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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Familienbrüder - Familienschluß.

dazu gehörigen Sklaven. Sehr oft bezeichnet auch Familia im ältern römischen Rechte den Komplex der Agnaten im Gegensatz zu den Kognaten und Affinen oder Verschwägerten. Personen nämlich, welche überhaupt miteinander verwandt waren, hießen Cognati, diejenigen aber, welche durch eine und dieselbe väterliche Gewalt miteinander verbunden waren, Agnati. Letztere bildeten die altrömische Familia, die Grundlage des zivilen Erbrechts, indem sie allein als die legitime Verwandtschaft aufgefaßt wurde, bis dann im neuern Rechte die Kognation an die Stelle der Agnation trat. Im mittelalterlichen Lehns- und Feudalwesen verstand man unter Familia nicht selten die Gesamtheit der einem Gutsherrn unterstellten Hörigen oder die Gesamtheit der Dienstmannen. Heutzutage versteht man unter F. auch wohl nur die Deszendenz eines Familienvaters. Vgl. Riehl, Die F. (9. Aufl., Stuttg. 1882); Weinhold, Wesen und Form der altdeutschen F. (in der "Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte", Hannov. 1875, I.); Giraud-Teulon, Les origines du mariage et de la famille (2. Aufl., Par. 1885); Bachofen, Antiquarische Briefe, vornehmlich zur Kenntnis der ältesten Verwandtschaftsverhältnisse (Straßb. 1881); Lippert, Geschichte der F. (Stuttg. 1884).

In der Zoologie und Botanik versteht man unter Familie gewisse Abteilungen des Systems, nämlich den Inbegriff aller derjenigen Pflanzen und Tiere, welche in gewissen wesentlichen Charakteren übereinkommen und sich als durch natürliche Verwandtschaft (gemeinsame Abstammung) zusammengehaltene Gruppen von Gattungen darstellen, die man deshalb in der Botanik auch natürliche Familien nennt, wie z. B. die grasartigen Gewächse oder Gramineae, die Schmetterlingsblütler oder Papilionaceae, die Doldengewächse oder Umbelliferae etc. Obige Bezeichnung wurde schon von Adanson in seinen "Familles naturelles des plantes" (1759) in diesem Sinn angewendet, während Linné, in dessen künstlichem System die natürlichen Familien überhaupt nicht zur Geltung kommen, nur in Klassen und Ordnungen einteilte. Übrigens werden in den verschiedenen natürlichen Systemen diese Abteilungen bald Familien, bald auch Ordnungen (ordines naturales) genannt. In den zoologischen Systemen schwankt der Begriff vollends. Man spricht da z. B. von der F. der Katzen, der Raubtiere, der Säugetiere, ja wohl gar der Wirbeltiere überhaupt. In einem erweiterten und übertragenen Sinn redet man auch wohl in der Mineralogie von Gesteinsfamilien, z. B. von der Quarzfamilie, wobei nur die gleichartige Zusammensetzung in Betracht kommt.

Familienbrüder, Zweig der Franziskaner (s. d.).

Familienfideikommiß, s. Fideikommiß.

Familienmünzen, s. Konsularmünzen.

Familienorden (Chulah Chaum Kl'ow), siames. Orden, gestiftet vom Kaiser Chulah Longkorn Kl'ow bei seiner Thronbesteigung 16. Nov. 1873 zur Auszeichnung der Mitglieder von Familien, welche Stützen des Throns gewesen. Der Orden hat drei Klassen und wird nur an Inländer verliehen.

Familienpakt (Familienstatut, Familienvertrag), Vertrag, welchen die Glieder einer Familie unter sich abschließen, um dadurch über ihre gemeinsamen Angelegenheiten, wie über das unbewegliche Familienvermögen und dessen Unveräußerlichkeit, Benutzung und Vererbung, über Vormundschaft, über Heiraten, über die Aufstellung eines Familienhaupts oder Seniors u. dgl., feste Bestimmungen zu treffen. Das Recht zur Errichtung von Familienverträgen, welche auch die künftigen Familienglieder binden sollen, setzt das Recht der Autonomie (s. d.) voraus, d. h. die gewissen Personen zukommende Befugnis, für die ihrer Wirksamkeit unterworfenen Verhältnisse Bestimmungen mit der Kraft von Rechtssätzen zu erteilen, welche auch für Dritte verbindlich sind. Dies steht heutzutage nur dem hohen Adel und der ehemals reichsunmittelbaren Ritterschaft zu (s. Hausgesetze). Vgl. Familienschluß.

Familienrat (Conseil de famille), die Versammlung der Mitglieder einer Familie zum Zweck der Beratung über Familienangelegenheiten; ein in seinen Anfängen schon den alten Römern und Germanen bekanntes, aber in seiner vollständigen Organisation dem neuern französischen Familienrecht eigentümliches, das Vormundschaftswesen betreffendes Institut. Der F., welcher die Interessen des Schützlings wahren soll, bildet keine ständige Behörde, sondern wird für die einzelnen wichtigen vormundschaftlichen Angelegenheiten besonders zusammengesetzt und vom Friedensrichter des Wohnorts des zu Bevormundenden berufen. Die ausführlichen Vorschriften hierüber sind im Code civil (§ 405 ff.) enthalten. Die preußische Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 (§ 70 ff.) hat das Institut fakultativ, d. h. für den Fall adoptiert, daß Vater oder Mutter es so anordnen, oder daß drei Verwandte oder Verschwägerte des Pupillen oder Vormund und Gegenvormund des letztern es fordern. Die Zahl der Mitglieder des preußischen Familienrats ist höchsten sechs. Im deutschen Fürstenrecht ist der F. von dem Familienhaupt namentlich dann zu berufen, wenn eine strafbare Handlung eines Mitglieds des fürstlichen Hauses vorliegt, über die nach den meisten Hausgesetzen das Oberhaupt der Familie zu entscheiden hat. Vgl. Schulze, Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser (Jena 1862-83, 3 Bde.); Schenk, Der F. (Wien 1863); Derselbe, Die Magistratur im französischen Vormundschaftsrecht (das. 1864).

Familienrecht, Inbegriff der auf die Familie (s. d.) und die rechtliche Stellung der Familienglieder als solcher bezüglichen Rechtsnormen.

Familienschluß, ein der preußischen Rechtssprache eigentümlicher Ausdruck für einen unter Zustimmung und Genehmigung des zuständigen Gerichts in Ansehung eines Familienfideikommisses, einer Familienstiftung oder eines Lehens von seiten der zur betreffenden Familie gehörigen Mitglieder gefaßten Beschluß über Abänderung der Stiftungsurkunden oder gänzliche oder teilweise Aufhebung der Stiftung selbst. An und für sich und nach gemeinem Recht sind nämlich die ursprünglichen Bestimmungen über eine solche Stiftung, welche zur Erhaltung des Familienglanzes dienen soll, für alle Zeiten und für alle nachgebornen Familienglieder bindend. Um jedoch derartige Einrichtungen mit den wechselnden Zeitverhältnissen in den nötigen Einklang bringen zu können, ist eine Abänderung der Statuten im Weg eines Familienschlusses, der aber der Zustimmung des Gerichts, nach manchen Gesetzgebungen auch der des Landesherrn bedarf, partikularrechtlich gestattet; so z. B. in Österreich, im Königreich Sachsen, in Braunschweig, Baden und im Großherzogtum Hessen. In Preußen ist für derartige Fälle ein besonderes Verfahren zur Ermittelung der sämtlichen stimmberechtigten Interessenten und für die dabei anzustellenden Erörterungen vorgeschrieben. Vgl. Preußisches Landrecht, Teil II, Tit. 4, Abschn. 1 und 3, und preußisches Gesetz vom 15. Febr. 1840; ferner: Lewis, Recht des Familienfideikommisses (Berl. 1868). F. wird auch in dem