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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Hand; Handakten; Handänderungsgebühren; Handarbeit; Handarbeitsschulen; Handarbeitsunterricht

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Hand (ärgere) - Handarbeitsunterricht

Hand, ärgere, s. Ärgere Hand.

Hand, gesamte, s. Gesamte Hand.

Hand, künstliche, s. Glied (künstliches).

Hand, linke. Ehe zur linken H. nennt das Preuß. Allg. Landr. II, 1, §§. 835 fg. und II, 2, §§. 555 fg. eine Ehe mit besondern Folgen, die von den Rechtslehrern auch morganatische Ehe (s. d., Bd. 5, S. 740 b) genannt wird. Es gestattet eine solche Ehe nur mit unmittelbarer landesherrlicher Erlaubnis Männern höhern Standes aus erheblichen Gründen, unter Bezeichnung gewisser Gründe, welche als erhebliche angesehen werden sollen. Angenommen wird, freilich nicht ohne Widerspruch, daß die Vorschriften durch das Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 (§. 74) nicht aufgehoben seien. In Preußen ist eine landesherrliche Erlaubnis zur Eingehung einer solchen Ehe nur in wenigen Fällen erteilt worden. Das Allg. Landrecht schrieb für eine solche Ehe vor, die Trauung solle zur linken H. vollzogen werden. Die Wirkungen sind insofern andere als die einer gewohnlichen Ehe, als die Ehefrau nicht teilnimmt an dem Stande des Mannes, auch nicht in seine Familie eintritt. Die Vermögensverhältnisse regeln sich ausschließlich nach dem zu schließenden Vertrage, jedoch darf Gütergemeinschaft nicht vereinbart werden. In Ermangelung besonderer Vereinbarung bleibt die Ehefrau Eigentümerin ihres Vermögens, dem Manne steht weder Verwaltung noch Nutznießung zu. Bei Auflösung der Ehe erhält die Frau nur die vertragsmäßige Abfindung, im Falle der Scheidung unter Umständen verdoppelt; wenn sie jedoch für den schuldigen Teil erklärt wird, verliert sie die Abfindung. Die gegenseitigen Erbansprüche der Kinder aus einer solchen Ehe und ihnen gegenüber sind in II, 2, §§. 555 fg. eingehend geregelt. In der mütterlichen Familie erben sie wie andere eheliche Kinder; der Vater und dessen Verwandte haben kein Erbrecht ihnen gegenüber. Die Kinder führen den Namen der Mutter, dem Vater steht die väterliche Gewalt nicht zu. Neben andern ehelichen Abkömmlingen haben sie kein Erbrecht; in deren Ermangelung erhalten sie ein Drittel, falls ihrer aber mehr als drei sind, die Hälfte der Erbschaft. Der Anspruch der Mutter wird jedoch von diesem Erbteil abgezogen. - Der Deutsche Entwurf schweigt über eine Ehe zur linken H.

Hand, tote, s. Tote Hand.

Handakten, die vom Rechtsanwalt geführten Akten. Nach der Deutschen Rechtsanwaltsordnung ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, die H. vor Empfang seiner Auslagen und Gebühren dem Auftraggeber herauszugeben. Die Pflicht zu deren Aufbewahrung erlischt mit Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung des Auftrags, und schon vorher, wenn der Auftraggeber, zur Empfangnahme aufgefordert, sie nicht binnen sechs Monaten nach erhaltener Aufforderung in Empfang genommen hat.

Handänderungsgebühren, s. Enregistrement

Handarbeit, weibliche, im weitesten Sinne, den Verhältnissen früherer Kulturperioden entsprechend, die Gesamtheit der häuslichen Verrichtungen zur Herstellung und Verzierung von Wäsche und Kleidungsstücken, als Spinnen, Weben, Nähen, Sticken, Stricken, Häkeln, Filetarbeit u. s. w. Nachdem seit dem Anfang des 19. Jahrh. die auf Massenproduktion berechnete Maschinenarbeit sich immer mehr dieser Thätigkeiten bemächtigt und dieselben zu selbständigen Industriezweigen entwickelt hat, sind unter H. nur noch diejenigen Thätigkeiten zu ver-

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stehen, die noch jetzt der Frau eigentümlich sind und von ihr im Hause ohne Zuhilfenahme von Maschinen ausgeführt werden können. Es sind dies ausschließlich solche Arbeiten, in denen, unbeschadet der Rücksicht auf technische Vollendung, das künstlerische Element, d. h. die Geschmacksbildung in Form, Farbe und Anordnung, zum Ausdruck kommt. In neuerer Zeit ist der weiblichen H. sowohl vom volkswirtschaftlichen als vom rein ästhetischen Standpunkt erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt und durch die Gründung von Vereinen, Zeitschriften sowie von Schulen (s. Handarbeitsunterricht) in Verbindung mit Museen oder Kunstateliers auf die Förderung derselben hingewirkt worden. Einen belebenden und veredelnden Einfluß hat auch auf diesem Gebiet die in der neuesten Zeit erstrebte Hebung des Kunstgewerbes durch das Bekanntwerden älterer Kunstleistungen, besonders der stilvollen Arbeiten des deutschen Mittelalters und der aus tausendjährigen Überlieferungen hervorgegangenen farbenreichen Schöpfungen des Orients, ausgeübt. Über die einzelnen Zweige der H. s. Häkeln, Nähen, Stricken, Spitzenklöppeln, Sticken u. s. w.

Handarbeitsschulen, auch Hausindustrieschulen, Bezeichnung für Lehranstalten, in denen der Handarbeitsunterricht (s. d.) den Hauptgegenstand des Unterrichts bildet.

Handarbeitsunterricht, auch als Arbeitsunterricht oder Handarbeit in Schulen bezeichnet, ein Unterricht, der die Aneignung gewisser gewerblicher Fertigkeiten und die Erziehung durch Handarbeit zu erreichen sucht. Verschiedene Bestrebungen in dieser Richtung traten schon im 18. Jahrh. auf. Locke und Rousseau verlangen, daß ihr Zögling ein Handwerk lerne. Pestalozzi, Salzmann und die Philanthropen führten Handwerksübungen in ihren Anstalten ein, ebenso A. H. Francke in Halle und Hecker in Berlin. In den von Wehrli in der Schweiz 1804 gegründeten Wehrli-Schulen sollen verwahrloste und arme Kinder durch derartige Arbeiten sowie durch Beschäftigung in Land- und Gartenwirtschaft erzogen werden. Ähnlich ist es im Rauhen Hause (s. d.) bei Hamburg. In Berlin wurde 1793 eine Erwerbsschule für arme Mädchen gegründet. Im Elsaß, in Belgien, im sächs. Erzgebirge und Vogtlande und besonders in Württemberg bestehen schon lange derartige Anstalten, die zum Teil mit den Volksschulen verbunden sind und durch Übung in Fertigkeiten arme Kinder vor Bettel, Müßiggang und Verwahrlosung bewahren sollen. Stricken, Nähen, Spinnen, Spitzenklöppeln, Häkeln, Flicken, Stroharbeiten, Verfertigung von Schachteln, Quirlen, Löffeln u. s. w. sind die wichtigsten Beschäftigungen der Kinder. Für Mädchen hat in neuester Zeit der schulmäßige Unterricht in den weiblichen Handarbeiten eine immer vollkommenere Ausgestaltung erfahren. Fast überall in Deutschland ist er in die Volks- und Fortbildungsschulen aufgenommen; auch sind an vielen Orten, wie in Wien, München, Augsburg, Stuttgart, Reutlingen, Cassel, Leipzig, Erfurt, Dresden, Berlin, Hamburg, selbständige Anstalten: weibliche Arbeitsschulen, Gewerbeschulen, Industrieschulen entstanden, in denen junge Mädchen nach dem volksschulpflichtigen Alter speciellern Unterricht in verschiedenen Zweigen weiblicher Handarbeit erhalten und dadurch erwerbsfähig gemacht werden.

Bezüglich der Knaben ist jetzt eine lebhafte Bewegung zu Gunsten des sog. Handfertigkeits-