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Konträr – Kontribution
denen also nicht die eine Stimme die Melodie führt und die übrigen nur zur harmonischen Füllung dienen, sondern welche melodisch einander so ebenbürtig sind, daß die entstehende Harmonie wirklich als ein Gewebe verschiedener Melodien erscheint. Die beiden Formen, in denen die Art des K. am vollkommensten zur Geltung kommt, heißen Kanon und Fuge.
In der musikalischen Praxis ist der K. zu einer großen Mannigfaltigkeit ausgebildet. Einfacher oder gemeiner K. heißt der musikalische Satz, in dem die Melodie der höhern und tiefern Stimme nicht miteinander vertauscht wird. Können dagegen diese Stimmen miteinander verwechselt und ohne Veränderung ihres Ganges und ohne Verletzung der Harmonie höher oder tiefer gesetzt werden, sodaß z. B. der Gang im Basse, der vorher die Diskantstimme bloß begleitete, nunmehr diese Stimme selbst als Melodie bekommt, oder hingegen die vorige Melodie der Diskantstimme mit dem Gange des Basses, der vorher zur Begleitung diente, vertauscht wird u. s. w., so wird dies der doppelte oder vielfache K. genannt. Weil es bei dem doppelten K. demnach hauptsächlich auf die Versetzung der einen Stimme in ein anderes Intervall ankommt, so giebt es ebenso viele verschiedene Gattungen des K., als Intervalle zu einer solchen Versetzung der Stimmen vorhanden sind. Man hat daher den doppelten K. in der Sekunde oder None, in der Terz oder Decime, in der Quinte oder Duodecime, in der Oktave oder Decima quinta u. s. w.
Die Anfänge der kontrapunktischen Schreibart lassen sich nicht nachweisen; man kann ihre Spuren bis ins frühe Mittelalter verfolgen; im 12. Jahrh. hatte sie bereits eine ziemliche Ausbildung erlangt. Seine erste Glanzperiode erlebte der K. im 15. und 16. Jahrh. durch die großen Kirchenkomponisten, von denen zuerst die Niederländer und sodann die Italiener alle übrigen Nationen überragten. Später thaten es die Deutschen den andern Völkern zuvor, namentlich als Fugenkomponisten. Die besten Werke über den K. schrieben Fux (1725), Marpurg (1753), Paolucci (1705), Martini (1774) und Cherubini (1820), in neuerer Zeit Richter (1872; 7. Aufl., Lpz. 1889), Dehn (2. Aufl., Berl. 1883), Jadassohn (ebd. 1884; 2. Aufl. 1889) u. a.
Konträr (frz.), entgegengesetzt, s. Gegensatz.
Kontraremonstranten, s. Arminianer.
Konträre Sexualempfindung, s. Päderastie.
Kontrariĕtät (lat.), Widerstreit, Hindernis, Widerwärtigkeit; kontrariieren, entgegentreten, entgegenwirken, hindern.
Kontraschulterherein, in der Reitkunst, s. Schulterherein.
Kontrasignatūr (neulat.), s. Gegenzeichnung.
Kontraspiel, Kartenspiel, gewöhnlich unter 4, aber auch 3, 5 oder 6 Personen. 6 Personen spielen mit 32 Blättern, für je eine Person weniger werden je 4 Karten, beim Siebener beginnend, weniger genommen. Jeder der Spieler erhält 5 Karten; die Wenzel (Eichelunter und Grünunter) sind immer die höchsten Trümpfe, dann folgt Aß, König u. s. w. der Trumpffarbe. Zum Gewinnen des Spiels sind 3 Stiche nötig. Wer den Eichelunter genommen und sieht, daß er nicht gewinnen kann, kann die Karte weglegen und sich labet melden; doch muß dies geschehen, bevor ein anderer Kontra sagt. Ein dritter, der mitspielen will und zu gewinnen hofft, ruft Rekontra! Man gewinnt auch schon, wenn man die beiden ersten Stiche macht und die andern drei nicht in einer Hand vereinigt sind.
Kontrást (frz.), Gegensatz, greller Abstand, in der Ästhetik das Nebeneinanderstellen zweier verschiedenartiger und in Hinsicht auf die Wirkung entgegengesetzter Dinge. Der ästhetische Charakter des K. beruht auf dem Umstande, daß jeder Eindruck durch die Gegenüberstellung des entgegengesetzten an Deutlichkeit und Schärfe gewinnt. So verlangt das Licht zur stärkern Hebung den Schatten, der Scherz den Ernst u. s. w. Ein K. ist schreiend, wenn der Übergang aus einem Eindruck in den entgegengesetzten plötzlich und unerwartet geschieht.
Kontrastfarben, diejenigen Farbenerscheinungen, die an sonst farblosen Objekten durch die Gegenwart farbiger Objekte unter besondern Umständen aus physiol. Ursachen hervortreten. Betrachtet man einige Zeit ein rotes Quadrat z. B. auf weißem Grund und wendet dann den Blick dem weißen Grund zu, so sieht man auf letzterm ein grünes Quadrat, also in der Komplementärfarbe (s. d.). Diesen Vorgang nennt man successiven Kontrast. (S. Nachbild.) Ähnliche, gleichzeitige oder simultane Kontraste entstehen, wenn zwei verschieden gefärbte Flächen nebeneinander liegen; es erleiden dann beide durch ihre gegenseitige physiol. Einwirkung eine subjektive Veränderung in der Farbe oder Lichtstärke. Wird auf ein gelbes Papier ein weißes Papierstückchen gelegt, so erscheint letzteres indigoblau, d. i. mit der Ergänzungsfarbe zu der Farbe des größern Papiers. Der reine simultane Kontrast tritt in auffälliger Weise bei doppelter und verschiedener Beleuchtung der Gegenstände auf. Die Kontrastwirkung spielt in der Farbenharmonie (s. d.) eine wichtige Rolle.
Kontrastimulismus (neulat.), s. Gegenreiz.
Kontrasubjekt (neulat.), in der Musik das zweite von der Hauptstimme der Fuge angeschlagene Thema, das den ersten Eintritt des Gefährten (s. d.) begleitet. In der Doppelfuge wird dieses K. beibehalten und durchgeführt.
Kontratempostöße, Kontre à Tempostöße, Stöße beim Fechten, die gleichzeitig mit einem Stoß des Gegners ausgeführt werden. Die feindliche Klinge muß weggedrückt werden und abgleiten, während man den ausfallenden Gegner auflaufen läßt.
Kontravallationslinien, s. Einschließung.
Kontravenient, s. Kontravention.
Kontravention (neulat.), im allgemeinen Sinne jedes Zuwiderhandeln gegen ein gesetzliches (polizeiliches) Gebot oder Verbot, sowie eine Verletzung vertragsmäßig übernommener Verpflichtungen, für welchen Kontraventionsfall der Zuwiderhandelnde (Kontravenient) meist eine Konventionalstrafe (s. d.) zu zahlen hat. Im engern Sinne und vorzugsweise bezeichnet man aber damit die Klasse der geringsten Straffälle, die Übertretungen (s. d.).
Kontraviolon (spr. -óng), s. Kontrabaß.
Kontrazettel (engl. voucher), in Geschäftshäusern der Zettel, auf dem die der Kasse entnommenen Gelder stehen, welche nicht sofort in das Cassabuch (s. d.) eingetragen werden, und der in die Kasse gelegt und als Geld verrechnet wird, bis die definitive Buchung erfolgt.
Kontre…, s. Konter….
Kontribuieren (lat.), beisteuern, beitragen; Kontribuént, Beisteuernder, Steuerpflichtiger.
Kontribution (lat.), gemeinschaftlicher Beitrag, seit dem Ausgange des Mittelalters eine nach
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