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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kammerknechte – Kammersee

Kammerknechte, kaiserliche, früher in Deutschland Bezeichnung der Juden, weil sie dem Kaiser als ihrem Schutzherrn einen Schutzzins zu entrichten hatten.

Kammerladungsgewehre, s. Kammer.

Kammerlinge (Foraminifera s. Thalamophora), Wurzelfüßer (s. d.), die sich durch den Besitz eines kalkigen Gehäuses auszeichnen und nur in sehr wenig Fällen ganz ohne Schale sind. Je nach der Beschaffenheit der von ihnen ausgestreckten Pseudopodien trennt man sie in zwei Unterordnungen:

  • 1) Amöben (Amoebaeformes, Lobosa), die das süße Wasser und teilweise auch die feuchte Erde bewohnen, bei denen die Pseudopodien derber, lappig oder fingerförmig sind; ihr Spiel ist so charakteristisch, daß man diese Art der Beweglichkeit, wie sie auch vielen Teilen im Körper der mehrzelligen Tiere (namentlich der niedriger stehenden) erhalten geblieben ist (Darmepithelzellen, farblose Blutkörperchen oder Leukocyten, Samen- und Eizellen u. s. w.), als amöboide Beweglichkeit bezeichnet hat. Alle die amöboiden Zellen besitzen auch noch die Fähigkeit der Inkorporation fester Körper. Im weichflüssigen Entoplasma der Amöben liegt ein Kern und meist auch eine pulsierende Vacuole. Eine nackte Amöbe ist Aboeba proteus Auct.; andere tragen einfache, mit einer Öffnung zum Durchtritt der Pseudopodien versehene Gehäuse, wie z. B. Difflugia, Arcella u. s. w. Zu den unechten Amöben wurde auch der berühmte Bathybius Haeckelii Huxl., der sog. Urschleim, gestellt, der als einfache, noch nicht differenzierte, organische Masse in bedeutender Menge die Tiefen des Meers bedecken sollte. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß dieser als einfachstes Lebewesen gedeutete Schleim nur in gallertartigem Zustande aus dem Meerwasser ausgefällter Gips ist, wie man ihn auch künstlich durch Zusatz von Alkohol zu Meerwasser erhält.
  • 2) Bei den Thalamophoren (Reticularia) sind die Pseudopodien sehr fein, oft streckenweise zusammengeflossen und kleine Protoplasmainseln bildend, und zeigen allgemein das Phänomen der Körnchenströmung (feinste Körnchen bewegen sich an der einen Seite der Pseudopodien nach deren Spitze hin, um auf der andern Seite nach der Basis zurückzukehren). Die Gehäuse sind einfach (Monothalamien) oder mehrkammerig (Polythalamien); sie haben entweder nur eine einzige große Öffnung für den Austritt der Körpermasse (Imperforata, z. B. Gromia Duj., Miliola Lam.), oder die Wände sind neben der Hauptöffnung von außerordentlich zahlreichen feinen Poren durchbrochen, durch welche die Pseudopodien nach außen hindurchtreten können (Perforata; z. B. Globigerina D'Orb., Rotalia Lam.).

Große Bedeutung haben diese für die Geschichte unserer Erdrinde, indem ganze große Kalkgebirge aus nichts als den zu Milliarden angehäuften Schalen ausgestorbener Generationen von Foraminiferen gebildet werden; auch heute noch besteht der stetig sich absetzende feine Meerschlamm großenteils aus Foraminiferenschalen. Namentlich sind hier zu erwähnen Arten der Gattung Globigerina, deren Gehäuse den hauptsächlichsten Bestandteil der weißen Kreide ausmachen. Sie bevölkern auch heute noch fast alle unsere Meere, deren Absatz, wie zuerst bei Gelegenheit der Kabellegung zwischen Europa und Amerika nachgewiesen wurde, zum großen Teile aus sog. Globigerinenschlamm (Globigerine-mud) besteht. Huxley hat über diese ↔ Verhältnisse u. d. T. «A piece of chalk» («Ein Stück Kreide») einen sehr lehrreichen Vortrag veröffentlicht. Durch ihre Größe (die meisten der sehr zahlreichen Arten der fossilen Foraminiferen sind mikroskopisch) interessant sind die Nummuliten (s. d.), aus denen die sog. Nummulitenkalke der Tertiärzeit bestehen. Als einen riesigen Kämmerling deutete man auch das problematische Eozoon canadense Dawson (s. Eozoon). – Vgl. M. Schultze, Über den Organismus der Polythalamien (Lpz.1854); ders., Das Protoplasma der Rhizopoden (ebd. 1863).

Kammermeister, s. Kammer.

Kammermeister, Joachim, s. Camerarius.

Kammermusik, gegenwärtig Bezeichnung einer Instrumentalmusik für Soloinstrumente. Dem ursprünglichen Wortsinne nach ist sie eine an Höfen und in Palästen der Großen, und zwar im Saale oder Gesellschaftszimmer (camera) veranstaltete Privatmusik, die sich von der öffentlichen Musik in Kirchen und Theatern schon durch tiefer gestimmte, also weniger lärmende Instrumente unterschied. (S. Kammerton.) Häufig waren solche Musiken nur mit Soloinstrumenten, jede Stimme nur durch ein einzelnes Instrument besetzt; durch diese Art der Besetzung wie durch den Ort der Ausführung bildete sich um 1600 der sog. Kammerstil aus im Unterschiede von Kirchen- und Theatermusik. Gegenwärtig pflegt man in Kammermusikaufführungen nur Instrumentalstücke vorzutragen; früher auch Vokalsachen, als Madrigale, Kammerkantaten, Kammerduette u.s.w., überhaupt alles, was nicht an die Kirche und auch nicht durch eine Handlung an die Bühne gebunden war. Außerdem zieht man heutzutage den Kreis der K. noch enger, indem man dazu nur Solostücke für ein oder mehrere Soloinstrumente rechnet, als Solosonate und ihre mehrstimmigen Gattungen, Duo, Trio, Quartett, Quintett u.s.w. für verschiedene Instrumente; ferner alle andern Arten Solostücke am Klavier für ein Streich- oder Blasinstrument, als Klaviersuite, Präludium, Toccate, Phantasie; die ältern und neuern tanzartigen Stücke; Variationen, Salon- und Charakterstücke, Lieder ohne Worte, samt allem, was sonst zum Solospiel gehört. Die Sinfonie, die Ouvertüre, das Konzert, überhaupt alle Werke für volles Orchester sind davon ausgeschlossen. – Vgl. Nohl, Die geschichtliche Entwicklung der K. (Braunschw. 1885); von Wasielewski, Die Violine und ihre Meister (3. Aufl., Lpz. 1893).

Der Kammerstil, durch die Bestimmung der K. für einen engern Zuhörerkreis in kleinerm Raume bedingt, kennzeichnet sich durch eine mehr ins einzelne gehende kunstvolle Ausgestaltung der musikalischen Gedanken. In unserer Zeit ist auch die K. immer mehr in das öffentliche Konzert aufgegangen als kleines oder sog. Kammermusikkonzert und bezeichnet im Gegensatze zu den mit vielen Klangorganen in mehrfacher Besetzung zur Ausführung gebrachten Orchesterwerken solche Musikstücke, die in Komposition und Vortrag das durch Kunst und Feinheit ersetzen müssen, was ihnen an äußerer Mannigfaltigkeit abgeht.

Kammermusiker, Kammersänger, Kammervirtuos, von Fürsten verliehene Titel für besondere Verdienste ausübender Musiker.

Kammerpressen, s. Filterpresse.

Kammerrichter, s. Reichskammergericht.

Kammersäure, s. Schwefelsäure.

Kammersee, s. Attersee.

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