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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hagel; Hagelableiter; Hagelberg; Hagelfeier; Hagelkorn; Hagelschnüre; Hagelversicherung

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Hagel - Hagelversicherung.

Im mittlern Europa nimmt also, ebenso wie die Häufigkeit und Reichlichkeit des Regens, auch die Häufigkeit des Hagels mit der Entfernung von der Küste ab; in England fällt H. am häufigsten im Winter (wahrscheinlich Graupeln), in Dänemark, Frankreich und Deutschland im Frühling, besonders im April, noch weiter östlich erhält der Sommer das Übergewicht; im südlichen Italien sind, wie in England, Winter und Frühling der Hagelbildung am günstigsten, am wenigsten dagegen der Sommer, und zwar scheinen zwei Maxima (März und November oder Dezember) hier ebenfalls auf analoge Verhältnisse mit der Verteilung des Regens im Jahr hinzudeuten.

Über die geographische Verbreitung des Hagels ist nach den vorhandenen Beobachtungen, die freilich noch sehr der Vervollständigung bedürfen, folgendes zu bemerken. Hagelfälle sind überall auf der Erde beobachtet worden von den tropischen Gegenden an bis zum hohen Norden; im allgemeinen aber werden die mittlern Breiten am häufigsten vom H. heimgesucht. In den Niederungen der Tropenzone ist unter 600 m Meereshöhe der H. eine sehr seltene Erscheinung. Bei größerer Erhebung über das Meer kommt er nicht so selten vor, wie z. B. in Bornu, Habesch, Maissur, Mexiko, Caracas, Peru, und in Ostindien fällt H. überhaupt selbst in tiefern Gegenden häufiger. In höhern Breiten wird H. fast überall angetroffen, wo es regnet, in Europa besonders häufig zwischen 40 und 55° Breite (namentlich ist das südliche Frankreich sehr oft von schweren Hagelwettern heimgesucht worden); selten fällt er auf dem Meer und bei Temperaturen unter 0°. Daher ist der H. auch in den Polarzonen eine seltene Erscheinung; doch hat man gefunden, daß Graupeln namentlich an den Küsten des Polarmeers nicht so selten sind. Im Gegensatz zu den niedern Breiten kommt H. in der gemäßigten Zone häufiger in der Tiefe als in höher gelegenen Gegenden vor. Hier tritt sein lokaler Charakter besonders deutlich hervor, denn manche Gegenden leiden häufig vom H. (Blanzat, Chateaugué, Sayat in der Auvergne am Fuß des Gebirges), während benachbarte, eine halbe Meile davon und 400 m höher gelegene (zwischen Mont d'Or und Puy de Dôme) selten davon betroffen werden; auch in engen Alpenthälern (von Aosta, Kanton Wallis) fällt H. selten, aber sehr häufig an ihren Ausgängen in die Ebene (z. B. bei Borgofranco im Aostathal, Ivrea, Lugano und überhaupt am Südabhang der Alpen). In neuester Zeit sind von Riniker im Kanton Aargau Untersuchungen angestellt über die Abhängigkeit der Hagelschläge von der Form und der Bewaldung der Erdoberfläche. Er gelangte dabei zu den Resultaten, daß Hagelwetter eine lokale Erscheinungsform von oft weitverbreiteten und heftigen Gewittern sind. Sie entstehen, wenn nach mehreren heißen Tagen Gewitterwolken über kahle oder schlecht bewaldete Hochflächen ziehen und unter der Einwirkung von seitlichen Winden (Querwinden) über erhitzten Thälern zum Stehen kommen. Aus Gewittern, die über geschlossene und hoch gelegene Tannenwaldungen gezogen sind, entsteht kein Hagelwetter; einzelne gut bewaldete Anhöhen pflegen die Hagelwetter oft zu teilen und abzulenken. Die eigentliche Hagelzone, in welcher der H. häufiger als anderwärts auftritt, liegt auf der nördlichen Erdhälfte zwischen 30 und 60° nördl. Br. Die Entstehung des Hagels zu erklären, ist mit Schwierigkeiten verbunden; wir besitzen viele Theorien, doch hat bis jetzt noch keine allgemeine Anerkennung gefunden. Vgl. Fritz, Die geographische Verbreitung des Hagels ("Petermanns Mitteilungen" 1876, Heft 10); Schwaab, Die Hageltheorien älterer und neuerer Zeit (Kassel 1878).

Hagel, s. Schrot.

Hagelableiter, Instrumente, welche die Saaten vor dem Hagelschlag durch Elektrizitätsableiter sicherstellen sollen. Guenaut de Montbeillard machte 1776 zuerst diesen Vorschlag und fand Beifall, obwohl Blitzableiter zwar einzelne Gegenstände gegen den Blitz sichern, aber nicht den Gewitterregen verscheuchen können, also auch gegen Hagelwetter ein unnützer Apparat sind. Preisschriften der bayrischen Akademie (1785) und der Berliner Gesellschaft naturforschender Freunde (1800) führten zu dem Resultat, daß Elektrizität nicht als Ursache der Hagelbildung anzusehen sei, und daß, wenn sie es auch wäre, es weder möglich noch dem beabsichtigten Zweck entsprechend sei, wenn man dieselbe den Hagelwolken durch vervielfachte Blitzableiter entziehen wollte. Nichtsdestoweniger behauptete La Postolle 1820, es sei hinreichend, auf ein Feld eine Anzahl Pfähle mit daran befindlichen Seilen von Stroh zu stellen, um es auf immer vor Hagelschlag zu bewahren. Direkte Versuche in Frankreich, in Savoyen, im Kanton Wallis, in einem Teil Italiens haben die vollständige Nutzlosigkeit dieser Vorrichtung gezeigt. Manche hofften, durch heftige mechanische Erschütterung der Luft, durch große Feuer, Abfeuern von Kanonen u. dgl. die Hagelbildung zu verhindern. Man berichtet, daß sich die Gemeinden von Cesena in der Romagna durch viele Feuer von Stroh und Holz gegen Hagel zu schützen suchten, und daß viele Gemeinden in Frankreich von Anhöhen aus gegen die Wolken kanonierten. Diese Mittel sind aber ebenso erfolglos wie die H. aus Strohseilen, und ihre Wirksamkeit könnte höchstens für Hagelwetter von rein lokalem Ursprung zugegeben werden. Nach allem, was wir vom Hagel wissen, ist wenig Aussicht vorhanden, daß jemals Mittel gefunden werden sollten, um seine Bildung zu verhindern.

Hagelberg (Hagelsberg), Dorf im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Zauch-Belzig, auf dem höchsten Punkte des Fläming, mit (1885) 115 Einw.; denkwürdig durch den Sieg der preußischen Landwehr unter Hirschfeld über die Franzosen unter Girard 27. Aug. 1813.

Hagelfeier (Schauerfeier), ein feierliches Hochamt 26. Juni, dem Gedächtnistag der Heiligen Johannes und Paulus, welche in der katholischen Kirche als Schutzheilige ("Wetterherren") gegen Hagel und Unwetter angerufen werden. In Bayern, Böhmen etc. sind fromme Umgänge damit verbunden.

Hagelkorn, s. Gerstenkorn.

Hagelschnüre (Chalazae), s. Ei, S. 350.

Hagelversicherung. Zweck derselben ist die Versicherung der Feldfrüchte gegen aus Hagelschäden erwachsende Verluste. Einige Gesellschaften übernehmen auch eine H. für Spiegel, Fenster, Dächer etc. Dieselbe ist für den Landwirt von hoher Bedeutung, da dessen wirtschaftliche Existenz durch Vernichtung der Ernte vollständig untergraben werden kann. Wenn sich diese Art der Versicherung trotzdem erst sehr spät ausgebildet hat, so beruht dies im wesentlichen in den Schwierigkeiten, mit welchen die Berechnung von Prämie und Schaden zu kämpfen hat, dann aber auch wohl in dem Glauben, daß der Hagelschade als eine göttliche Schickung geduldig ertragen werden müsse. Die ersten Anstalten wurden Anfang des vorigen Jahrhunderts in Frankreich und England ins Leben gerufen. Die erste größere, auf Gegenseitigkeit beruhende deutsche Anstalt war die 1797 zu Neubranden-^[folgende Seite]