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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gentlemanlike; Gentry; Gentz

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Gentlemanlike - Gentz.

berechtigt sind, in der guten Gesellschaft zu verkehren. In diesem Sinn wird die Mehrheit "gentlemen" häufig gebraucht als Anrede: "Meine Herren", wie z. B. in der bekannten Anrede an beide Häuser des Parlaments: "My Lords and gentlemen", als Bezeichnung für die Mitglieder des Unterhauses im Gegensatz zu den mit My Lords angeredeten Mitgliedern des Oberhauses. G. hat aber auch, abgesehen von der Standesbezeichnung, noch eine doppelte Bedeutung: einmal wird als G. bezeichnet der Ehrenmann, welcher durchdrungen ist von anständiger, den Gesetzen der Ehre entsprechender Gesinnung und stets dem entsprechend handelt; das andre Mal der Mann von Lebensart und gutem Ton, welcher, der Formen der guten Gesellschaft mächtig, sich stets anständig zu benehmen weiß. Endlich wird das Wort vielfach mit andern verbunden und erlangt dadurch wieder einen besondern Sinn, z. B. gentlemen-at-arms, eine aus Offizieren gebildete königliche Leibgarde, wie die Arcierenleibgarde in Wien; gentlemen-commoners, diejenigen Studenten, welche auf der Universität auf eigne Kosten studieren, im Gegensatz zu den Stipendiaten, also auch meist die Studenten vornehmern Standes. G. of the king's bedchamber, Kammerjunker oder richtiger Kämmerer; G. Usher, Zeremonienmeister. Der Teufel wird scherzweise als old G. bezeichnet, ein Lakai als gentleman's gentleman, ein Straßenräuber als G. of the road. G. rider heißt in der Sportsprache derjenige Reiter, welcher berechtigt ist, sich an den sogen. Herrenreiten zu beteiligen, bei denen die Mitwirkung der Jockeys ausgeschlossen ist.

Gentlemanlike (spr. dsch.-leik), den Sitten und Anforderungen eines Gentleman entsprechend, anständig.

Gentry (engl., spr. dschenntri) bezeichnet in England diejenigen von Stand und Geburt, die nicht zum Adel (s. Nobility) gehören, wie namentlich die Großgrundbesitzer aus alten Familien (den sogen. County families). Das Haupt einer solchen Familie wird durch den Titel Squire (in Schottland Laird) ausgezeichnet. Im weitern Sinn werden Gelehrte, Juristen, Geistliche, Offiziere etc., kurz alle Honoratioren, zur G. gerechnet. Politische Vorrechte genießt dieser Stand nicht (s. Gentleman und Commoner).

Gentz, 1) Friedrich von, einer der bedeutendsten Publizisten Deutschlands, geb. 2. Mai 1764 zu Breslau, studierte in Königsberg Rechtswissenschaften und insbesondere Kantsche Philosophie und trat 1786 als Sekretär beim Generaldirektorium in den preußischen Staatsdienst, machte sich bald auch als Schriftsteller bekannt und ward später zum Kriegsrat ernannt. Als Student hatte er für Rousseau und Kant geschwärmt, und die französische Revolution begrüßte er anfangs mit Begeisterung; aber bald berührten ihre Ausschreitungen seine wesentlich aristokratisch angelegte und genußsüchtige Natur aufs empfindlichste. Er las die Schriften, welche die Prinzipien der Revolution bekämpften, mit größtem Eifer und gab die bedeutendsten in deutscher Übersetzung mit Exkursen heraus, nämlich: E. Burkes "Betrachtungen über die französische Revolution" (Braunschw. 1793), Mallet du Pans Schrift "Über das Charakteristische und die lange Dauer der französischen Revolution" (Berl. 1794) und Mouniers "Entwickelung der Ursachen, welche Frankreich gehindert, zur Freiheit zu gelangen" (das. 1794-95, 4 Bde.). Diese Schriften machten damals großes Aufsehen und brachten G., da er sich zugleich als eifrigen Verehrer der englischen Verfassung bekannte, in Verbindung mit den hervorragendsten englischen Staatsmännern, die er 1802 auf einer Reise nach England noch enger knüpfte. Der reiche pekuniäre Gewinn, welcher ihm dadurch zu teil wurde, mußte ihm um so willkommener sein, als sein ungeregeltes, verschwenderisches Leben immer größere Summen verschlang. In der "Neuen deutschen Monatsschrift" (1795-98) und im "Historischen Journal" (1799-1800) schuf er sich die Organe zur Kundgebung seiner politischen Anschauungen, welche in dem letztgenannten Blatt bereits in einem kampfesmutig herausfordernden Ton Frankreich und Bonaparte gegenüber sich ausließen. Die Thronbesteigung des Königs Friedrich Wilhelm III. begrüßte G. mit einem "Sendschreiben", worin er vom freiesten Standpunkt aus dem Monarchen die zu befolgenden Grundsätze darlegte und namentlich Vermeidung neuer Auflagen, Gewerbefreiheit und ein größeres Maß von Preßfreiheit verlangte. Dem König selbst empfahl sich indessen G. durch dieses Schreiben wenig. Da ihm deshalb eine glänzende Laufbahn im preußischen Staatsdienst verschlossen schien und seine finanziellen Verhältnisse immer prekärer wurden, so folgte er der von seiten des Wiener Kabinetts an ihn ergangenen Einladung und trat 1802 als kaiserlicher Rat in den österreichischen Staatsdienst, der ihn in nahe Beziehungen zu dem damaligen Hof- und Staatskanzler L. Cobenzl brachte. Hiermit beginnt die Periode seiner publizistischen Thätigkeit, welche für die deutschen Nationalkämpfe gegen Napoleons Übermacht von hoher Wichtigkeit ist. Alle seine Schriften und Manifeste sind von leidenschaftlichem Haß gegen Napoleon erfüllt. Vor dem Ausbruch der Kriege von 1805 und 1809 war er aufs eifrigste bemüht, eine Koalition zwischen Österreich und Preußen zu stande zu bringen. Die neuen entscheidenden Siege Napoleons brachten ihn in Verzweiflung, die sich in Kraftausdrücken Luft machte, welche die Glätte seines mustergültigen Stils wie mit vulkanischer Kraft durchbrachen. In diesem Geist sind namentlich die "Fragmente aus der Geschichte des politischen Gleichgewichts von Europa" (Leipz. 1804, 2. Aufl. 1806) abgefaßt. Als sich die Franzosen 1805 Wien näherten, begab sich G. nach Dresden, dann in das preußische Hauptquartier, wo er das bekannte Manifest gegen Frankreich entwarf. 1806 kehrte er nach Wien zurück, wo er wieder in die Staatskanzlei eintrat und namentlich zu politisch-diplomatischen Arbeiten gebraucht wurde. So verfaßte er 1809 und 1813 die Manifeste Österreichs gegen Frankreich. Auch in finanziellen Fragen wurde er zu Rate gezogen und schrieb darüber zur Verteidigung der Regierung Zeitungsartikel.

Schon 1810, nach dem Sturz Stadions, trat eine entscheidende Umwandlung in ihm ein. Er wurde, wie er selbst schreibt, "Verfechter der Restaurationstendenzen", Gehilfe und allmählich Werkzeug der Metternichschen Kabinettspolitik und aus einem Gegner des Welteroberers Napoleon ein Feind der Revolution, d. h. des Liberalismus, überhaupt jeder freiern politischen und geistigen Regung. Schon 1813 denunzierte er die patriotische Erhebung Preußens als Rückkehr zur Revolution, und der Sturz Bonapartes bedeutete für ihn nur den Übergang in den Zustand der Ruhe und des Genusses. Er führte auf dem Wiener Kongreß, bei den Ministerkonferenzen zu Paris 1813 sowie auf den nachfolgenden Kongressen, zuletzt zu Verona, als Generalsekretär das Protokoll der Verhandlungen und gab seine Feder dazu her, die Freiheitsbestrebungen der Völker zu bekämpfen und den strengsten Absolutismus zu verfechten. Vor jeder Regung in Deutschland und Europa erschrak der durch epikureische Genußsucht und feigen Egoismus erschlaffte Mann, als ob sie das künstliche Gebäude