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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kleiduchos; Kleidung

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Kleiduchos - Kleidung.

menden, namentlich aber im Mittelalter und in der Renaissancezeit und bis gegen das Ende des 17. Jahrh. erlassenen Gesetze, welche bestimmten, wie eine jede Klasse der Staatsbürger sich kleiden sollte. Da im Übertretungsfall alles durch Geldstrafen gebüßt werden sollte, so waren sie eigentlich immer nur Luxussteuern und fruchteten wenig, zumal sie sehr nachsichtig gehandhabt und häufig abgeändert wurden. Eine Trauerordnung wurde noch 1777 in Preußen erlassen. Vgl. Weiß, Kostümkunde (2. Aufl., Stuttg. 1881 ff.).

Kleiduchos (griech., "Schlüsselhalterin"), Beiname der Pallas als der Herrin von Athen.

Kleidung, die dem Menschen in höhern Breiten für die Erhaltung seiner Gesundheit, ja seines Lebens unentbehrliche Hülle, welche hauptsächlich den Wärmeaustausch zwischen unserm Körper und den ihn umgebenden Medien in zweckmäßiger Weise regulieren soll. Neben diesem Zweck diente die K. stets und überall zum Ausdruck des sich geltend machenden individuellen ästhetischen Gefühls, und so sehen wir die K. bezüglich des Materials, ihrer Farbe und Form beständig schnellstem und mannigfachstem Wechsel unterworfen (s. Kostüm), ohne daß immer den Anforderungen, welche die Gesundheitspflege an die K. zu stellen hat, Genüge geleistet worden wäre. Die von unsrer Haut abgegebene Wärme wird von der Bekleidung aufgenommen, bis zu deren Oberfläche fortgeleitet und dann an die kältere Umgebung ausgestrahlt. Zwischen Haut und K. befindet sich aber eine Luftschicht, und diese nimmt zunächst die Körperwärme auf und erreicht eine Temperatur von 24-30° C. Der Ausgleich der großen Differenz zwischen der Körpertemperatur und der Temperatur der Atmosphäre wird mithin durch die K. von unsrer gefäß- und nervenreichen Haut auf ein lebloses, unempfindliches Stück Zeug verlegt. Je mehr Kleider wir übereinander anziehen, um so mehr verlangsamt sich der Abfluß der Körperwärme, indem sich jede nach außen folgende Hülle zu der unter ihr liegenden verhält wie die unterste Hülle zur Haut. Das Vermögen der K., die Wärme zurückzuhalten, ist nun aber von der Beschaffenheit der Stoffe, aus welchen sie besteht, abhängig. Zunächst kommt das Ausstrahlungsvermögen der Kleidungsstoffe in Betracht, welches aber nach Kriegers überraschenden Versuchsergebnissen bei den einzelnen Kleidungsstoffen (Wolle, Waschleder, Baumwolle, Seide, Leinwand) für dunkle Wärmestrahlen nicht wesentlich verschieden ist und auch für leuchtende Wärmestrahlen keine großen Verschiedenheiten zeigt, sofern die Kleidungsstoffe gleiche Farbe besitzen. Bei weißen oder gleichfarbigen Kleidungsstoffen ergeben sich nämlich für das Ausstrahlungsvermögen folgende Verhältniszahlen: Baumwolle 100, Leinen 98, Flanell 102, Seide 108. Verschieden gefärbte Kleidungsstoffe verhalten sich aber gegen leuchtende Wärmestrahlen ungemein verschieden. Bei Schirting ergaben sich z. B. für Weiß 100, Blaßschwefelgelb 102, Dunkelgelb 140, Hellgrün 155, Dunkelgrün 168, Türkischrot 165, Hellblau 198, Schwarz 208. Diese Zahlen entsprechen der alltäglichen Erfahrung, auffallend ist nur, daß Hellblau dem Schwarz fast gleichwertig erscheint. Die Kleider können offenbar um so weniger Wärme an die Umgebung ausstrahlen, je geringer das Leitungsvermögen der Stoffe ist. Es hat sich aber gezeigt, daß auch das Leitungsvermögen bei den einzelnen Kleidungsstoffen nicht erhebliche Differenzen zeigt. Krieger fand nämlich für die Hemmung des Wärmeverlustes durch Leitung folgende Verhältniszahlen: dünnes Seidenzeug 3, Schirting 5, feine Leinwand 5, dickeres Seidenzeug 6, dickere Leinwand 9, Waschleder 10-12, Flanell 14, Sommerbuckskin 12, Winterbuckskin 16-26, Doppelstoff 25-31. Mithin bildet das entscheidende Moment bezüglich der Leitung nicht sowohl die Substanz als vielmehr die Form und das Volumen (die Dicke) des Kleidungsstoffs. Dies zeigte besonders auch ein Versuch, bei welchem Watte in lockerm und in platt gedrücktem Zustand miteinander verglichen wurde. Bei der zusammengepreßten Watte steigerte sich der Wärmeverlust um 40 Proz. Hiermit steht im Einklang die Erfahrung, daß neuwattierte Kleider wärmer halten als bereits getragene. Es erklärt sich hieraus aber auch die durch Versuche bestätigte Erfahrung, daß ein zweites Kleid über dem ersten den Wärmeverlust sehr stark herabmindert. Eine zweite Hülle, welche von der ersten um 0,5-1 cm absteht, bewirkt eine starke, aber für die verschiedenen Kleidungsstoffe auch wieder ziemlich gleich starke Hemmung des Wärmeabflusses. In Prozenten ausgedrückt beträgt nämlich die Verlangsamung bei Leinwand 32, Schirting 33, Seide 32, Flanell 29, Waschleder 30 Proz. Von größter Wichtigkeit ist nach diesen Versuchen die in unsrer K. eingeschlossene Luftmenge, und es ergibt sich als höchst belangreich für unser Wohlbefinden, daß die K. den Luftwechsel in angemessener Weise reguliert. Von allen Stoffen ist der Flanell am luftigsten. Setzt man seine Durchgängigkeit = 100, so beträgt dieselbe unter fast gleichen Verhältnissen bei mittelfeiner Leinwand 58, Seidenzeug 40, Buckskin 58, Glaceeleder 1 und bei sämischgarem Leder 51. Nun ist bekannt, daß ein wollenes Gewebe von der Lockerheit des Flanells bei bewegter Luft wenig wärmt, offenbar weil der Luftwechsel zu stark ist, daß aber ein überraschend stärkerer Effekt erreicht wird, wenn man den lockern Flanell mit einer auch nur dünnen Schicht eines wenig durchlässigen Stoffes verbindet. Die Ventilation in der K. muß so reguliert werden, daß der Körper sich in windstiller Luft befindet; aber der Luftwechsel soll nicht völlig gehemmt werden wie durch die wasser- und luftdichten Kleidungsstoffe, die uns unerträglich sind, weil sie die Ausdünstung verhindern und die den Körper umgebende Luft sich mit Feuchtigkeit sättigen lassen. Die Feuchtigkeit der in der K. eingeschlossenen Luft ist von großem Einfluß auf den Gesamteffekt, den die K. hervorbringt. Ein auf dem nackten Körper unter der K. getragenes Hygrometer ergibt einen Taupunkt von 25°, und dabei befinden wir uns wohl, während eine Luft, deren Taupunkt bei 19° liegt, beim Einatmen schon die Empfindung der Schwüle hervorbringt. Man kann im Zimmer leicht durch Verdampfen von Wasser eine schwüle Luft hervorbringen und wird dann bei 20° über drückende Hitze klagen, während man in trockner und bewegter Luft ein Kältegefühl empfinden kann. Steigt unter unsrer K. die Temperatur auf 32-35°, und sättigt sich die Luft dabei mit Feuchtigkeit (Verhältnisse, die unter einem Gummimantel sehr leicht eintreten können), dann fühlen wir uns sehr unbehaglich und empfinden erst Erleichterung, wenn die Ventilation in der K. wiederhergestellt wird.

Unsre Kleidungsstoffe sind in sehr verschiedenem Grad befähigt, Wasserdampf aus der Atmosphäre aufzunehmen. Flanell absorbiert im Maximum 175, im Minimum 75 pro Minute, Leinwand nur 111, resp. 41 pro Minute. Dagegen bindet und verliert Leinwand das Wasser viel schneller als Wolle. Je hygroskopischer die K. ist, um so abhängiger sind wir von der relativen Feuchtigkeit der atmosphärischen