ihre Geistes- und Körperkräfte, denn alles wendet sich an sie, sie muß ein kleiner Moltke sein, wenn nicht alles