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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Anthranilsäure - Anthropologie

Lungenlappen mit feinsten Kohlepartikelchen beruht. Die erkrankten Lungenteile werden dadurch tief blauschwarz gefärbt, hart, luftleer und sind in den spätern Stadien von zahlreichen Tuberkeln und tuberkulösen Höhlungen durchsetzt. Wenn der Kranke nicht frühzeitig aus der kohlenstaubhaltigen Luft entfernt wird, erfolgt meist unter den Symptomen der chronischen Lungenschwindsucht der Tod. (S. Staubinhalationskrankheiten.)

Anthranilsäure, soviel wie Orthoamidobenzoesäure, C6H4(NH2).COOH ^[C<sub>6</sub>H<sub>4</sub>(NH<sub>2</sub>).COOH], eine krystallisierende Säure, die zuerst durch Oxydation von Indigo erhalten worden ist. Anthranil ist das innere Anhydrid dieser Säure.

Anthrarobin, C14H10O3 ^[C<sub>14</sub>H<sub>10</sub>O<sub>3</sub>], entsteht durch Erwärmen des Alizarins mit Zinkstaub und Ammoniak, und stellt ein gelblichweißes grobkörniges Pulver dar, welches in Wasser unlöslich ist, in Alkohol aber sich sehr leicht mit gelbbrauner Farbe löst; in Alkali löst es sich gleichfalls mit gelbbrauner Farbe, welche beim Schütteln mit Luft sehr bald durch Grün und Blau in Alizarinviolett übergeht. Das A. wird vielfach in Form von Salben und Tinkturen gegen Hautkrankheiten, insbesondere gegen Psoriasis und parasitäre Hautaffektionen, benutzt.

Anthriscus Hoffm., Kerbel, Pfianzengattung aus der Familie der Umbelliferen (s. d.) mit 10 größtenteils in der nördlich gemäßigten Zone der Alten Welt wachsenden Arten; einjährige oder perennierende Kräuter mit drei- bis vierfach gefiederten Blättern und weißen Blüten. Eine im südöstl. Europa heimische Art, der Suppen- oder Küchenkerbel, A. cerefolium Hoffm., eine zierliche Pflanze mit gestreiftem, dünnem Stengel, hellgrünen und angenehm duftenden Blättern und wenigstrahligen Dolden, wird allenthalben in Küchengärten als Suppenkraut und Küchengewürzpflanze gebaut und verwildert leicht. Aus den Samen wird das ätherische Kerbelöl gewonnen. Außer dieser Kulturpflanze gehören zur Gattung A. mehrere in Deutschland häufige Unkräuter, nämlich A. silvestris Hoffm., der wilde Kerbel, eine allenthalben in Grasgärten und auf Wiesen wachsende Pflanze mit mehrstrahligen Dolden und glatten Früchten, und der gemeine Kerbel, A vulgaris Pers. mit stachligen Früchten, der auf Schutt und wüsten Plätzen wächst.

Anthropo... (grch.), Menschen...

Anthropocentrisch (grch., "den Menschen als Mittelpunkt setzend") nennt man jede Betrachtungsweise, die davon ausgeht, daß die Welt um des Menschen willen da sei.

Anthropogeographie heißt nach Ratzel, analog der Tier- und Pflanzengeographie, seit 1882 derjenige Teil der Erdkunde, der die Abhängigkeit des Menschen von den räumlichen Verhältnissen der Erdoberfläche im allgemeinsten Sinne des Wortes zum Gegenstande der Forschung macht. Da diese Abhängigkeit selbstverständlich eine höchst verwickelte Funktion der natürlichen Gegebenheiten des Bodens, des Klimas, der Verkehrslage u. s. w. ist, und da die A. in letzter Reihe alle Fragen der Anthropologie und der Völkerkunde oder Ethnographie in sich schließt, so sind die von Ratzel gegebenen Anregungen bisher vielfach als zu allgemein gehalten und zu wenig streng angegriffen worden. Doch ist unverkennbar, daß die Ausführungen über den allgemeinen Einfluß der Naturbedingungen auf die Menschheit schon sehr anregende Bedeutung errungen haben; und man darf auch erwarten, daß anthropogeogr. Specialuntersuchungen in der nächsten Zeit viel zur Klärung der allgemeinen Andeutungen in Ratzels A. beitragen und der gesamten Geographie viel schätzbares Material zuführen werden. - Vgl. Ratzel, Anthropogeographie (2 Tle., Stuttg. 1882 u. 1891).

Anthropoiden, s. Menschenaffen.

Anthropolatrie (grch.), Menschenanbetung, warfen die Christen den Heiden vor, weil deren Götter vergötterte Menschen seien; umgekehrt wurden die Christen wegen ihrer göttlichen Verehrung Jesu von den Heiden als "Anthropolatren" bezeichnet.

Anthropolithen (grch.) oder Androlithen, früherer Name für fossile Reste menschlicher Körper, z. B. von Gestein umschlossene Knochen, Zähne oder dergleichen; das Wort kam in neuerer Zeit gänzlich außer Gebrauch (s. Dryopithecus Fontani).

Anthropologie (grch.), die Lehre vom Menschen in ihrem ganzen Umfange gefaßt, schließt in weiterm Sinne die gesamte Naturgeschichte des Menschen, die Anatomie und Physiologie sowie die Psychologie ein; sie hat zugleich, insofern nicht nur das Individuum, sondern die Menschheit ihr Objekt ist, das gesamte Kulturleben der Völker zum Gegenstände. Doch pflegt der Begriff A. in der Regel enger gefaßt zu werden, und die Aufgaben der A. in diesem engern Sinne sind: 1) Kenntnis der naturhistorischen Charaktere der verschiedenen Völker und Stämme: Rasseneigentümlichkeiten, deren wichtigste im Schädel- und Skelettbau, in den Proportionen der Gliedmaßen, in Farbe und Beschaffenheit der Haut, Haare und Regenbogenhaut des Auges gelegen sind (s. Menschenrassen). 2) Das in dieser Richtung Gewonnene ist unerläßliche Vorbedingung für eine zweite Aufgabe, die nach R. Wagners Vorgang als historische A. bezeichnet werden kann: Ergründung des ethnolog. Zusammenhangs, der zwischen den Völkern des Altertums unter sich und den jetzt lebenden Völkern besteht. Die historische A. unterliegt großen Schwierigkeiten. Infolge der wiederholten, zum Teil in die graue Vorzeit fallenden, geschichtlich nur unsicher oder gar nicht verbürgten Wanderungen der Völker, durch ihr abwechselndes Verschwinden und späteres Wiederauftauchen an entfernten Orten und unter veränderter Gestalt findet sich hier ein so kompliziertes Durcheinanderwirken der Erscheinungen, es gilt so verdeckte und oft verwischte Beziehungen aufzudecken, daß die Ergebnisse der Untersuchung oft unsicher sind. Die Hilfsmittel sind hier neben der naturhistor. Kenntnis verlebenden Völker die Geschichtsforschung, namentlich die Urgeschichte (s. d.). Ein wichtiges, doch oftmals trügerisches Zeichen für die Abstammung und den Zusammenhang der verschiedenen Völker ist die Sprache (s. Sprachwissenschaft). Gleichheit oder Verwandtschaft derselben berechtigt keineswegs ohne weiteres zum Schlüsse auf gleiche Abstammung. Es ist eine oft wiederkehrende Erscheinung, daß besiegte Völker die Sprache der Sieger oder auch die Sieger die Sprache der Besiegten annahmen. 3) Eine dritte Hauptrichtung der A. beschäftigt sich mit der Untersuchung nach der Herkunft und Stellung des Menschen in der Natur, d. h. mit seinen Beziehungen zu den nächstverwandten Tieren; ferner mit der Frage, ob ein genetischer Zusammenhang zwischen diesen und den Menschen bestehe und welcher Art dieser sei (s. Mensch, naturgeschichtlich). - Über die sog. psychische A. s. Psychologie und Völkerpsychologie.