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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Dissidieren - Distanz.

Vgl. Lukasiewicz, Geschichtliche Nachrichten über die D. in Posen (deutsch, Darmst. 1843); Koniecki, Geschichte der Reformation in Polen (Bresl. 1872). Heutzutage bezeichnet man als D. diejenigen Personen, welche nicht zu der Staatskirche oder doch nicht zu den in einem Staat als vollberechtigt anerkannten Kirchen gehören. Da nun in den einzelnen Staaten nicht dieselben Religionsgemeinschaften als vollberechtigt anerkannt sind, so kann es vorkommen, daß die Angehörigen einer Kirche oder religiösen Sekte in dem einen Territorium als D. betrachtet werden, während sie in einem andern Staatsgebiet der privilegierten Kirche angehören. In Deutschland nennt man regelmäßig diejenigen Religionsgesellschaften D., welche sich von den drei christlichen Hauptkonfessionen, der katholischen, protestantischen und reformierten, losgesagt haben. Während nämlich der Westfälische Friede nur jenen drei christlichen Konfessionen die volle Religionsfreiheit gesichert hatte, ist durch die deutsche Partikulargesetzgebung, namentlich in Preußen, das Prinzip der Toleranz mehr und mehr zur Geltung gelangt, und so kommt es, daß heutzutage den dissidentischen Religionsgemeinschaften regelmäßig das Recht der freien und öffentlichen Religionsübung zugestanden ist, wenn sie auch die Rechte einer Korporation oder juristischen Person nur durch besondere staatliche Verleihung erlangen können. Für das Deutsche Reich begründet in bürgerlicher u. staatsbürgerlicher Beziehung die Konfession keinen Unterschied der Behandlungsweise mehr, zumal seit Einführung der Zivilstandsregister und der Zivilehe (s. d.).

Dissidieren (lat.), voneinander getrennt sitzen; auseinander gehen in seinen Ansichten; sich von einer herrschenden Kirche absondern (s. Dissidenten).

Dissidĭum (lat.), Verschiedenheit der Meinung und dadurch veranlaßter Zwist.

Dissimilär (lat.), unähnlich, ungleichartig; Dissimilarität, Unähnlichkeit.

Dissimilation (lat.), in der Grammatik Gegensatz von Assimilation (s. d.), die Umwandlung eines Lautes in einen andern, um die Aufeinanderfolge gleicher Laute zu vermeiden, z. B. lat. aus ebrius ebrietas (statt ebriitas), wie aus bonus bonitas.

Dissimulieren (lat.), sich etwas nicht merken lassen, sich verstellen; Dissimulation, Verstellung, Verhehlung.

Dissipieren (lat.), zerstreuen, verschwenden; Dissipation Vergeudung; Zerstreutheit (der Gedanken).

Dissna, Kreisstadt im russ. Gouvernement Wilna, an der Mündung des gleichnamigen Flusses in die Düna, hat ein altes, vom König Siegmund August stammendes Schloß und (1881) 6636 Einw., meist Polen und Juden, die Handel und Schiffahrt treiben.

Dissociation (lat.), Trennung, Auflösung; in der Chemie die Zersetzung der Körper durch Wärme unterhalb der Temperatur, bei welcher eine vollständige Zerlegung stattfindet. Wie das Wasser schon unterhalb des Siedepunktes Dampf entwickelt, so liefern manche chemische Verbindungen unterhalb der Zersetzungstemperatur gasige Zersetzungsprodukte, bis diese eine gewisse, für die herrschende Temperatur konstante Spannung angenommen haben. Erhitzt man z. B. kohlensauren Kalk im Vakuum, so beginnt er Kohlensäure abzugeben, deren Spannung bei 860° 85 mm und bei 1040° 520 mm Quecksilber beträgt. Wird die Temperatur erniedrigt, so wird auch wieder ein Teil der Kohlensäure absorbiert, bis endlich bei der Ausgangstemperatur der anfängliche Zustand wiederhergestellt ist. Die D. der chemischen Verbindungen entgeht daher auch vollständig der Beobachtung, wenn man die Dissociationsprodukte, ohne sie zu trennen, erkalten läßt; denn sie vereinigen sich alsdann wieder, und der erkaltete Körper erscheint unverändert. Verdampft man Salmiak, so besteht der Dampf bei einer gewissen Temperatur aus Chlorwasserstoff und Ammoniak, welche sich bei niederer Temperatur wieder zu Salmiak verbinden. Bei der D. wird Wärme aufgenommen, und wenn die Zersetzungsprodukte sich wieder zu der ursprünglichen Verbindung vereinigen, so wird diese Wärme wieder frei. Gibt man bei der höhern Temperatur Gelegenheit zur Diffusion, so trennen sich die Dissociationsprodukte, und man findet dann, daß z. B. Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, Kohlensäure in Kohlenoxyd und Sauerstoff, Salzsäure in Chlor und Wasserstoff dissociiert werden. Häufiger liegen die Temperaturgrenzen für die D. und die Wiedervereinigung der Zersetzungsprodukte so nahe bei einander, daß die D. nur unter Anwendung besonderer Bedingungen erkannt werden kann. Die D. ist für die theoretische Chemie von großer Bedeutung und verspricht noch sehr erhebliche Resultate zu geben. Für technische Zwecke hat man sie zur Konstruktion von Pyrometern und Thermometern benutzt. Eine glasierte, luftleere Porzellanröhre, welche reinen kohlensauren Kalk erhält, wird in dem Ofen, dessen Temperatur bestimmt werden soll, erhitzt und der Druck der sich entwickelnden Kohlensäure an einem mit dem Porzellanrohr verbundenen Manometer gemessen. Für niedere Temperaturen ist ein ähnlicher Apparat, aber eine chemische Verbindung anzuwenden, die sich sehr viel leichter zersetzt als kohlensaurer Kalk. Eine solche ist Chlorcalciumammoniak, bei welchem die Spannungen des zwischen 0 und 46° frei werdenden Ammoniaks von 120-1551 mm schwanken.

Dissociieren (lat.), trennen, eine Verbindung aufheben; dissociabel, unvereinbar, ungesellig.

Dissolūt (lat.), ungebunden, ausschweifend; Dissolution, Auflösung; dissolutiv, auflösend.

Dissolvieren (lat.), auflösen, zergehen lassen, schmelzen, zerlassen; Dissolventia, zerteilende Mittel (s. d.).

Dissólving views (engl., spr. wjuhs), Nebelbilder, s. Laterna magica.

Dissonánz (lat., "Zwieklang"), in der Musik ein Zusammenklang, der nicht zur Einheit verschmilzt, sondern als Doppelklang empfunden wird. Nach den neuesten Ergebnissen der Untersuchungen auf dem Gebiet der Harmonik ist ein koordiniertes Bestehen zweier Klänge in der Auffassung etwas durchaus Ungewöhnliches; vielmehr werden auch dissonante Zusammenklänge in der Regel im Sinn von (konsonanten) Dur- oder Moll-Akkorden gefaßt, deren Konsonanz durch fremde Töne gestört wird, während ihre Klangbedeutung unangetastet bleibt. Die neuere Harmonielehre spricht daher von dissonanten Tönen, während die ältere nur von dissonanten Intervallen und Akkorden wußte. Vgl. Akkord.

Dissuadieren (lat.), ab- oder widerraten; Dissuasion, Abratung; dissuasorisch, abratend.

Dissyllăbum (griech.), ein zweisilbiges Wort.

Distanz (lat., franz. Distance, spr. -stāngs), die Entfernung zweier Körper voneinander, Abstand (s. d.); daher D. halten, beim Marsch die gehörige Entfernung einhalten. Über Distanzreiten s. d.