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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Agrarier - Agricola (Joh. Friedr.)

Agrarier, polit. Partei in Deutschland, die die Interessen der Landwirte im öffentlichen Leben vertritt. Die A. behaupten, daß die neuere Gesetzgebung überwiegend dem Geldkapital zu gute gekommen sei, den Grundbesitz und die Landwirtschaft dagegen geschädigt habe. Sie traten zuerst bei den Wahlkämpfen 1874, jedoch noch ohne Erfolg hervor. Die in Berlin 22. bis 24. Febr. 1870 tagende konstituierende Versammlung "Deutscher Steuer- und Wirtschaftsreformer" nahm ein Programm in neun Punkten an, in dem namentlich gefordert wurde: Beseitigung der Doppelbesteuerung, die in der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer liege; Börsensteuer; Freihandelspolitik; Staatsbahnsystem und Aufhebung aller Differentialzölle (s. d.); Ausgabe von Reichspapiergeld unter Beseitigung der Bankvorrechte; Umgestaltung der Aktiengesetzgebung, der Gewerbeordnung, des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz; Beschränkungen des Erbrechts und der Verschuldungsform des Grundbesitzes. In polit. Hinsicht schlossen sich die A. der konservativen Partei an; die frühere freihändlerische Richtung wich Ende der siebziger Jahre schutzzöllnerischen Neigungen. Der Einfluß der A. machte sich besonders 1879, 1885 und 1887 bei der Einführung und Erhöhung der Getreide-, Vieh- und Holzzölle geltend. In letzter Zeit ist der Bund der Landwirte (s. Landwirtschaftliche Vereine) der Mittelpunkt der agrarischen Bestrebungen geworden, die sich neuerdings besonders gegen die Politik der Handelsverträge und auf Verstaatlichung des Getreidehandels richten.

Agrarische Gesetze, s. Agrargesetzgebung.

Agrarkrisis, s. Getreidehandel.

Agrarmeteorologie, die Anwendung der Meteorologie für Zwecke der Landwirtschaft.

Agrarpolitik, s. Agrargesetzgebung.

Agrarverfassung, s. Agrargesetzgebung, Dorfsystem, Grundeigentum, Hofsystem.

Agraulos, s. Aglauros.

Agraviados, d. i. politisch Mißvergnügte, nannte man im 18. Jahrh. in Spanien die Edelleute, welchen die auf den Thron gelangten Bourbonen die Anerkennung und Verleihung von Titeln und Würden versagten, weil sie das Interesse der Habsburger begünstigt hatten oder heimlich noch begünstigten. Denselben Namen legte man zur Zeit Ferdinands VII. den Teilnehmern an einem von der päpstl. Partei begünstigten Aufstande bei, der 1826-28 die Herstellung des äußersten Absolutismus in Kirche und Staat bezweckte.

Agréés, die von den franz. Handelsgerichten als Parteivertreter besonders zugelassenen Personen ohne amtlichen Charakter und ohne ausschließliche Berechtigung.

Agrëieren (frz.), genehmigen, annehmen; davon agreabel, angenehm.

Agricola, Gnäus Julius, röm. Staatsmann und Feldherr, geb. 39 n. Chr. zu Forum Julii (Fréjus), machte 59 in Britannien seinen ersten Feldzug mit und erhielt 64 eine Quästur in Kleinasien; 68 erlangte er die Prätur und schloß sich im folgenden Jahre Vespasian an, der ihm erst den Befehl über eine Legion in Britannien, dann, nachdem er ihn in den Patricierstand erhoben, 73 die Provinz Aquitanien übertrug, die er drei Jahre hindurch verwaltete. Im J. 76 zum Konsul ernannt, ging er 77 als Konsularlegat nach Britannien, wo er die Herrschaft der Römer befestigte und bis an das caledon. Hochland erweiterte, das er eben unterwerfen wollte, als ihn 94 der argwöhnische Kaiser Domitian abberief. A. starb 93 n. Chr. Sein Schwiegersohn Tacitus (s. d.) schrieb seine Lebensgeschichte.

Agricola, Georg, eigentlich Bauer, Mineralog, geb. 24. März 1490 zu Glauchau, 1518-22 Rektor der Schule zu Zwickau, studierte dann in Leipzig und Italien Medizin und ließ sich 1527 als Arzt zu Joachimsthal in Böhmen nieder. 1531 nach Chemnitz übergesiedelt, widmete er sich ganz der Bergbaukunde, erhielt von Kurfürst Moritz ein Jahrgeld und freie Wohnung, wurde später Stadtphysikus und Bürgermeister in Chemnitz, wo er 21. Nov. 1555 starb. A. war der erste systematische Mineralog Deutschlands. Die morpholog. Kennzeichen berücksichtigend, unterschied er einfache und zusammengesetzte Mineralien und teilte die erstern in Erden, Konkretionen, Steine und Metalle. Dieses System blieb die Grundlage aller fernern mineralog. Arbeiten bis in das 18. Jahrh. hinein. Unter den Schriften A.s sind die wichtigsten: "De ortu et causis subterraneorum" (Bas. 1546 u. 1558), "De re metallica" (ebd. 1530 u. 1561; deutsch als "Bergwerksbuch", ebd. 1557 u. 1621) und "De mensuris et ponderibus Romanorum atque Graecorum" (ebd. 1533 u. 1550). Seine "Mineralog. Schriften" wurden von Lehmann (4 Bde., Freiberg 1806-13), sein "Bergmannus oder Gespräche über den Bergbau" von Schmidt (ebd. 1806) übersetzt. - Vgl. Becher, Die Mineralogen Georg A. zu Chemnitz im 16., und A. G. Werner zu Freiberg im 19. Jahrh. (ebd. 1819); Jacobi, Der Mineralog Georg A. und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit (Werdau 1889).

Agricola, Joh., eigentlich Schnitter, nach seiner Vaterstadt "Magister von Eisleben" (Magister Islebius) genannt, prot. Theolog, geb. 20. April 1492, seit 1515 in Wittenberg bei Luther, dessen Tischgenosse er ward, begleitete ihn 1519 zur Leipziger Disputation. Er richtete 1525 in Frankfurt a. M. den prot. Gottesdienst ein und wurde 1525 Lehrer und Pfarrer zu Eisleben, 1536 Docent zu Wittenberg, wo ein schon früher begonnener theol. Streit mit Melanchthon zu gehässigem Ausbruch kam (s. Antinomismus). Diese Händel trieben ihn 1538 nach Berlin, wo ihn Joachim II. zum Hofprediger ernannte; er beteiligte sich unbegreiflicherweise am Augsburger Interim von 1548 und starb zu Berlin 22. Sept. 1566. Neben vielen theol. Schriften danken wir ihm die erste hochdeutsche Sprichwörtersammlung, die anfangs (Hagenau 1529) 300, später (ebd. 1537; seitdem oft gedruckt) 750 Nummern umfaßte und mit freimütig reformatorischen, doch nicht immer passenden Auslegungen in Prosa versehen war. Eine weitere Folge von 500 "gemeinen deutschen Sprichwörtern" (1548) schöpfte er zumeist aus Hugo von Trimbergs (s. d.) "Renner". - Vgl. Latendorf, A.s Sprichwörter (Schwer. 1862). Auch Kirchenlieder verfaßte A. und wahrscheinlich die anonyme "Tragedia Johannes Huß" (Wittenb. 1537). Vgl. Kawerau, J. A. von Eisleben (Berl. 1881).

Agricola, Joh. Friedr., Orgelspieler und Musikschriftsteller des 18. Jahrh., geb. 4. Jan. 1720 zu Dobitschen im Altenburgischen, gest. 12. Nov. 1774 als königl. Kapellmeister in Berlin. A. war Schüler von S. Bach und kam 1750 in den Dienst Friedrichs d. Gr. Er hat mehrere Opern, viele Instrumentalsachen und auch einige Kirchenstücke geschrieben. Praktisch wichtig blieb seine Übersetzung von Tosis "Anleitung zur Singekunst" (Berl. 1757), die er mit guten Anmerkungen versah. Auch Adelungs