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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hagel

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Hagel.

das Sekretariat des Englischen Court, einer alten Handelsgesellschaft zu Hamburg, wodurch ihm eine einträgliche und angenehme Lebensstellung gesichert war. Sein liebenswürdiger Charakter, seine gesellschaftlichen und dichterischen Talente zogen einen durch Bildung und Heiterkeit ausgezeichneten Kreis von Freunden in seine Nähe, und so wurde er in Hamburg in allem, was zur Kunst und Poesie in Beziehung stand, der Förderer des guten Geschmacks. Er starb 28. Okt. 1754 daselbst. Hagedorns Bedeutung als Dichter beruhte wesentlich darauf, daß er, obwohl ein Nachahmer der leichter und fröhlicher gestimmten französischen Poeten seiner Zeit, doch durch eigne Lebensstimmung und lebendige Geselligkeit zur unmittelbaren Empfindung durchdrang. Er schlug zuerst den Ton des Liedes an, traf in seinen Fabeln und kleinern Erzählungen oft sehr glücklich mit seinen Vorbildern zusammen und entfaltete überhaupt eine Anmut und Beweglichkeit, die in der deutschen Dichtung jener Zeit ganz und gar neu war. Seine "Poetischen Werke" erschienen gesammelt Hamburg 1756, 3 Bde., und öfter; die beste Ausgabe nebst Lebensbeschreibung besorgte Eschenburg (das. 1800, 5 Bde.; neue Ausgabe mit Hagedorns Briefwechsel, 1825). Vgl. Schuster, F. v. H. (Leipz. 1883); Eigenbrodt, H. u. die Erzählung in Reimversen (Berl. 1884).

2) Christian Ludwig von, Kunstliebhaber und Radierer, Bruder des vorigen, geb. 14. Febr. 1713 zu Hamburg, trat 1737 in sächsische Dienste, ward 1763 Geheimer Legationsrat und Generaldirektor der sächsischen Kunstakademien, die sich unter seiner Leitung eines schönen Gedeihens erfreuten, und starb 24. Jan. 1780 in Dresden. H. versuchte sich in der Radierkunst, erwarb sich aber besonders einen Namen durch seine "Betrachtungen über die Malerei" (Leipz. 1762, 2 Bde.; franz. von Huber, das. 1775, 2 Bde.), welche der ästhetischen Anschauung seiner Zeitgenossen geraume Zeit ihre Richtung gaben. Ferner schrieb er: "Briefe über die Kunst von und an Ch. L. v. H." (hrsg. von Tork, Leipz. 1797); "Lettres à un amateur de la peinture etc." (Dresd. 1755).

Hagel, eine Form der starren atmosphärischen Niederschläge, welche, wie die Graupeln (s. d.), sich vom Schnee durch ihr Vorkommen und ihre Beschaffenheit unterscheiden. Der H. im engern und eigentlichen Sinn bildet verschieden gestaltete Körner, oft mit einer schneeartigen Masse im Innern, welche zuweilen von mehreren konzentrisch-schaligen Lagen von durchsichtigem Eis, die wieder mit Schneeschichten wechseln, umgeben ist, so daß sie als Graupeln mit einer Eiskruste betrachtet werden können. Bisweilen hat man auch Hagelkörner von einem vom Mittelpunkt aus strahligen Gefüge beobachtet. Die Größe der Hagelkörner ist verschieden; in unsern Breiten haben sie gewöhnlich einen Durchmesser von 4-5 mm, doch hat man auch Hagelmassen von der Größe eines Taubeneies, ja sogar von der eines Hühnereies und von 400-433 g Gewicht gefunden. Die größern Hagelkörner nennt man Schloßen, die oft wieder durch Zusammenfrieren große Eismassen mit verschiedenen undurchsichtigen Kernen bilden. Die Hagelkörner sind gewöhnlich abgerundet, oft aber auch stumpfeckig, kantig, linsenförmig, birn- oder pilzförmig, auch dreieckig oder sechseckig pyramidal. In einigen Fällen hat man im Innern derselben Luftblasen, Spreu, Sand, vulkanische Asche (bei einer vulkanischen Eruption), Schwefelkies in deutlichen Kristallen etc. gefunden. Diese Körper, die in der Luft schwebend angetroffen werden, werden von dem sich bildenden Eis umschlossen. Ebenso löst das vorher noch tropfbarflüssige Wasser Gase, die in der Atmosphäre enthalten sind, und man findet deshalb im H., wie im Regenwasser und im Schnee, Ammoniak und Salpetersäure. Die Temperatur der Hagelkörner beträgt -0,5 bis -4°. Der H. geht gewöhnlich einem Gewitterregen voran oder begleitet ihn, nie oder fast nie folgt der H. auf den Regen, besonders wenn der Regen schon einige Zeit gedauert hat. Das Hagelwetter dauert in der Regel nur einige Minuten, selten ¼ Stunde lang; aber die Menge des Eises, welches in dieser Zeit den Wolken entströmt, ist so ungeheuer, daß der Boden manchmal mehrere Zoll hoch damit bedeckt ist. Das Hageln selbst erfolgt in seiner größten Intensität gewissermaßen stoßweise, indem zwischendurch Pausen, die eine geringere Heftigkeit bekunden, wahrnehmbar sind. Die Heftigkeit des Herabstürzens ist oft so groß, daß kleinere Tiere getötet, Pflanzen geknickt und Zweige bis zu 5 mm Dicke abgebrochen werden.

Die Hagelwolken scheinen bedeutende Ausdehnung und Tiefe zu haben, indem sie in der Regel eine große Dunkelheit verbreiten; sie besitzen eine eigentümlich graurötliche oder aschgraue Farbe, und ihre Ränder sind vielfach zerrissen. An ihrer untern Grenze hängen meist große Wolkenmassen herab, die sich während des Fortganges der Hagelwolke tiefer herabsenken und endlich fast die Erde berühren, ehe der H. aus ihnen hervorbricht. Kurze Zeit vor dem Beginn des Hagelwetters hört man ein eigentümlich rasselndes Geräusch, welches dadurch entsteht, daß die Hagelkörner in der Wolke vielfach gegeneinander geworfen werden. Ein intensiv elektrischer Zustand der Wolken und überhaupt Gewittererscheinungen begleiten den H. Das Barometer fällt in der Regel vor dem Hagelwetter stark und rasch, zuweilen auch noch während desselben, steigt aber gleich nach Beendigung desselben. Auch das Thermometer fällt mit Beginn des Hagelschauers und zeigt auch später eine starke Temperaturdepression an. Oft ändert sich nach einem Hagelwetter die Witterungsdisposition auf Wochen; sehr oft folgt Kälte. Die meisten Beobachtungen, sowohl in Europa als in Nordamerika, stimmen darin überein, daß schwere Hagelwetter oft von einem Wind begleitet sind, der, plötzlich beginnend, in starken Stößen aus allen Richtungen des Kompasses weht, und daß die Hagelkörner nach verschiedenen Richtungen aus der Wolke herabstürzen. Trotz seiner weiten Verbreitung ist der eigentliche H. eine ganz lokale Erscheinung; in vielen Fällen sind die vom H. betroffenen Striche schmal, ziehen sich aber viele Meilen in die Länge. Der H. trifft zwar zu allen Jahreszeiten und allen Tagesstunden (auch in der Nacht) ein, vorzugsweise aber in den heißesten Sommermonaten und um die heißeste Tageszeit. Zählt man die Graupelfälle den Hagelschlägen zu, so ändert sich die Häufigkeit für die einzelnen Jahreszeiten. Dieselbe ist mit Zuzählung der Graupelfälle in der folgenden Tabelle angegeben:

Hageltage im Jahr Winter Proz. Frühling Proz. Sommer Proz. Herbst Proz.

England - 45,5 29,5 3,0 22,0

Frankreich und Niederlande 10-20 32,8 39,5 7,0 20,7

Deutschland 5 ¹ 10,3 46,7 29,4 13,6

Dänemark ² 4 12,2 45,5 14,6 27,6

Osteuropa 3 9,9 35,5 50,6 13,0

Rom ³ 5 43,9 38,1 9,0 9,0

Neapel ^{4} 10 31,0 42,5 2,8 23,9

¹ Im nordwestlichen Deutschland steigt die Zahl auch bis 10. -

² Aus 32jährigen Beobachtungen in Kopenhagen berechnet. -

³ Aus 11 Jahren berechnet. -

^{4} Aus 7 Jahren berechnet.