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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Involutionsformen - Inzucht

Involutionsformen, Formen, welche Pilze, namentlich Spaltpilze, bei Wachstum auf schlechten oder unzusagenden Nährboden häufig zeigen. Sie gehen durch Schrumpfung oder Quellung aus den normalen Formen hervor, und die so veränderten Pilze sind unfähig, sich durch Vermehrung zu erhalten; die I. sind also Degenerationsformen.

Involutionsperiode, s. Menstruation.

Involventia (lat.), s. Einhüllende Mittel.

Involvieren (lat.), einwickeln, einschließen, mit in sich begreifen.

Invulnerabel (lat.), unverwundbar; davon das Substantiv Invulnerabilität.

Inwieken, s. Fehn- und Moorkolonien (Bd. 6, S. 628 a).

Inzersdorf bei Wien, Dorf in der österr. Bezirkshauptmannschaft und dem Gerichtsbezirk Hietzing in Niederösterreich, 3 km südlich von Wien, an den Linien Meidling-Pottendorf der Österr. Südbahn, Penzing-Kaiser-Ebersdorf der Österr. Staatsbahnen und der Lokalbahn Wien-Wiener Neudorf, hat (1890) 4091 E., darunter 173 Czechen; Post, Telegraph, ein Schloß, eine Heilanstalt für Nerven- und Gemütskranke und bedeutende Ziegeleien, die größten in Österreich-Ungarn, die ihren Aufschwung den Industriellen Alois Miesbach und Heinrich von Drasche verdanken und gegenwärtig der Wienerberger Ziegelei- und Baugesellschaft gehören. Am Wienerberge (236 m) bei I. das berühmte Denkmal Spinnerin am Kreuz oder Crispinnskreuz, das alte Wahrzeichen Wiens, eine 1451 erbaute got. Säule, an deren Entstehung sich romantische Sagen knüpfen. Der Ort wird schon im 12. Jahrh. genannt.

Inzest (lat.), s. Blutschande.

Inzestzucht, s. Inzucht.

Inzucht, im allgemeinen die geschlechtliche Vereinigung unter (blutsverwandten) Gliedern derselben Abstammung bei Menschen, Tieren und Pflanzen. Paarungen unter Menschen oder Tieren, welche in auf- oder absteigender oder in gleicher Linie miteinander verwandt sind, z. B. zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln oder zwischen Geschwistern, stellen die I. im engern Sinne oder beim Menschen Verwandtschafts- oder Inzestzucht dar (s. Blutschande); sind die Eltern Geschwisterkinder oder sonst näher verwandt, so wird Familienzucht getrieben, welche aber zur I. wird, sobald in der Folge nähere Verwandten zur Kopulation gelangen. Wenn die beiden Erzeuger derselben Herde, demselben Stamme oder Schlage (Rasse) angeboren, so spricht der Tierzüchter von I. im weitern Sinne; für größere Differenzen zwischen den Erzeugern wird die technische Bezeichnung Kreuzung gebraucht. Reinzucht fällt häufig mit I. zusammen, ist aber nicht ohne weiteres damit gleichbedeutend, da z. B. zwei in ihren Eigenschaften voneinander abweichende Tiere einer und derselben Rasse, Herde u. s. w. miteinander gepaart werden können, ohne daß zunächst (wegen dieser Verschiedenheit) Reinzucht stattfindet. Über I. unter Menschen s. Verwandtschaft. In der Tierzucht greift man namentlich dort zur I., wo ganz bestimmte, nach irgend einer Nutzungsrichtung hin hervorragende Qualitäten in den Nachkommen befestigt oder potenziert werden sollen, wobei die Inzestzucht am schnellsten zum Ziele führt. Allein es kann keine Zucht und kein Beispiel bestimmt nachgewiesen werden, wo durch eine längere Reihe von Generationen ausschließlich an der I. festgehalten werden konnte; es stellen sich bei fortgesetzter I. jedesmal degenerierende Erscheinungen ein, sodaß Kreuzungen vorgenommen werden müssen, um die Zucht vor dem gänzlichen Ruin zu retten. Zunächst äußert sich die Degeneration infolge der I. in einer gewissen Über- oder Hyperbildung; die Tiere bleiben klein, Ohren und Augenlider werden dünn, der Hals wird schlank, die Haut feiner, der Haarwuchs spärlich, der Knochenbau schwächer. Die Konstitutionskraft erfährt eine wesentliche Herabsetzung, die Widerstandsfähigkeit und Leistungen gehen zurück, die Tiere werden zahmer und temperamentloser, nähren sich nicht mehr gut und neigen zur Fettbildung. Geschlechtstrieb und Fruchtbarkeit nehmen ab, Frühreife tritt ein; bei Säugetieren verwerfen die Mütter leicht und säugen schlecht, die Jungen verlieren den Instinkt des Saugens, entwickeln sich langsam und schwer und die Lebensfähigkeit geht ihnen ab. Mängel der Sinnesorgane, Mißbildungen und geistige Störungen sind keine Seltenheit, bei Schweinen sind Lähmungen der Beine, bei Schafen die Traberkrankheit, bei Pferden Albinismus u. s. w. gewöhnliche Folgeerscheinungen. Schließlich wird die Zucht ganz hinfällig und geht in sich selbst zu Grunde, wenn nicht rechtzeitig eine Blutauffrischung erfolgt. Das frühere oder spätere Eintreten der Degeneration steht im geraden Verhältnis zur Intensität, mit welcher die I. betrieben wird. Bei Schweinen, Hunden, Schafen, Kaninchen, Tauben u. s. w., die sich rasch vermehren, tritt die Degeneration schon nach kurzer Zeit in die Erscheinung, bei den sich langsamer vermehrenden Tieren (Pferden, Rindern) erst nach längern Zeiträumen, folgt aber unweigerlich.

Das Maß von Blutgleichgewicht zwischen zwei Erzeugern ist aber nicht allein von deren direktem Verwandtschaftsverhältnis abhängig, sondern auch von der größern oder geringern Gleichheit der Existenzbedingungen, unter denen dieselben aufgewachsen sind bez. leben. Dieses letztere Blutgleichgewicht heißt indirekte Konsanguinität, und die Fortpflanzung von Menschen und Tieren, welche unter sich längere Zeit hindurch kontinuierlich ganz gleichbleibenden Existenzbedingungen indirekt konsanguin geworden sind, heißt indirekte I., welche in ihren Folgen nicht minder verderblich ist.

In der Pflanzenwelt entspricht der I. biologisch genau die Selbstbefruchtung; die Mannigfaltigkeit in den Befruchtungsorganen, die in Bau, Farbe, Geruch und allerlei sonstigen Einrichtungen verschiedenen Blütenformen sind Anpassungen, um die Kreuzung zu ermöglichen, die inzüchterische Selbstbefruchtung zu vermeiden. Bei der Mehrzahl ^[fehlend: der] Pflanzen ist die Selbstbefruchtung auch durch besondere Einrichtungen vermieden oder sogar vollständig unmöglich, entweder ganz fruchtlos oder doch unvorteilhaft, und nur die Fremdbefruchtung ist möglich und hat Erfolg. Es giebt keine Pflanze, welche sich fortwährend nur durch Selbstbefruchtung fortpflanzen kann, da durch dieselbe die Fruchtbarkeit herabgemindert wird und die Gewächse schwach und zu Krankheiten disponiert werden. In der Landwirtschaft vermeidet man deshalb den fortgesetzten inzüchterischen Anbau mit dem selbstgezogenen Saatgute durch den sog. Saatgutwechsel. Auch bei den Kryptogamen ist die Verminderung der Selbstbefruchtung ausgesprochen, und hieraus erkennt man das Alter des Gesetzes, daß kein organisches Wesen, welches sich geschlechtlich fortzu-^[folgende Seite]