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Lederfeilen - Lederschnitt.
man in der Schweiz durch Wasser getriebene Hämmer zum Verdichten des Sohlleders benutzt; später ging man zu Vertikalhämmern über und ließ in der Folge den Stempel nicht mehr schlagend, sondern drückend wirken. Auch die Konstruktion der Lederspaltmaschinen datiert aus dem vorigen Jahrhundert. Knapp beschäftigte sich seit Anfang der 50er Jahre mit der Benutzung von mineralischen Substanzen zur Darstellung von L. und nahm 1861 ein Patent auf sein Verfahren. Größere praktische Bedeutung gewann die Mineralgerberei aber erst in neuester Zeit, namentlich auch durch die Bemühungen von Heinzerling, welcher zuerst chromgares L. darstellte. In den letzten Jahren ist ein sicherer Weg zur Hebung der Gerberei angebahnt worden, zunächst in Österreich durch Gründung einer Versuchsstation für Lederfabrikation, auf welcher wissenschaftliche Untersuchungen ausgeführt werden, und die zugleich einen Zentralpunkt bilden soll für die Aussendung von Wanderlehrern etc. Gegenwärtig bildet die Lederfabrikation im Deutschen Reich einen der umfänglichsten und wichtigsten Industriezweige. Schwere Sohlleder von vorzüglicher Qualität werden meist nach dem alten Verfahren in den Rhein-, Mosel- und Eifelgegenden, in Hannover, Berlin, Straßburg, Nürnberg und Passau dargestellt, in Norddeutschland mehr aus importierten Wildhäuten, in Süddeutschland aus einheimischen Häuten. In lackiertem L. und Kidkalbleder nimmt Deutschland die erste Stelle ein; beide Lederarten werden hauptsächlich in München, Mainz und Worms, erstere auch in Offenbach dargestellt. Gegenwärtig werden in Deutschland wohl 2,25 Mill. Kalbfelle auf Kalbkid verarbeitet, und mehr als zwei Drittel dieser Produktion werden exportiert. Im ganzen dürften an 5,5 Mill. Kalbfelle verarbeitet werden, davon in Worms 2,3 Mill., in Mainz 450,000, in München 600,000, in Dresden 800,000 Stück. Mit gefärbtem L., besonders den feinern und feinsten Sorten, versieht Deutschland alle Kulturstaaten. Die Hauptsitze dieser Industrie sind Mainz, Frankfurt a. M., Berlin, Homburg, Bonames, Mülhausen, Straßburg, Lahr, Köln, Kirn, Kalw, Königsberg i. Pr. Es werden über 7 Mill. Ziegen- und Schaffelle jährlich verarbeitet, wovon auf Mainz allein 916,000 Stück kommen. Eine Spezialität der deutschen Lederindustrie ist das Roßleder, welches namentlich in der Provinz Hannover, in Harburg, dann in Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Merseburg, Perleberg und Plauen dargestellt wird. Vorzügliches leistet Großbritannien in der Gerberei; namentlich ist sein Sattlerleder, Schweins- und Sohlleder berühmt, und auch die Bereitung der farbigen L. wird mit außerordentlichem Luxus betrieben. Die Hauptproduktionsorte sind vor allen London, dann Birmingham, Bristol, Leeds, Stowmarket (Suffolkshire). Frankreich übertrifft alle andern Staaten in der Handschuhlederfabrikation (Annonay, Chambéry, Paris) und ist auch für das feinere Oberleder tonangebend. Von Lackleder liefert es nächst Deutschland die größten Quantitäten. In Österreich ist die Gerberei sehr entwickelt, und manche Fabrikate stellen sich den besten ausländischen an die Seite; aber die Produktion deckt, namentlich in feinern Sorten, nicht den einheimischen Bedarf. Rußland hat viele Gerbereien in den Gouvernements Warschau, Saratow, Wolhynien, Perm, Nishnij Nowgorod und Witebsk; berühmt ist sein Juftenleder (s. d.), welches besonders in den Gouvernements Twer und Kostroma dargestellt wird. Außerdem liefert Rußland vortreffliches feines Kalbleder. Eine hoch entwickelte Lederindustrie haben endlich auch Dänemark (Kopenhagen) und Belgien (Brüssel, Lüttich, Stavelot, Gent, Iseghem und Tournai). Nordamerika fertigt vortreffliche L. und ist durch den großen Export von billigem Hemlockleder auch für die deutsche Lederindustrie wichtig geworden.
Vgl. Günther, Fabrikation des lohgaren Leders (Weim. 1867); Derselbe, Lehrbuch der Glaceehandschuhleder- und der Kalbkidlederfabrikation (Leipz. 1874); Lietzmann, Die Herstellung der L. (2. Aufl., Berl. 1875); Hausner, Textil-, Kautschuk- und Lederindustrie (Wien 1876); Heinzerling, Grundzüge der Lederbereitung (Braunschw. 1882); Beller, Handbuch der Glaceelederfärberei (2. Aufl., Weim. 1880); Höhnel, Die Gerberrinden (Berl. 1880); Wiener, Die Lederfärberei und die Fabrikation des Lackleders (Wien 1881). Zeitschriften: "Deutsche Gerberzeitung" (Berl., seit 1858), "Gerberzeitung" (das., seit 1858), "Der Gerber" (Wien, seit 1875); "Der Gerber" (Hamb., seit 1886); "Der süddeutsche Gerber" (Waldsee in Württemberg, seit 1875).
Lederfeilen, mit weichem Leder bekleidete Holzstäbchen, dienen zum Polieren.
Lederhaut, s. Haut, S. 231.
Lederholz, Pflanzengattung, s. Dirca.
Lederleinwand, s. Dowlas.
Lederöl (Wiederholdsches L.), ein wegen seiner Leichtflüssigkeit zum Erweichen hart gewordenen Leders trefflich geeignetes Schmiermaterial, welches man nachbilden kann, indem man 16 Teile Ölsäure (welche in den Stearinfabriken als Abfall erhalten wird) mit 2 Teilen Alkohol von 90 Proz. und 1 Teil konzentrierter Schwefelsäure erwärmt. Es scheidet sich hierbei Ölsäureäther ab, den man durch Schütteln mit warmem Wasser von der Säure befreit und dann mit dem gleichen Gewicht Fischthran mischt.
Lederpapier, aus Lederabfällen gefertigtes Papier.
Lederschmiere, s. v. w. Dégras.
Lederschnitt, Verzierungsweise des Leders, bei welcher die Musterung nicht durch Pressung, sondern durch Ein- oder Ausschneiden der obern Schicht des Leders hergestellt wird (geschnittenes oder gerissenes Leder). Das Leder wird meist durch heiße Dämpfe erweicht und dann das Muster einfach eingeritzt, wobei der Riß auseinander klafft und die Musterung in einfachen Umrissen erscheint, oder die Zeichnung wird umrissen und der Grund, auf dem das Muster erscheinen soll, mit Bunzen tief geschlagen, genarbt oder in ähnlicher Weise behandelt. Auch wird die obere Lage der Haut abgezogen, so daß das Muster in ganz flachem Relief erscheint. Seltener kommt ein förmliches Treiben in Leder vor, meist wird das Muster eingeritzt und das Relief durch Unterschieben und Unterlegen von Linsen, halben Erbsen etc. in verschiedener Höhe erreicht. Auch werden wohl umgekehrt die Bunzen, Filets oder Stanzen erhitzt und mittels derselben das Leder bearbeitet. Die in dieser Weise bearbeiteten Gegenstände haben den Vorteil, daß die Musterung nicht wie beim gepreßten Leder verschwindet. Der L. findet sich schon früh im Orient; man verzierte hier allerlei Geräte in dieser Weise, selbst Pfeilköcher, Pulverflaschen u. a.; aber schon im frühsten Mittelalter wurde auch in Europa der L. auf Futterale für heilige Gefäße, Kästchen, Bestecke, vor allem aber Bucheinbände angewandt. Die ältesten Arbeiten zeigen nur umrissene Zeichnung, so ein Kasten aus dem Dom zu Merseburg (11.-12. Jahrh.) im Kunstgewerbemuseum zu Berlin. Sodann folgt das teilweise Entfernen des Grundes, später das Unterlegen. Die Kasten sind vielfach mit Metall beschlagen, welches das einfarbige Leder zu heben bestimmt war. Mit