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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baillif; Baillot; Bailly; Baïlo; Baily

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Baillif - Baily.

ihres spätern Lebens verbrachte sie in Zurückgezogenheit zu Hampstead bei London, unermüdlich wohlthätig gegen die Armen, denen sie "Lady Bountiful" hieß. Kurz nach dem Erscheinen ihrer gesammelten "Dramatic and poetical works" (Lond. 1851) starb sie 23. Febr. 1851. Vgl. Druskowitz, Drei englische Dichterinnen (Berl. 1884).

Baillif (franz.), veraltete Form für Bailli (s. d.).

Baillot (spr. bájo), Pierre Marie François de Sales, Violinspieler und Komponist, geb. 1. Okt. 1771 zu Passy bei Paris. Den ersten Unterricht empfing er im siebenten Jahr durch den Florentiner Polidori; Sainte-Marie, ein französischer Violinist, setzte ihn 1780 in Paris fort; hier machte das Spiel Viottis schon auf den Knaben großen Eindruck. Im J. 1783 folgte der junge B. seinem Vater nach Bastia; als derselbe gleich darauf starb, erbot sich Boucheporn, königlicher Intendant auf Corsica, den Knaben erziehen zu lassen, und sandte ihn nach Rom, wo er 13 Monate blieb und bei Pollani, einem Schüler Nardinis, weitern Unterricht genoß. Nach längern Reisen, auf denen er seinem Beschützer in verschiedene Städte Frankreichs gefolgt war, 1791 nach Paris zurückgekehrt, erhielt er durch Viottis Vermittelung eine Stelle im Orchester des Théâtre Feydeau, legte dieselbe aber schon nach fünf Monaten nieder, um einen Posten im Finanzministerium zu übernehmen. Dies hinderte ihn aber nicht an der Fortsetzung seiner musikalischen Studien, und nachdem er sich wiederholt mit Beifall öffentlich hatte hören lassen, trat er 1795 als Violinlehrer in das Konservatorium der Musik ein, vorläufig, um seinen Kollegen Rode zu vertreten, bald darauf aber, da dieser sich inzwischen in Rußland fixiert hatte, mit fester Anstellung. Seine nunmehr beginnende pädagogische Wirksamkeit erhielt gleichsam ihre Weihe durch die im Auftrag des Unterrichtskomitees der Anstalt von ihm in Gemeinschaft mit Rode und Kreutzer verfaßte Violinschule, deren Redaktion von den Genannten ihm um so lieber überlassen wurde, als seine wissenschaftliche Bildung und seine unter Leitung Catels, Reichas und Cherubinis betriebenen Kompositionsstudien ihn für diese Arbeit vorzugsweise geeignet machten. Auf Grund dieser Arbeit, welche bis zur Gegenwart ihren Wert bewahrt hat, darf B. als das Haupt der modernen französischen Violinschule gelten. Auch gebührt ihm vor allen das Verdienst, durch seine 1814 begonnenen und bis zu seinem Tod fortgesetzten Streichquartettproduktionen die gediegene Richtung dieser Schule bestimmt zu haben. Von einem Aufenthalt in Rußland 1805-1809 abgesehen, war und blieb denn auch Paris der eigentliche Schauplatz seiner Thätigkeit. Bereits 1802 in der Kapelle des Ersten Konsuls angestellt, war er 1827 zum Rang des ersten Violinisten der königlichen Kapelle gestiegen und blieb auch nach dem Wechsel der Dynastie Mitglied derselben. Er starb 15. Sept. 1842. Als Komponist hat B. die Litteratur seines Instruments durch eine große Zahl wertvoller Werke bereichert; auch veröffentlichte er 1835 unter dem Titel: "L'art du violon" eine Violinschule, welche eine ebenso weite Verbreitung gefunden hat wie die oben genannte.

Bailly (spr. báji), Jean Sylvain, franz. Politiker und Astronom, geb. 15. Sept. 1736 zu Paris als Sohn eines Malers, trieb zuerst Malerei und Dichtkunst, wendete sich jedoch bald wissenschaftlichen Studien zu und wurde durch Lacaille für die Astronomie gewonnen. Nach dem Tod seines Vaters erhielt B. die Stelle eines Aufsehers der Luxembourggalerie, 1789 wurde er Sekretär des Pariser Wahlkollegiums und bald darauf Deputierter des dritten Standes bei den Generalständen. Am 3. Juni zum Präsidenten der Nationalversammlung erwählt, leitete er 20. Juni die folgenreiche Sitzung im Saal des Ballhauses und erlangte rasch wegen seines edlen Charakters eine außerordentliche Popularität. Nach der Erstürmung der Bastille wurde er zum Maire von Paris ernannt, zeigte sich aber den schwierigen Geschäften nicht gewachsen und nahm, von den Jakobinern royalistischer Gesinnungen beschuldigt, seine Entlassung. In dem Prozeß der Königin trat er als Zeuge für deren Unschuld auf, begab sich dann auf ein Landgut in der Gegend von Nantes, ward aber in Paris von seinen Feinden angeklagt und genötigt, sich verborgen zu halten, bis ihn die Agenten Robespierres auf einer Reise nach Melun zu seinem Freund Laplace ergriffen und nach Paris schleppten. Er wurde "als Königsfreund und gewaltthätiger Unterdrücker der Volksfreiheit" 11. Nov. 1793 zur Guillotine verurteilt und am folgenden Tag hingerichtet. Baillys Hauptwerk, die "Histoire de l'astronomie" (Par. 1755-87, 5 Bde.; ein Auszug 1806, 2 Bde.), wurde größtenteils auch ins Deutsche übersetzt. Seine Behauptung, daß die Wissenschaft die meisten Entdeckungen einem untergegangenen Volk verdanke, verwickelte ihn in einen Streit mit Voltaire u. a. und veranlaßte die "Lettres sur l'origine des sciences" (Par. 1777; deutsch, Leipz. 1778) und die "Lettres sur l'Atlantide de Platon et sur l'ancienne histoire de l'Asie" (Lond. 1771; engl. 1801, 2 Bde.). Nach Baillys Tod erschienen "Essai sur les fables et sur leur histoire" (Par. 1799, 2 Bde.) und "Mémoires d'un témoin de la révolution" (das. 1804, 3 Bde.; deutsch im Auszug von Weyland, Leipz. 1805). Vgl. Nourrisson, Trois révolutionnaires: Turgot, Necker, B. (Par. 1885).

Baïlo (Bálo, ital.), s. v. w. Bailli, besonders der stehende Gesandte oder Geschäftsträger der ehemaligen Republik Venedig am griechischen und türkischen Hof zu Konstantinopel. Er hatte unter allen christlichen Botschaftern bei der Pforte allein die höchste Gerichtsbarkeit über die im türkischen Reich lebenden Unterthanen seines Staats und erhob von jedem unter venezianischer Flagge einlaufenden Handelsschiff eine ziemlich hohe Abgabe, so daß sein Posten zu den einträglichsten Staatsämtern der Republik gehörte; man ernannte daher meist arme, um den Staat verdiente Nobili dazu, und selten bedurfte es mehr als der gewöhnlichen Verwaltungszeit von drei Jahren, um die zerrütteten Vermögensumstände eines B. wiederherzustellen. Ihm ähnlich, jedoch untergeordnet oder mit geringern Befugnissen, waren die Bailos oder Handelskonsuln der Venezianer zu Aleppo, Alexandria, Smyrna etc. Auch in den Seestädten christlicher Staaten hießen die Vertreter der venezianischen Angelegenheiten Bailos.

Baily (spr. behli), 1) Francis, Bankier in London, geb. 28. April 1774 zu Newbury in Berkshire, Mitbegründer (1820) und nachmals Präsident der Londoner Astronomischen Gesellschaft; starb 30. Aug. 1844 in London. Nachdem er 1822 "Astronomical tables and remarks for the year 1822" veröffentlicht hatte, folgte 1827 ein reichhaltiger Katalog von Zodiakalsternen und 1829 ein ähnlicher von 564 von Flamsteed beobachteten, aber nicht in seinen "British catalogue" aufgenommenen Sternen. Wichtiger noch ist die kritische Ausgabe der ältern Sternverzeichnisse von Ptolemäos, Ulugh Beg, Tycho Brahe, Halley und Hevel (1843) und die Beschreibung der von ihm 1841-42 mit der Drehwage angestellten 2153 Beobachtungen zur Bestimmung der mittlern Dichte