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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Glycerius - Glykogen.

werden auf Nitroglycerin (Sprengöl, Dynamit, Dualin) verarbeitet; auch dient es zur Darstellung von Ameisensäure (zu Rumäther), Allylalkohol und ätherischem Senföl. Man benutzt es ferner zum Konservieren anatomischer Präparate und der Lymphe für Impfungen, zum Extrahieren des Pepsins, zur Darstellung von Linimenten, Salben, Einspritzungen, zum Feuchterhalten der Pillen- u. Tablettenmasse. Als äußerliches Arzneimittel benutzt man es gegen spröde, aufgesprungene, wunde Haut, Lippen, Brustwarzen, gegen schmerzhafte Hämorrhoidalknoten, bei Vertrocknung des Gehörganges und andern Ohrenkrankheiten. In allen diesen Fällen ist das G. mit etwa einem Viertel seines Gewichts Wasser zu verdünnen, weil es begierig Wasser aufnimmt und dadurch auf zarter Haut, auf den Schleimhäuten, in Wunden (wie Alkohol) ein brennendes Gefühl erzeugt. Auch ist zu medizinischen Zwecken nur destilliertes G. anwendbar, weil das raffinierte oft Oxalsäure und Ameisensäure enthält, die auch nach der Verdünnung auf wunder Haut stark brennen. Destilliertes G. bleibt beim Vermischen mit einem dem seinigen gleichen Volumen reiner konzentrierter Schwefelsäure farblos und zeigt keine Entwickelung von Kohlensäure und Kohlenoxyd (mit welcher man nicht das Entweichen einzelner Luftbläschen aus dem sich erwärmenden Gemisch verwechseln darf). Innerlich benutzt man G. gegen Dysenterie, katarrhalische Beschwerden, Skrofulose und Tuberkulose als Surrogat des Leberthrans. Man kann größere Mengen G. ohne Schaden genießen; es scheint den Fetten ziemlich ähnlich zu wirken, wenigstens, soviel man aus der klinischen Beobachtung folgern kann, diesen ähnlicher als dem Zucker.

Das G. wurde 1779 von Scheele entdeckt und, weil aus Öl stammend, Ölsüß genannt. Chevreul erkannte das von ihm G. genannte Ölsüß als ein beständiges Produkt der Verseifung von Fetten und zog daraus den Schluß, daß die Fette fettsaure Salze mit einer organischen Basis (Glyceryloxyd) seien, welche bei der Verseifung sich als Hydrat, G., abscheide. Die Arbeiten von Pelouze, Berthelot und Redtenbacher ließen dann das G. als dreiatomigen Alkohol erkennen. Praktische Wichtigkeit erlangte es durch die Einführung der Zersetzung der Fette durch Kalk und überhitzten Wasserdampf in die Praxis. 1855 reinigten Wilson und Payne das G. durch Destillation, und Sarg und Crookes entdeckten das Kristallisationsvermögen, welches Sarg zuerst praktisch verwertete. Vgl. Burgemeister, Das G. und seine Anwendung (Berl. 1871); Berghaus, Das G. (das. 1882); Koppe, Das G. (Wien 1882).

Glycerius, Kaiser des weströmischen Reichs, ein Soldat von dunkler Herkunft, ward 473 vom Neffen Ricimers, dem Burgunderfürsten Gundobad, auf den Kaiserthron erhoben. Als der griechische Kaiser Leo den Julius Nepos zum Kaiser des Occidents ernannte, mußte G. 474 auf die Krone verzichten und ward Bischof von Salona in Dalmatien.

Glycerylalkohol, s. Glycerin.

Glycin, s. Glykokoll.

Glycine, Pflanzengattung, s. Apios.

Glycium, s. v. w. Beryllium.

Glycyphagus, s. Milben.

Glycyrrhiza Tourn. (Süßholz), Gattung aus der Familie der Papilionaceen, ausdauernde Kräuter mit gewöhnlich süßer Wurzel, unpaarig gefiederten Blättern, in axillaren Ähren oder Köpfchen stehenden Blüten und zusammengedrückter, länglicher oder eiförmiger, ein- bis viersamiger Hülse. G. glabra L. (gemeines oder spanisches Süßholz, s. Tafel "Arzneipflanzen II"), mit fast 2 m hohen, meist einfachen, klebrig-drüsigen Stengeln, deren mehrere aus einem Stamm entspringen, zerstreut stehenden, fünf- bis achtjochigen, kurz behaarten, drüsig punktierten, bis 21 cm langen Blättern, langgestielten Blütenähren mit weiß- und lilafarbenen Blüten und länglich-linienförmiger Hülse, ist in Südeuropa, von Spanien bis Ungarn und Südrußland, auch in Nordafrika und Persien einheimisch, wird besonders in Spanien und Italien im großen kultiviert, auch in Deutschland, Südfrankreich, Mähren und England, und liefert in dem sehr entwickelten Wurzelsystem das Süßholz (Süßholzwurzel, Lakritzenwurzel, Radix Glycyrrhizae s. Liquiritiae). Das stachelfrüchtige Süßholz (G. echinata L.), welches sich von der vorigen Art durch die stachelspitzigen Blättchen, die fast kugelrunden Blütenköpfchen und die länglich-ovale, zugespitzte, bauchige, igelstachlige, ein- bis zweisamige Hülse unterscheidet und im südöstlichen Europa heimisch ist, liefert keine Wurzeln für den Handel; das russische und wohl auch das chinesische stammt vielmehr von G. glabra var. glandulifera in Ungarn, Galizien, Rußland, Vorderasien, Südsibirien und der Dsungarei; es wird besonders auf den Inseln des Wolgadelta gewonnen. Das spanische Süßholz des Handels kommt aus Spanien, Frankreich, Unteritalien, Sizilien, Ungarn, Mähren, zum Teil auch aus Deutschland und in neuerer Zeit aus Nordamerika in den Handel, bildet 60-100 cm lange Stäbe von Fingerdicke, ist außen graubraun, tief runzelig, innen gelb, im Bruch holzig, faserig, sehr zäh, schwer und dicht, schmeckt süß, etwas kratzend. Die russische Wurzel, welche hauptsächlich auf den Inseln des Wolgadelta ausgepflügt, roh über Astrachan nach Moskau und Petersburg gebracht und hier erst geschält werden soll, erscheint im deutschen Handel stets geschält in hellgelben, meist ganz einfachen, wenig gebogenen, bis 20 cm langen, spindelförmigen Stücken. Im Geschmack stimmen beide Waren überein, und beide sind offizinell. Die Wurzel enthält Glycyrrhizin C24H36O9^[C_{24}H_{36}O_{9}], welches aus dem Auszug durch Säure oder Weinsteinlösung gefällt wird. Es ist amorph, gelblichweiß, schmeckt stark bittersüß, riecht schwach, ist schwer löslich in kaltem Wasser, löst sich aber leicht in heißem Wasser, in Alkohol und Äther, verbindet sich mit Basen und gibt beim Kochen mit Säuren harzartiges, braungelbes, bitteres Glycyrretin und Zucker. Man benutzt Süßholz als reizlinderndes, die Thätigkeit der Schleimhäute anregendes und geschmackverbesserndes Mittel; es ist ein Bestandteil des Brustthees und wird im großen auf Lakritze (s. d.) verarbeitet. Die Süßholzwurzel war im Altertum in Indien und im Abendland wohl bekannt; das deutsche Mittelalter kannte sie schon sehr früh, sie wird zwar zu Karls d. Gr. Zeiten noch nicht erwähnt, wohl aber von der heil. Hildegard, Äbtissin von Rupertsberga bei Bingen (1098-1197). Im 13. Jahrh. wurde sie in Italien kultiviert, bei uns sehr früh bei Bamberg. Das Wort Liquiritia sowie das deutsche Lakritze sind aus dem griechischen Glykyrrhiza ("süße Wurzel") entstanden; im 9. oder 10. Jahrh. findet sich die Übergangsform Gliquiricia.

Glycyrrhizin, s. Glycyrrhiza.

Glykocholsäure, s. Galle und Gallensäuren.

Glykogen C6H10O5^[C_{6}H_{10}O_{5}] findet sich in der Leber der Säugetiere, im Eidotter, in embryonalen Organen, zuweilen in krankhaften Neubildungen, im Fleisch der Pflanzenfresser, in Mollusken etc., auch in vielen Pilzen (Askomyceten). Zur Darstellung spritzt man