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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Görgény; Gorgeret; Gorgias; Gorgo; Gorgona; Gorgoneion

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Görgény - Gorgoneion.

Irrtum über die Bewegungen des Feindes viele Zeit und kam erst 9. Aug. in Arad an, wohin der Sitz der Regierung verlegt worden war, an demselben Tag, an dem Haynau bei Temesvár die ungarische Hauptarmee vernichtete. Am 11. Aug. verzichtete in Arad Kossuth nach heftigem Streit mit G. zu dessen gunsten auf die Diktatur. G. übernahm sie, um ganz offen und mit Zustimmung der Mehrheit der Armee und der Regierungsmitglieder mit dem russischen General Rüdiger über die Unterwerfung zu unterhandeln, in der Hoffnung, daß Rußlands Fürsprache Ungarns selbständige Verfassung retten werde, was von Anfang an im Gegensatz zu Kossuths extremen Plänen allein Görgeis Ziel gewesen war. Er irrte sich hierin und reizte die Österreicher durch ihre absichtliche Umgehung unnützerweise. Ein weiterer Widerstand war aber nach Haynaus Siegen und der Vernichtung aller übrigen ungarischen Heere nutzlos, und an einen Verrat Görgeis ist nicht zu denken. Von Bedingungen konnte jetzt freilich nicht mehr viel die Rede sein; G. überließ alles der Großmut des Siegers und streckte 13. Aug. zu Világos mit 23,000 Mann vor den Russen die Waffen. Er bat für sich selbst nicht um Gnade, erhielt dieselbe aber auf Verwendung des Zaren und wurde in Klagenfurt interniert. Enttäuscht durch das grausame Strafgericht, welches jetzt über Ungarn verhängt wurde, beschuldigten die Ungarn G. allgemein des Verrats. Derselbe suchte sich in seiner Schrift "Mein Leben und Wirken in Ungarn in den Jahren 1848 und 1849" (Leipz. 1852, 2 Bde.) zu rechtfertigen; ein Gleiches versuchten der ehemalige Honvedoberst Aspermann mit der Schrift (in ungarischer Sprache) "Ein offenes Wort in der Sache des Honvedgenerals A. G." (Klausenb. 1867) und Görgeis Bruder Stephan mit der Brief- und Aktensammlung "1848 és 1849 -böl" (Budapest 1885, 2 Bde.). Die leidenschaftlichen Anklagen gegen G. sind aber noch nicht ganz verstummt, selbst nachdem 1885 eine größere Versammlung von angesehenen Männern in Pest G. von jeder Schuld des Verrats freigesprochen und seine Vaterlandsliebe belobt haben. In jüngster Zeit hat G. in scharfer Weise die betreffenden Abschnitte in Kossuths Memoiren angefochten. G. ist 1868 nach Ungarn zurückgekehrt, wo er in Visegrád in stiller Zurückgezogenheit lebt. Vgl. Horn, Arthur G., Oberkommandant der ungarischen Armee (Leipz. 1850), und Kmety, A. Görgeis Leben und Wirken in Ungarn (Lond. 1853). - Ein jüngerer Bruder, Stephan G., geb. 1825, Hauptmann in der Insurrektionsarmee, jetzt Advokat in Pest, hat als Dichter einen Namen.

Görgény, Nebenfluß der obern Maros in Siebenbürgen, entspringt am Fantsalberg und mündet nach 75 km langem Lauf bei Petele. Daran liegt G.-Szent-Imre, Dorf im ungar. Komitat Maros-Torda (unfern von Sächsisch-Régen), mit (1881) 1548 Einw. und einem Jagdschloß des Kronprinzen Rudolf. In den dortigen Revieren werden alljährlich große Bärenjagden veranstaltet.

Gorgeret (franz., spr. gorsch'rä), Leitrinne, Leitsonde, ein halbcylinderförmiges Instrument, welches dazu dient, einem andern in eine tief liegende Höhle einzuführenden Instrument den Weg zu bahnen. Es findet vorzüglich bei der Fisteloperation und beim Steinschnitt seine Anwendung.

Gorgias, griech. Sophist, aus Leontinoi auf Sizilien, kam 427, schon ziemlich bejahrt, als Gesandter seiner Vaterstadt nach Athen, um Hilfe gegen Syrakus zu verlangen. Die Bewunderung, die er durch die Neuheit seiner Redeweise erregte, veranlaßte ihn in der Folge, nach Griechenland zurückzukehren, wo er umherziehend als Lehrer der Beredsamkeit zu Ruhm und Reichtum gelangte. Er starb im thessalischen Larissa im 108. Lebensjahr. Gegen ihn ist der Platonische Dialog "Gorgias" geschrieben. G. war es, der den Grund zu der kunstmäßigen Staats u. Gerichtsberedsamkeit legte, welche in Demosthenes ihren höchsten Triumph feierte. Die von ihm in Delphi, Olympia und Athen gehaltenen und herausgegebenen Musterreden sind verloren. Zwei unter seinem Namen vorhandene unbedeutende Übungsreden, das Lob der Helena und die Verteidigung des Palamedes, gelten für unecht (hrsg. in den Sammlungen der attischen Redner u. von Blaß mit Antiphon, Leipz. 1871). Vgl. Blaß, Die attische Beredsamkeit, Bd. 1 (Leipz. 1868).

Gorgo, s. Gorgonen.

Gorgona, 1) ein fast kreisrunder Inselfelsen im Tyrrhenischen Meer, zu der Gruppe der Toscanischen Inseln und zur Provinz Livorno gehörig, mit 450 Einw., meist Fischern, zu denen seit 1869 eine Ackerbaustrafkolonie hinzugekommen ist. Die Gestrüppvegetation hat seitdem dem Weinbau teilweise weichen müssen. Wichtig ist der Sardellenfang um die Insel. - 2) Kleine Insel im Stillen Ozean, 30 km von der Küste des kolumbianischen Staats Cáuca, hoch, fruchtbar, mit dem sichern Trinidadhafen.

Gorgoneion, das von Perseus der Gorgone Medusa abgeschlagene Haupt, welches Athene als versteinerndes Schreckbild in die Mitte ihrer Ägis (s. d.) versetzte, oder welches sie auf ihrem Schilde trägt. So die griechische Sage, während sich geschichtlich nachweisen läßt, daß der ursprüngliche Typus, ein en face gebildetes Fratzengesicht mit herausgestreckter Zunge und Eberzähnen (s. die Terrakotte aus Athen, Fig. 1), schon in der phönikischen Kunst vorkommt, von griechischen Künstlern (nicht vor dem 7. Jahrh. v. Chr.) übernommen u. allmählich umgebildet ward. Als Unheil abwehrendes Schreckbild (Apotropäon) schmückt es Waffen, Städte-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 1. Ältere Gestalt des Medusenhaupts (Terrakotte aus Athen).]

^[Abb.: Fig. 2. Rondaninische Medusa (München).]