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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Delatoren; Delatōrisch; Delatyn; Delaunay; Delavigne

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Delatoren - Delavigne.

Delatoren (lat.), eigentlich "Überbringer, Anzeiger", vorzugsweise in der römischen Kaiserzeit die Angeber oder Denunzianten, die ein Gewerbe daraus machten, um sich die Gunst der Kaiser und sich selbst persönliche Vorteile zu verschaffen, solche, welche den Kaisern verdächtig oder auch nur mißliebig waren, insbesondere wegen angeblicher Majestätsverbrechen anzuklagen und zur Verurteilung zu bringen. Sie kamen zuerst unter Tiberius empor und übten nachher unter schlechten Kaisern, wie Caligula und Domitian, ihre verderbliche, Haß und Mißtrauen verbreitende Wirksamkeit, während sie unter bessern Kaisern, wie Titus, Nerva, Trajan, durch Verbannung oder sonstige Strafen unterdrückt wurden. Der Gewinn eines Delators bestand gewöhnlich in dem vierten Teil der dem Angeklagten auferlegten Strafsumme oder seines verfallenen Vermögens; daher auch der Name Quadruplator.

Delatōrisch, in der Weise der Delatoren, angeberisch, verleumderisch.

Delatyn, Marktflecken in Galizien, Bezirkshauptmannschaft Nadworna, in einem Gebirgskessel am Pruth gelegen, hat ein Bezirksgericht, Salzquellen und Salzsiederei, Bäder und Molkenkuranstalt und (1880) 4495 Einw.

Delaunay (spr. dölonäh), 1) Charles Eugène, Mathematiker, geb. 9. April 1816 zu Lusigny bei Troyes, besuchte seit 1834 mit großem Erfolg die polytechnische Schule, vertrat 1841-48 Biot an der Sorbonne, wurde Professor der höhern Mechanik an der polytechnischen Schule zu Paris, 1862 Mitglied des Bureau des longitudes und geriet später in heftige Kämpfe mit Leverrier über die Beobachtungen auf der Pariser Sternwarte, die damit endigten, daß D. 1870 an Leverriers Stelle zum Direktor derselben ernannt wurde. D. ertrank 5. Aug. 1872 durch Umschlagen eines Nachens im Hafen von Cherbourg. Er schrieb: "Cours élémentaire de mécanique" (1850; 10. Aufl., Par. 1884; zum Teil deutsch bearbeitet von Schellen, 3. Aufl., Braunschw. 1868); "Cours élémentaire d'astronomie" (1853; 7. Aufl., Par. 1884); "Traité de mécanique rationelle" (1856; 7. Aufl., das. 1883); außerdem zahlreiche mathematische Abhandlungen. Sein Hauptwerk, eine der hervorragendsten Leistungen der neuern Astronomie, ist die "Théorie de la lune" (Par. 1860-67, 2 Bde.; unvollendet). Vgl. Thévenot, Biographie de C. E. D. (Par. 1878).

2) Louis Arsène, franz. Schauspieler, geb. 21. März 1826 zu Paris, besuchte das Conservatoire 1843-45 und debütierte 1846 im Odéon, wo er zwei Jahre lang jugendliche Liebhaber spielte. Im J. 1848 trat er als Dorante im "Menteur" am Théâtre français auf und wurde schon nach zwei Jahren Societär. Unter seinen zahlreichen Schöpfungen auf der ersten Bühne Frankreichs ragen besonders die in Emile Augiers Stücken, z. B. in "Le fils de Giboyer" (deutsch: "Ein Pelikan", von Laube) und "Paul Forestier", in vielen Proverbes von Alfr. de Musset, im "Lion amoureux" von Ponsard und in "Hernani" von Victor Hugo hervor, in welch letzterm er einen seiner größten Triumphe feierte. Vermählt ist D. mit der Schauspielerin Marie Favart (s. d.).

3) Elie, franz. Maler, geb. 12. Juni 1828 zu Nantes, Schüler von Flandrin und Lamothe, erlangte 1856 den großen Preis für Rom und trat 1865 mit einem Bilde, der Kommunion der Apostel, auf, welches, zwar auf die Nachahmung Raffaels gegründet, doch eignen poetischen Schwung und Wärme des Gefühls verriet. Es kam in das Museum des Luxembourg, ebenso wie die drei folgenden historischen und mythologischen Kompositionen: die Pest in Rom (1869), der Tod des Nessus (1870) und Diana (1872). Von seinen spätern Schöpfungen sind zu nennen: der Triumph Davids (1874) und der Sturz Ixions in den Hades (1876). Er hat auch zahlreiche Porträte gemalt und dekorative Malereien in der Kirche Ste.-Trinité und in der Neuen Oper (Triumph des Gesanges) ausgeführt.

Delavigne (spr. dölawīnj), Jean François Casimir, berühmter franz. Dichter, geb. 4. April 1793 zu Havre, bewies schon auf der Schule (Lycée Napoléon) ungewöhnliches poetisches Talent durch einen Dithyrambus auf die Geburt des Königs von Rom (1811). 1813 erschien sein Dithyrambus auf Delilles Tod, 1814 sein Gedicht "Charles XII à Narva", 1815 "La découverte de la vaccine", womit er von der Akademie den ersten Nebenpreis gewann, und 1818 seine "Messéniennes", mit denen er die Herzen der Nation im Sturm eroberte. Diese politischen Klagelieder waren der Ausfluß eines glühenden Patriotismus, dem der Schmerz über die Invasion und der Haß gegen die fremden Unterdrücker beredte Worte liehen. Er erhielt darauf den Posten als Bibliothekar an der Staatskanzlei, verlor ihn aber 1822 wieder, als er in neuen "Messéniennes" den Befreiungskampf der Griechen besang; dafür machte ihn der Herzog von Orléans zum Bibliothekar des Palais Royal, und dieses Amt bekleidete er bis an seinen Tod. Die Bühne betrat D. mit dem Trauerspiel "Vêpres Siciliennes" (1819), welches trotz der Zurückweisung durch das Théâtre français einen großartigen Erfolg davontrug. Diesem Stück folgten das Lustspiel "Les Comédiens" (1820), das Trauerspiel "Le Paria" (1821) und die Lustspiele: "L'école des vieillards" (1823) und "La princesse Aurélie" (1828). Ersteres, sein bestes Lustspiel, trug ihm einen Sitz in der Akademie (1825) ein; eine Pension, die Karl X. ihm anbot, schlug er jedoch aus. Von einer Reise, die er nun infolge seiner geschwächten Gesundheit nach Italien machte, brachte er außer sieben neuen "Messéniennes" eine bedeutende Veränderung seiner dichterischen Anschauungen zurück, welche sich in der Tragödie "Marino Faliero" (1829) zuerst dokumentierte. Denn wenn D. sich früher möglichst genau den Regeln des klassischen Dramas angeschlossen hatte, so näherte er sich jetzt dem Lager der Romantiker in der Absicht, die beiden Schulen zu versöhnen; sein Versuch hatte brillanten Erfolg. Die Julirevolution begeisterte ihn zu den volkstümlich gewordenen Gesängen: "La Parisienne" (komponiert von Auber), "La Varsovienne" etc. und zu zweien seiner besten "Messéniennes": "Une semaine à Paris" und "Le chien du Louvre". 1832 wurde sein "Louis XI" aufgeführt, wie "Marino Faliero" eine Mischung von Tragischem und Komischem, aber entschiedener dem Zeitgeschmack huldigend. Das Trauerspiel "Les enfants d'Édouard" (1833) und besonders das Lustspiel "Don Juan d'Autriche" (1835) gehören wegen der Lebendigkeit der Handlung und des poetischen Schwunges zu den besten Stücken des Dichters. Die einaktige Tragödie "Une famille au temps de Luther" (1836) erweckte nur mäßiges Interesse; nicht mehr die politische Komödie "La popularité" (1838) und die Tragödie "La fille du Cid" (1839). Seine letzten Werke waren das Lustspiel "Le conseiller-rapporteur" (1841) und der mit seinem Bruder (s. unten) verfaßte Text zu der Oper "Charles VI" (1843, Musik von Halévy). Als er zum zweitenmal seine erschütterte Gesundheit wiederherstellen wollte, starb er 11. Dez. 1843 in Lyon. D. ist neben Bé-^[folgende Seite]