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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Folie; Folies-Dramatiques, les; Foligno; Folio; Folium; Folkestone; Folkething; Folkevise; Folklore; Folkunger

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Folie - Folkunger.

Folie (franz., spr. follih), Thorheit, Narrheit. F. raisonnante ("Wahnsinn mit Überlegung") nennt man in der Psychiatrie diejenigen krankhaften Seelenzustände, bei denen der Irre scheinbar richtige logische Gedanken entwickelt, aber trotzdem die widersinnigsten Handlungen begeht. Dieser Widerspruch findet seine Erklärung entweder darin, daß eine krankhafte Vorstellung sofort ohne bewußte Überlegung zur That übergeht, wie bei Tobsüchtigen, oder daß die That durch eine Zwangsvorstellung, welcher der Kranke nicht widerstehen kann, ausgelöst wird. Der Laie ist dann geneigt, die Handlungen für überlegt zu halten, da ihm die Erfahrung nicht geläufig ist, daß der logische Mechanismus des Urteilens und Schließens so lange erhalten bleiben kann, bis wirklicher Zerfall der psychischen Leistungen, d. h. Geistesschwäche und Blödsinn, sich entwickelt. -

F. circulaire, regelmäßiger Wechsel zwischen Manie und Melancholie.

Folies-Dramatiques, les (spr. läh follih-dramatihk), Pariser Theater, gegründet 1831, auf dem seit 1867 hauptsächlich die Operette gepflegt wird.

Foligno (spr. -linnjo, Fuligno), Kreishauptstadt in der ital. Provinz Perugia, am Topino, in der fruchtbaren umbrischen Ebene, wo sich die Eisenbahnen von Florenz und Ancona sowie mehrere Straßen nach Rom vereinigen, von modernem Aussehen, hat eine schöne Kathedrale, mehrere andre Kirchen und ehemalige Klöster (für die Kirche Sant' Anna malte Raffael einst die jetzt im Vatikan befindliche Madonna di F.), ein elegantes Theater, großes Hospital und (1881) 8753 Einw., welche Gerberei, Papier- und Konfitürenfabrikation, Wachsbleicherei, Wein-, Öl- und Seidenkultur sowie lebhaften Handel treiben. F. ist Sitz eines Bischofs, eines Handelsgerichts und einer Handelskammer und hat ein Gymnasium, eine technische Schule und ein Seminar. Es ist Geburtsort des Malers Niccolò Alunno (blühte um 1458). -

Im Altertum hieß die Stadt Fulginia und gehörte zu Umbrien. Die schönen Triften der Umgegend nährten in der alten Zeit die gepriesenen weißen Opferrinder. Die Perugianer zerstörten den Ort 1281. Kaum wieder aufgebaut, kam F. unter die Herrschaft der Familie Trinci, bis derselben der Kardinal Vitelleschi 1439 ein Ende machte und F. dem Papst unterwarf. Am 23. Jan. 1833 litt die Stadt arg durch ein Erdbeben.

Folio (ital., lat. Folium, "Blatt"), Buchformat, bei welchem der Bogen nur in zwei Blätter gebrochen ist, so daß er vier Druckseiten enthält; in den ersten Jahrzehnten nach Erfindung der Buchdruckerkunst das gebräuchlichste Format. In der kaufmännischen Sprache ist F. s. v. w. Blattseite, speziell die numerierte einfache (meist auch Pagina genannte) oder Doppelseite eines Geschäftsbuches; daher foliieren oder paginieren, die Seiten eines Handelsbuches mit fortlaufenden Ziffern bezeichnen. Ein F. in einer Bank haben heißt in derselben Geld und in ihrem Hauptbuch eine Rechnung darüber haben. Das Bankfolio gibt dann die Blätter des Hauptbuches der Bank an, auf welchen jene Rechnung steht.

Folium (lat., Mehrzahl Folia), Blatt, besonders ein Blatt in einem Buch; daher folio meo (bei Angabe der Blattzahl), nach meinem Blatte, d. h. nach der von mir gebrauchten Ausgabe; folio recto, auf der ersten Blattseite, im Gegensatz zu folio verso, auf der zweiten (umgewendeten) Blattseite.

Folkestone (spr. fohkstön), Stadt in der engl. Grafschaft Kent, an der Straße von Dover (Pas de Calais) in einem engen Thal, über das ein großartiger Eisenbahnviadukt führt, hat enge und steile Straßen, 14 Kirchen, ein wissenschaftliches Institut (nach Harvey, der hier geboren wurde, genannt), Seebäder, einen hübschen Kursaal (seit 1869) und (1881) 18,717 Einw. Die Stadt verdankt ihren Aufschwung dem sichern Hafen, der 1845 von der Eisenbahngesellschaft gebaut wurde, und besitzt 13 Schiffe von 1892 Ton. Gehalt und 221 Fischerboote. Im J. 1884 liefen 1160 Schiffe mit einem Gehalt von 252,153 Ton. ein (täglich kommt ein Dampfer von Boulogne an). Die Einfuhr vom Ausland belief sich 1884 auf 9,091,714 Pfd. Sterl., die Ausfuhr auf 3,697,390 Pfd. Sterl., worunter für 1,562,188 Pfd. Sterl. britische Produkte. Eingeführt werden vornehmlich Galanterie-, wollene und seidene Waren und Wein.

Folkething (dän.), Volks-Thing, das dänische Abgeordnetenhaus, die Zweite Kammer.

Folkevise (dän., schwed. Folkvisa), Volkslied.

Folklore (engl.), die in England übliche und von dort neuerdings auch in andre Sprachen übergegangene Bezeichnung für die im Volksmund kursierenden Sagen, Märchen, Sprichwörter, Legenden u. dgl., die seit neuerer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden sind. Die eigentliche Heimat dieser Studien ist Deutschland, wo J. Grimm mit seiner "Deutschen Mythologie", seinen "Hausmärchen" und "Rechtsaltertümern" auf den Schatz uralter Vorstellungen und religiöser Mythen aufmerksam machte, der oft in dem unscheinbarsten Märchen oder Aberglauben des Volkes sich bis auf die Gegenwart erhalten hat. So ist z. B. der "wilde Jäger" der Volkssage niemand andres als Odin, und der Bogenschütze Tell, der Odysseus der griechischen, der Indra der indischen Sage gehören, wie sich herausgestellt hat, in die Kategorie der Sonnengötter. In Deutschland sind die Grimmschen Forschungen von A. Kuhn, Mannhardt, Schwartz u. a. fortgesetzt worden, und das vergleichende Studium der Sagen und Märchen der indogermanischen Völker hat ergeben, daß nicht wenige derselben bereits in die indogermanische Urzeit zurückreichen. In England haben diese Studien in den letzten Jahren ebenfalls rege Beteiligung gefunden und zur Gründung einer Folk-lore Society geführt, die seit mehreren Jahren wertvolle Publikationen veranstaltet. Daneben besteht in der Kapstadt seit 1879 eine South African Folk-lore Society, die schon mehrere Bände interessanter Märchen und Fabeln der Kaffern und Hottentoten veröffentlichte, und in Indien hat eine englische Dame, Miß Stokes, eine Reihe indischer Märchen aus dem Mund indischer Ajahs (Kinderwärterinnen) gesammelt und übersetzt. Auch in Frankreich sind in neuester Zeit Publikationen aus diesem Gebiet zu verzeichnen, und die Pariser Folkloristen, d. h. die Pfleger und Freunde der Folklorestudien, versammeln sich alljährlich zu einem Dîner de la mère l'Oye. In Spanien gibt die Gesellschaft des F. andaluz in Sevilla eine eigne Zeitschrift heraus; nicht minder erscheint in Italien (Palermo) seit kurzem ein "Archivio per lo studio delle tradizioni popolari" unter der Redaktion von G. Pitré und S. Salvatore-Marino. In diesem Zusammenhang verdienen endlich auch die syrischen Märchen Erwähnung, die zwei deutsche Gelehrte, Prym und Socin, in Damaskus aus dem Volksmund gesammelt und mit deutscher Übersetzung herausgegeben haben.

Folkunger, Herrschergeschlecht in Schweden, dessen Ahnen bis in die heidnische Zeit reichten, das von früh an mächtig war und mit Waldemar 1251 den schwedischen Thron bestieg; es erlosch mit Magnus Erichson 1374.