Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kasulkoi; Kasus; Kasyapa

602

Kasulkoi - Kasyapa.

ders wo eine Kollision der Pflichten eintritt, zur Beruhigung des Gewissens entschieden werden sollten. Die ersten Spuren der K., von Kant die "Dialektik des Gewissens" genannt, finden sich bei den Stoikern und den Talmudisten. Im Mittelalter teilte man die K., welche Zweifel und Bedenklichkeiten über den Glauben sowie die Frage nach der Pflichtmäßigkeit oder Pflichtwidrigkeit gewisser Handlungen zu lösen suchte, in drei Teile: eine philosophische K., welche nach den Moralgesetzen der Vernunft unter streitenden Pflichten für die höchste und unerläßlichste entschied, eine theologische oder religiöse K., welche die kirchliche Sittenlehre als göttliches Gesetz zu Grunde legte, und eine juristische K., welche (im Gegensatz zur dogmatischen Methode) nach den im Staat gültigen Rechtsgesetzen entschied, indem sie die nach der verschiedenen Beschaffenheit der Umstände modifizierte Anwendung derselben zu ermitteln suchte. Die bekannteste der kasuistischen Schriften des Mittelalters ist die "Summa" des Raimundus de Pennaforte. Besonders galten die Jesuiten als eifrige Kasuisten; Escobar, Sanchez, Busembaum u. a. stellten schwierige Kollisionsfälle auf und erteilten für dieselben spitzfindig ausgesonnene Ratschläge, welche nicht immer mit dem Sittengesetz harmonierten.

Kasulkoi, Fluß, s. Tschernaja.

Kasus (lat. casus), Fall, Ereignis, Zufall; besonders Fall in grammatischer Beziehung: Beugungsfall eines deklinierbaren Wortes. Wie alle grammatischen Kunstausdrücke, ist auch das lateinische casus die Übersetzung eines griechischen Originalwortes, nämlich ptosis ("Fall"), das Aristoteles einführte, der darunter aber noch ganz allgemein alle abgeleiteten Formen im Gegensatz zur Grundform verstand, daher z. B. auch die Zeiten des Verbums oder sämtliche von einer Wurzel abgeleitete Wörter bei ihm unter diese Kategorie fallen. Erst die Stoiker schränkten den Begriff des K. auf die Abwandlung der Hauptwörter ein. Auch die Unterscheidung zwischen dem Nominativ als "geradem K." oder casus rectus und den übrigen K. als "schiefen K." oder casus obliqui haben schon die Stoiker aufgestellt, wobei entweder das Bild eines bald aufrecht stehenden, bald sich zurückbeugenden Ringers, oder die verschiedene Neigung eines auf einer Ebene stehenden Stiftes auf dieselbe maßgebend war. Diese Ausdrücke und die alten Namen der einzelnen K. sind von der modernen Grammatik beibehalten, im übrigen ist aber die ganze Auffassung von dem Wesen, Gebrauch und der Anzahl der K. durch die Entdeckungen der vergleichenden Sprachforschung (s. Sprache und Sprachwissenschaft) wesentlich umgestaltet worden. Namentlich hat sich herausgestellt, daß die meisten Sprachen eine viel größere Anzahl von K. besessen haben müssen als Latein und Griechisch, und daß auch im Indogermanischen (s. Indogermanen) ursprünglich acht K. existiert haben müssen, die im Sanskrit und Zend noch insgesamt erhalten sind, nämlich: 1) Nominativ ("Nennkasus"), der das Hauptwort nennt, seinen Begriff bezeichnet, deutsch Werfall; 2) Genitiv oder Genetiv ("Erzeugungskasus", eine falsche lateinische Übersetzung des griechischen Originalausdrucks genike, "allgemeiner K."), der die Gattung oder das Gattungsmäßige im Gegensatz zum Einzelnen, Besondern ausdrückt, deutsch Wessenfall; 3) Dativ (wörtlich der "Gebekasus", weil man sagt: "ich gebe dir", lat. do tibi), deutsch Wemfall; 4) Akkusativ (eigentlich "Anklagekasus", wieder eine ungeschickte Übersetzung des entsprechenden griechischen Ausdrucks aitiatike, der den vierten K. ganz passend als den bei den Verben des Verursachens stehenden K. bezeichnet), deutsch Wenfall; 5) Vokativ, deutsch Ausrufkasus, streng genommen gar kein K., sondern ursprünglich nur die nackte Stammform des Hauptwortes, die als Ausruf außer aller Beziehung zum Satz steht (im Griechischen und Latein fällt jedoch seiner Form nach der Vokativ vielfach, in den neuern Sprachen immer mit dem Nominativ zusammen). Die bisher genannten K. sind auch dem Griechischen und Deutschen eigentümlich, dagegen kommt 6) der Ablativ (wörtlich "Nehmekasus") außer dem Sanskrit und Zend nur dem Latein zu. Er drückt außer dem Begriff der Beraubung auch den des Entfernens aus und steht im allgemeinen auf die Frage: woher? Wie dem Griechischen und Deutschen, gehen auch dem Latein ab 7) der Instrumentalis und 8) der Lokativ, die sich nur im Sanskrit und Zend vollständig erhalten haben. Ersterer steht auf die Frage: womit? letzterer auf die Frage: wo? Überreste von den drei zuletzt genannten K. haben sich indessen in allen indogermanischen Sprachen erhalten, namentlich in Gestalt von Adverbien, und ferner sind ihre Bedeutungen nicht verschwunden, sondern auf die übrigen K. übergegangen. Auf diese Weise sind in den meisten europäischen Sprachen sogen. Mischkasus entstanden, und zwar hat im Deutschen der Genitiv die Bedeutungen des Ablativs, der Dativ die des Instrumentalis, des Lokativs und teilweise auch die des Ablativs mit übernommen; ebenso sind die lateinischen und griechischen K. teilweise als Mischkasus anzusehen, und es erklärt sich so ein großer Teil der Bedeutungen der K. in diesen Sprachen. Welche Bedeutungen haben aber der Genitiv, Dativ und Akkusativ da, wo keine Einwirkung der übrigen, verloren gegangenen K. auf sie anzunehmen ist? Offenbar haben sie viel allgemeinere Bedeutungen als letztere, und zwar bezeichnet der Akkusativ das direkte Objekt eines Verbums und steht insofern in direktem Gegensatz zum Nominativ, der das Subjekt ausdrückt; doch steht der Akkusativ außerdem auf die Fragen: wie lange? wie breit? wie lang? und ähnliche, in denen das Verhältnis des Hauptwortes zum Zeitwort viel unbestimmter gelassen ist. Der Dativ ist der K. des indirekten, entferntern Objekts, steht aber hier und da, namentlich in Verbindung mit Präpositionen, auch auf die Frage: wohin? Der Genitiv ist der "adnominale" K., d. h. er wird von Haus aus und vornehmlich in Verbindung mit einem Hauptwort gebraucht, um die Zusammengehörigkeit mit demselben auszudrücken, z. B. das Haus des Vaters, der Sohn des Vaters; viel seltener steht er bei Verben, und man kann in solchen Fällen regelmäßig ein Hauptwort dazu ergänzen, z. B. Hungers sterben, s. v. w. den Tod des Hungers sterben. Was die Form der K. betrifft, so werden sie in allen Sprachen durch angehängte Endungen, die Kasusendungen, bezeichnet, von denen sich in manchen Fällen noch nachweisen läßt, daß sie einstmals selbständige Wörter waren. Auf spätern Sprachstufen fallen diese Endungen häufig ab, und die K. werden dann entweder durch Artikel und andre selbständige Wörter (der Frau, de la femme) oder bloß durch die Wortstellung (Karl sah mich; ich sah Karl) ausgedrückt. Letztere Methode findet sich auch im Chinesischen und andern Sprachen. Vgl. Hübschmann, Zur Kasuslehre (Münch. 1875).

Kasyapa (Kacyapa), in der ind. Sage Name eines spruch- und zauberkundigen Weisen, kommt in der Sage von Paraçu-Kâma, der sechsten Inkarnation des Wischnu (s. d.), vor. Nachdem die Brahmanen-^[folgende Seite]