Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lederschwamm; Lederstecken; Lederstrauch; Lederstulpdichtung; Ledertange; Ledertapeten

613

Lederschwamm - Ledertapeten.

der spätgotischen Zeit nimmt die Technik einen lebhaften Aufschwung; die Schmuckkästchen für vornehme Damen werden gern in dieser Weise geziert, vielfach mit profanen Darstellungen, Liebesszenen, der Königin Minne etc. Nach dieser Periode scheint der L. an vielen Orten zurückgetreten oder gänzlich erloschen zu sein; nur in Spanien und Portugal lebte er fort und gelangte hier zu hoher Blüte. Taschen, Flaschenfutterale, vor allem aber Möbel- (Stuhl-) Bezüge wurden hier in Mengen gefertigt, vielfach auch ausgeführt. Von hier gelangte der L. zur Zeit seiner Blüte nach den spanischen und portugiesischen Kolonien, nach Südamerika, und während er endlich auch im Mutterland, zuletzt in Europa, erlosch, lebte er in den Kolonien weiter bis in unsre Tage. Mit Vorliebe verzierte man dort Sättel, Reitzeug, überhaupt Pferdegeschirr in dieser Technik. Derartige Arbeiten erschienen auf den Weltausstellungen und veranlaßten das Wiederaufleben der Technik in Europa. Wunder in Wien erfand dieselbe selbständig von neuem und brachte sie mehrfach zur Anwendung. Vor allen andern haben aber Hulbe in Hamburg und Hupp in Schleißheim die alte Technik zu neuen Ehren geführt. Letzterer fertigt mit Vorliebe Arbeiten in altem Charakter, ersterer moderne Gebrauchsgegenstände in der alten Technik von vollendetster Ausführung. Die Technik wird jetzt vorzugsweise bei Bücher- und Albumdeckeln, Zigarrentaschen, Portemonnaies, Schreibmappen, Handschuhkasten, Photographierahmen, Serviettenbändern u. dgl. angewendet. Man verfährt jetzt so, daß die Vorlagen auf Pauspapier durchgezeichnet und von diesem auf das angefeuchtete Rindsleder übertragen werden. Die in halber Dicke des Leders eingeritzten Umrisse werden durch Nachfahren mit einem stumpfen Stift erweitert. Der Grund um die Zeichnung herum wird mit einem löffelartigen Instrument niedergedrückt. Bei hohem Relief wird das herausgedrückte Leder hinten mit Wachs ausgefüllt oder mit Leim stark bestrichen. Die größte Sammlung alter geschnittener Lederarbeiten besitzt Friedrich Spitzer in Paris. Vgl. Niederhöfer, Vorlagen für Lederschnittarbeiten (Frankfurt a. M. 1887, mit ausführlicher Anleitung zur Erlernung der Technik); Horn und Patzelt, Vorlagen für geschnittene und gepunzte Lederarbeit (Gera 1887).

Lederschwamm, s. Schwämme.

Lederstecken, früher übliche Bezeichnung für Fontanellsetzen, weil man bei unsern Haustieren zur Erzeugung eines künstlichen Geschwürs im Unterhautbindegewebe in der Regel ein mit Werg umwickeltes Lederstückchen benutzt, welches durch Befeuchtung mit Terpentinöl oder Bestreichen mit Spanischfliegensalbe noch reizender gemacht wird.

Lederstrauch, s. v. w. Gerberstrauch, s. Coriaria.

Lederstulpdichtung, s. Liderung.

Ledertange, s. v. w. Fukaceen, s. Algen 10).

Ledertapeten, Tapeten aus Leder zur Wandbekleidung, auch zu Möbelbezügen und Ähnlichem, denen ein Muster in Farben, Gold oder Silber aufgepreßt ist. Das geschmeidig gemachte Leder wird in gleichgroße Stücke geschnitten, auf gleiche Stärke gebracht und mit Blattsilber belegt, auf welches ein Goldfirnis in mehreren Schichten aufgetragen wird. Sollen einzelne Teile der Musterung in Silber erscheinen, so wird die Zeichnung schnell aufgetragen und der noch feuchte Firnis an jenen Stellen wieder abgezogen. Nun wird mittels einer Holzwalze die Musterung eingepreßt, und die bessern Tapeten werden schließlich auf der Oberseite noch mit Bunzen bearbeitet, wodurch die glatten Goldflächen einen reichen Glanz mit spielenden Lichtern bekommen. Nach dem Pressen wird die Musterung oder der Grund ausgemalt, so daß erstere farbig auf Metallgrund oder silbern, resp. goldig auf farbigem Grund erscheint. Gebunzt wird nur die Metallfläche. Übrigens werden in größere eingerahmte Stellen ganze Gemälde hineingesetzt. Diese technischen Prozeduren waren seit alter Zeit überall die gleichen; wir besitzen genaue Beschreibungen derselben von französischen Autoren 1708 und 1762, von italienischen 1564. Andeutungen über die spanische Fabrikation stimmen damit überein. Die Muster der alten L. lehnen sich (sofern man nicht die Wand als ein Ganzes betrachtete und die Verzierung eigens für dieselbe komponierte) an die Webmuster an, machen alle Stilwandlungen der Weberei mit und erhalten sich bis zum Absterben der Kunst. Bei Einzelstücken fertigte man meist die Muster für den bestimmten Fall. Als solche Einzelstücke kennen wir teils in Originalen, teils aus alten Nachrichten: Antependien (Vorsatzstücke vor den Altar), wo das dauerhafte Leder als Ersatz für Stoffe und Stickerei dient, Kirchengewänder (Kaseln), Bettschirme, spanische Wände, Decken, Möbelbezüge, Banner, selbst Spielkarten, ferner wirkliche Bilder, in flachem Relief gepreßt, wohl aus Italien. - Die L. sind eine unzweifelhaft maurische Erfindung, die in Spanien in hoher Blüte stand, vielleicht dort ihren Ursprung hat. Einzeln wird auch Messina als Stammort der Erfindung bezeichnet, also auch ein Ort mit altmaurischer Kultur. Bereits 1180 fand sich in Frankreich die auch noch heute übliche Bezeichnung Korduan (von Cordova); in Spanien heißen die L. "guadamacil"; 1316 bestand bereits in Barcelona eine Zunft der guadamacileros. Nach der Vertreibung der Mauren aus Spanien blühte die Industrie, zum Teil durch fremde Arbeiter betrieben, weiter; im 16. Jahrh. war Cordova als der eigentliche Mittelpunkt derselben anerkannt. Noch 1779 bestand zu Barcelona eine Innung, als die Kunst anderwärts bereits verfallen war. In Italien wurden schon vor 1520 L. (corami d'oro) gearbeitet, wohl von Sizilien aus eingeführt. Dann übernahm Venedig die Führung auf diesem Gebiet, wo die engen Beziehungen zum Orient andauernd Einfluß auf die Musterung ausübten. In den Niederlanden, wo man wohl spanischen Einfluß anzunehmen hat, war die Kunst im 17. Jahrh. sehr verbreitet. Mecheln wird als Hauptfabrikationsort genannt. Von hier kam die Kunst nach Frankreich; schon unter Heinrich IV. werden dort Manufakturen erwähnt. Doch erfreuten sich die französischen L. keiner besondern Beliebtheit; man mußte sie als flandrische ausgeben, um sie an den Mann zu bringen. 1762 war die Fabrikation so gut wie erloschen. Deutschland besaß im 17. und 18. Jahrh. viel L., doch ist ihre Herkunft noch unsicher. Es scheint, als habe man erst zu Ende des 18. Jahrh. in Augsburg die Herstellung der L. gelernt. Die englischen L. des 18. Jahrh. waren wegen der Vortrefflichkeit ihrer Muster berühmt. Im letzten Drittel des 18. Jahrh. wurden die L. von Kattuntapeten verdrängt, welche wieder den Papiertapeten weichen mußten. In neuester Zeit ist die alte Technik wieder aufgenommen worden, doch begnügt man sich heute meist mit Nachahmungen in einer dicken Papiermasse; nur auf Verlangen werden die ziemlich kostspieligen echten L. mit denselben Stempeln hergestellt. In Deutschland werden heute weitaus die besten derartigen Arbeiten gefertigt, namentlich von Lieck u. Heider in Berlin und Engelhardt in Mannheim; Balin in Paris und Jef-^[folgende Seite]