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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gerichtstafel - Geringswalde.

der Ergreifung (in Österreich "der Betretung"), das Gericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen oder angetroffen werden kann (Forum deprehensionis, le juge du lieu où le prévenu pourra ètre trouvé). Abweichend von dem frühern gemeinen und von dem österreichischen Recht, welches auch diesen G. wahlweise mit den beiden vorgenannten zuläßt, ist nach der deutschen Strafprozeßordnung dieser G. nur dann maßgebend, wenn weder ein G. der That noch des Wohnsitzes ermittelt ist, oder wenn es sich um ein im Ausland verübtes Verbrechen handelt, bei dem weder ein G. der That noch des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsorts im Inland begründet ist. 4) Der G. des Zusammenhanges (Forum connexitatis), wenn z. B. mehrere Strafansprüche gegen dieselbe Person vorliegen. Bei wechselseitigen Beleidigungen und Körperverletzungen kann der Beschuldigte bei demjenigen Gericht, bei welchem die Privatklage gegen ihn erhoben ist, eine Widerklage gegen den Ankläger anstrengen. Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 12 ff.; Strafprozeßordnung, § 7 ff.; Gerichtsverfassungsgesetz, § 16 ff.

Gerichtstafel, diejenige Tafel, welche in den Gerichtslokalitäten zum Anheften gerichtlicher Verfügungen und Bekanntmachungen bestimmt ist, um solche zur Kenntnis des Publikums zu bringen, z. B. Subhastationen, Konkurseröffnungen, Aufgebote u. dgl. Derartige Bekanntmachungen erfolgen allerdings in der Regel auch gleichzeitig in öffentlichen Blättern, doch ist in manchen Fällen, z. B. bei der öffentlichen Ladung (s. d.), der Anschlag an die G. zur Legalität des Verfahrens erforderlich. Dasselbe gilt bei dem Aufgebot (s. d.).

Gerichtstag, Tag, an welchem vor einem Gericht, sei es überhaupt oder sei es in einem bestimmten Rechtsverfahren, Verhandlungen stattfinden, im letztern Fall gleichbedeutend mit Termin. In der frühern Zeit, als es ständige Gerichte noch nicht gab, fanden nur an zum voraus bestimmten, durch längere Zwischenräume getrennten Tagen gerichtliche Verhandlungen statt.

Gerichtsverfassung, der Inbegriff der Grundsätze, welche sich auf die Art der Gerichte, deren Unter- und Überordnung (Instanzenzug), Zuständigkeit und Besetzung sowie auf die Rechte und Pflichten der dabei mitwirkenden Personen (einschließlich der Staatsanwaltschaft) beziehen. Für das Deutsche Reich ist eine einheitliche G. durch das 27. Jan. 1877 publizierte Gerichtsverfassungsgesetz und die sonstigen Justizgesetze herbeigeführt worden (s. Gerichtsordnung).

Gerichtsverwalter, s. v. w. Gerichtshalter.

Gerichtsvollzieher (franz. Huissier), der mit der Ausführung von Ladungen, Zustellungen und gewissen Vollstreckungen bei den Gerichten betraute Beamte. Im Gegensatz zu den niedern Organen der Gerichte, den Gerichtsdienern, hat der G. eine selbständigere Stellung. Er handelt unter eigner amtlicher Verantwortlichkeit innerhalb des ihm überwiesenen Geschäftskreises. Die deutsche Zivilprozeßordnung hat nämlich nach dem Vorgang der französischen Gesetzgebung, welcher sich zuvor auch schon die bayrische angeschlossen hatte, die Zwangsvollstreckung (s. d.) in bewegliche körperliche Sachen wegen Geldforderungen, die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und andern begebbaren Papieren, die zwangsweise Inbesitznahme von beweglichen und unbeweglichen Sachen, die Vollziehung der Haft, der Arreste und der einstweiligen Verfügungen, soweit solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zulässig, dem G. übertragen. Außerdem hat der G. in Zivilprozeßsachen ebenso wie in Strafsachen die Zustellungen und Ladungen zu besorgen. Endlich fungiert der G. als Vollstreckungsorgan im Strafprozeß, insoweit es sich um die zwangsweise Beitreibung einer Vermögensstrafe oder einer Buße handelt. Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der G. sind in dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877 im einzelnen nicht geregelt. Es ist dies Sache der Landesjustizverwaltungen. Nur die Fälle bestimmt das Gerichtsverfassungsgesetz, in denen der G. von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen sein soll. Dies ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten dann der Fall, wenn er selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei ist oder zu einer solchen im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Schadenersatzpflichtigen steht; ferner, wenn seine Ehefrau Partei ist; endlich, wenn eine Person Partei ist, mit welcher er in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht. In Strafsachen ist ein G. dann unfähig, wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt, wenn er der Ehemann der Beschuldigten oder Verletzten ist oder gewesen ist, oder wenn er mit dem Beschuldigten oder Verletzten in dem oben bezeichneten Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis steht. Die Gebühren der G. sind durch Reichsgesetz vom 24. Juni 1878 normiert und durch ein Nachtragsgesetz vom 29. Juni 1881 etwas ermäßigt. Vgl. Gerichtsverfassungsgesetz, § 155 ff.; Deutsche Zivilprozeßordnung, § 674 ff.; Strafprozeßordnung, § 219, 426, 495; Gebührenordnung für die G. vom 24. Juni 1878 mit den Änderungen vom 29. Juni 1881 (Trier 1885); Preußische Geschäftsanweisung und Geschäftsordnung für G. vom 24. Juli 1879, bez. 23. Febr. 1885 (das. 1885); "Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung" (Hanau 1881 ff.); "Handbuch für Gerichtsschreiber und G." (2. Aufl., Trier 1883); Walter, Der preußische G. (Berl. 1885); Derselbe, Formularbuch für preußische G. (das. 1886).

Geridon, s. Guéridon.

Gerieren (lat.), sich benehmen, für etwas ausgeben.

Gering, in der Jägersprache s. v. w. klein, schwach oder mager. Geringe Hirsche tragen schwache Geweihe von 6-8 Enden. Der Gegensatz von g. ist stark.

Gering, Ulrich, einer der drei ersten von den Professoren der Sorbonne 1469 nach Paris berufenen Buchdrucker, als dessen Heimat die Gegend von Beromünster in der Schweiz (nach andern Konstanz am Bodensee) angegeben wird. Er soll erster Mitarbeiter des Chorherrn Helye von Lauffen, des angeblichen Einführers der Buchdruckerkunst in der Schweiz, gewesen sein. Da er nach Wegzug seiner Kollegen Crantz und Friburger allein in Paris verblieb, so wurde er zum ersten französischen und Pariser Buchdrucker ernannt. Ludwig XI. naturalisierte ihn; er starb 23. Aug. 1510. Seine von J. ^[Joseph] Daumas gefertigte Büste wurde in Anerkennung seiner Verdienste in der Vorhalle der Bibliothek Ste.-Geneviève zu Paris aufgestellt und 9. März 1873 enthüllt. S. Buchdruckerkunst, S. 555.

Geringswalde, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig, Amtshauptmannschaft Rochlitz, 270 m ü. M., hat eine evang. Pfarrkirche, eine große Strumpfwarenfabrik, Weberei, Stuhlbauerei, Zigarrenfabrikation und (1885) 2753 evang. Einwohner. Dabei Kloster-G. mit ehemaligem Benediktinerkloster, das 1182 gegründet und 1548 in eine Fürstenschule verwandelt wurde, die 1568 einging.