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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Englische Verfassung

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Englische Verfassung

der Decke herabwallende hellblaue Gardine deutete an, das; es Tag, eine dunklere, daß es Nacht sei. Ein Tisch mit einem Schreibzeug machte aus der Bühne ein Geschäftszimmer, mehrere Stühle an Stelle des Tisches bedeuteten eine Schenkstube, ein vorgeschobenes Bett ein Schlafzimmer. Mitten im Hintergrunde der Bühne befand sich eine Art Balkon oder Altan, wo diejenigen Zwischenhandlungen spielten, die als auf Mauern oder Türmen, in obern Zimmerräumen u. dgl. vor sich gehend gedacht werden sollten. Eigentliche Coulissen wurden erst von Davenant 1662 eingeführt. Die Frauenrollen wurden durch Knaben gegeben. Die Vorstellungen in den öffentlichen Theatern nahmen gewöhnlich um 3 Uhr nachmittags ihren Anfang, der durch drei Trompetenstöße angekündigt wurde. Der Vorhang wurde nicht aufgerollt, sondern nach beiden Seiten zurückgeschoben. Ein Schauspieler in schwarzem Mantel und mit einem Lorbeerkranz auf dem Haupte sprach den Prolog; Tänze füllten die Zwischenakte aus. Nach Beendigung des Stücks führte der Clown die coupletartige Gigue (s. d.) auf. Den Beschluß jeder Vorstellung machte ein allgemeines Gebet für die Königin. Bis zur Thronbesteigung Karls Ⅱ. lag das Theaterwesen brach. 1636 war die Pest ausgebrochen, ihr folgte der Bürgerkrieg. Unterm 2. Sept. 1642 gebot das «Lange Parlament», daß für die Dauer dieser trübsalvollen Zeit alles Bühnenspiel im ganzen Königreiche aufhören solle, ein Befehl, der bei der Vorliebe des Volks für die Bühne unterm 22. Okt. 1647 und 9. Febr. 1648 noch verschärft werden mußte. Nur eine Art musikalischen Dramas war unter Cromwell gestattet; dennoch wußten Schauspieler wie Davenant die strengen Verordnungen durch die sog. Moral representations zu umgehen. Eine der ersten Regierungshandlungen Karls Ⅱ. war die Ausstellung von Patenten für zwei Schauspielergesellschaften, das eine für Davenant, der zum erstenmal Schauspielerinnen auf der engl. Bühne zuließ, das andere für Henry Killigrew, und deren Erben. Weil Killigrew sich im königl. Theater Drury-Lane ansiedelte, hießen seine Schauspieler «The King’s servants», und da Davenant das unter dem Schutze des Herzogs von York stehende Theater in Lincolns-Inn-Fields bezog, hieß seine Gesellschaft «The Duke’s company». (Drury-Lane hat seinen Namen, seinen Freibrief und den Ruf einer Nationalbühne bis auf die Gegenwart behauptet, Lincolns-Inn-Fields sein Patent und seinen Ruf an Covent-Garden abgegeben.)

Unter den Frauen (die nach der Restauration der Stuarts zuerst auf den Bühnen erschienen) gehören einige zu Englands besten Künstlerinnen, so die Betterton, Barry, Leigh, Butler, Montford und Bracegirdle. Bis 1708, wo Owen Swiney von den Dichtern Congreve und Vanbrugh die Direktion des Drury-Lane- und des Haymarket-Theaters übernahm, hatten die Schauspieler keine festen Gehalte; der Ertrag der Vorstellungen wurde nach Abzug der Kosten in 20 Teile geteilt, von welchen 10 dem Direktor, die andern 10 der Gesellschaft zufielen. Eine neue Ära trat für die Schauspielkunst mit Garrick ein, der ihr die öffentliche Meinung, Ernst und Würde gewann. Sein Nachfolger war John Kemble, der Darsteller und Reiniger Shakespearescher Dramen, dessen Schwester, Mrs. Siddons, als die erste tragische Schauspielerin Englands glänzte. Ihnen zur Seite standen Charles Kemble, Cooke, die Komiker Lewis, Munden und Emery, Miß Farren (nachher Gräfin Derby) und Mrs. Jordan. Weniger vollendet als John Kemble, aber leidenschaftlicher, effektvoller war dann der geniale Edmund Kean. Wie er zu Kemble, verhielt sich Miß O’Neil zu der Siddons, während in Liston und Matthews die Komik die äußersten Grenzen des Burlesken erreichte. Der letzte dieser glänzenden Reihe ist Macready, ein hochgebildeter Künstler. Von seinen Nachfolgern verdienen höchstens der jüngere Kean, die Komiker Robson, Keeley und Toole und als jüngste Shakespeare-Darsteller Fechter und Irving Erwähnung. Unter den Schauspielerinnen ragen vor allen andern Mrs. Bancroft, Miß Neilson, Mrs. Rousby und Ellen Terry hervor. In der Ausübung ihrer Kunst sind die Schauspieler manchen Beschränkungen unterworfen: kein neues Stück darf nämlich ohne die Billigung des Examiner of plays gegeben werden; auch ist zur Eröffnung eines neuen Theaters die Erlaubnis des Lord-Kammerherrn nötig, der auch den schon vorhandenen die Konzession entziehen kann. – Vgl. A new theatrical dictionary (Lond. 1792); Baker, Reed und Jones, Biographia dramatica (neue Ausg., 3 Bde., ebd. 1812); Collier, History of English dramatic poetry to the time of Shakspeare and Annals of the stage to the Restoration (3 Bde., ebd. 1831); Doran, Their Majesties’ servants (2 Bde., ebd. 1863); ders., Annals of the English stage from Betterton to Kean (3 Bde., ebd. 1887); Ward, A history of English dramatic literature (2 Bde., ebd. 1875), ein Werk, das namentlich auch wegen sorgfältiger Benutzung deutscher Forschungen anzuerkennen ist; Klein, Geschichte des Dramas, Bd. 12 u. 13: Geschichte des engl. Dramas (Lpz. 1876); Fitzgerald, A new history of the English stage from Restoration to the liberty of the theatres (2 Bde., Lond. 1882); Dyer, Great men at play (2 Bde., ebd. 1889); Hamilton, The drama in England during the last three centuries (ebd. 1891), treffliche Theater- und Bühnengeschichte; Ulrici, Shakespeares dramat. Kunst (3. Aufl., Tl. 1, Lpz. 1868); Gaedertz, Zur Kenntnis der altengl. Bühne (Brem. 1888); Baker, The London stage (2 Bde., Lond. 1889); Mathews, Actors and actresses of Great Britain (5 Bde., Neuyork 1886).

Englische Verfassung. Die heutige E. V. (s. Großbritannien und Irland) ist nicht auf eine Urkunde zurückzuführen, sondern nur aus ihrer geschichtlichen Entwicklung zu verstehen. Ihre Geschichte hebt an mit der Einwanderung der Angeln, Sachsen und Jüten, die in der Mitte des 5. Jahrh. begann und am Ende des 6. Jahrh. vollendet war. Aus den einzelnen Niederlassungen bildeten sich Königreiche, die sich um 830 zu einem Gesamtkönigreiche vereinigten. (S. Angelsachsen.) Die Verfassung des Gesamtstaates entspricht seiner Zusammensetzung aus einzelnen Teilen. Die Gemeinde (Township), der Gau (Hundred) und die Grafschaft (Shire) sind einander übergeordnete Einheiten für die Verwaltung, das Gerichtswesen und das Heerwesen. Die Grafschaft ist vielfach identisch mit einem frühern kleinen Königreich, ihr vom Könige unter Mitwirkung der weisen Männer (Witan, s. Witena-gemot) erwähltes Haupt (Ealdorman, s. Alderman) häufig ein Mitglied des frühern Königstammes. Die Grafschaftsversammlung, in der Recht gesprochen wird und Grafschaftsangelegenheiten beraten werden, ist die frühere Landes-Volksversammlung (folkmot). Eine entsprechende Volks-^[folgende Seite]