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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Lehmbau - Lehnin.

wirtschaftlichen Abteilung an der technischen Hochschule und an derselben die ordentliche Professur der Agrikulturchemie übertragen. Ende 1879 trat er in den Ruhestand und lebt jetzt in Dresden. L. widmete sich namentlich Untersuchungen über Pflanzen- und Tierernährung und lieferte auch mehrere analytische Arbeiten. Seine Methode des Verbackens des Mehls aus ausgewachsenem Roggen zu einem völlig normalen, lange Zeit haltbaren Brot ist von großer Bedeutung für die Volksernährung.

9) Lilli, Sängerin, geb. 24. Nov. 1848 zu Würzburg als die Tochter der Sängerin und Harfenvirtuosin Marie L.-Löwe, trat zum erstenmal in Prag als erster Knabe in der "Zauberflöte" auf und gab schon kurze Zeit darauf auch die Pamina. 1868 folgte sie einem Engagementsanerbieten nach Danzig und ging zwei Jahre später an das Stadttheater nach Leipzig, welches sie in kürzester Frist mit der Hofbühne in Berlin vertauschte, wo sie 1876 zur königlichen Kammersängerin ernannt wurde. Im Frühjahr 1886 begab sie sich zu einer Gastspieltournee nach Nordamerika, von wo sie, mit eigenmächtiger Verlängerung ihres Urlaubs, erst im Spätsommer d. J. zurückkehrte, was ihre Entlassung aus dem Verband der Berliner Hofbühne zur Folge hatte. Lilli L., die technisch ebenso wohlgeschult wie künstlerisch reich veranlagt ist, hat sich im lyrischen, sentimentalen, komischen und heroischen Fach in gleichem Maß bewährt (Königin der Nacht, Venus, Baronin im "Wildschütz", Valentine, Fidelio, Walküre). - Ihre Schwester Marie, ebenfalls Sängerin, geb. 15. Mai 1851 zu Hamburg, betrat die Bühne zuerst in Leipzig, war 1872-73 am Hamburger, dann am Kölner, 1878-79 am Breslauer Stadttheater engagiert und wurde 1879 Mitglied des Landestheaters zu Prag, von wo sie 1881 zum Hofoperntheater in Wien überging. Sie gefällt vornehmlich als Darstellerin ernster und schwärmerischer Charaktere.

Lehmbau, s. Mauer und Piseebau.

Lehmformerei, s. Gießerei und Eisengießerei.

Lehmguß, das Gießen der Metalle in Lehmformen.

Lehmmörtel, s. Mörtel.

Lehmschindeln (Streichschindeln), s. Dachdeckung, S. 401.

Lehmschlag, s. v. w. Lehmbau.

Lehmsteine, s. Mauersteine.

Lehnbuch, ein öffentliches Buch, in welchem die Lehnsgerechtsame und Lehngrundstücke einer Kirche oder geistlichen Pfründe verzeichnet sind, die vorkommenden Lehnsfälle eingetragen sowie auch die Lehnstücke ab- und zugeschrieben werden; auch Bezeichnung für öffentliche Bücher überhaupt, in welchen die in einer Flurgemarkung belegenen, früher lehnbaren Grundstücke verzeichnet sind. An die Stelle derselben sind jetzt die Grundbücher (s. d.) getreten.

Lehner, s. v. w. Viertelhofsbesitzer, s. Bauer, S. 462.

Lehngeld, s. Laudemium.

Lehngericht (Mannengericht), im Mittelalter das unter dem Vorsitz des Lehnsherrn zusammentretende Gericht, welches in Lehnssachen Recht sprach. Als Schöffen fungierten diejenigen Vasallen oder Mannen des Lehnsherrn, welche Lehen von der gleichen Gattung innehatten wie dasjenige, welches bei dem Rechtsstreit in Frage kam, und die eines und desselben Standes waren wie der vor das Gericht gezogene Lehnsträger (Pares curiae). Der Ausdruck L. wurde wohl auch auf das Lehnsgut übertragen, mit welchem eine solche Gerichtsbarkeit verbunden war, und so kommt es, daß L. in manchen Gegenden noch heutzutage ein Rittergut bezeichnet.

Lehnin (in ältern Urkunden Lenyn), Marktflecken im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Zauch-Belzig, an mehreren Seen, welche durch die schiffbare Emster zur Havel abfließen, mit Ziegelbrennerei und (1885) 2100 evang. Einwohnern, ist durch die schönen Ruinen des vom Markgrafen Otto I. 1180 gestifteten Cistercienserklosters Himmelpfort merkwürdig. Das Geschlecht der Askanier hatte hier seine Fürstengruft. Joachim II. hob 1542 das Kloster auf und entließ die Mönche mit einem Gnadengehalt von 30 Gulden; der Große Kurfürst fand L. schon in Ruinen und benutzte einen Teil der Steine zum Bau eines Schlosses. Am 18. Jan. 1871 befahl Kaiser Wilhelm den Wiederaufbau der Klosterkirche, der 1879 beendet wurde. Vgl. Heffter, Geschichte des Klosters L. (Brandenb. 1851); Sello, L., Beiträge zur Geschichte von Kloster und Amt (Berl. 1881). - Die allgemeine Aufmerksamkeit erregte zu verschiedenen Zeiten die angeblich um 1300 in 100 lateinischen leoninischen Versen verfaßte sogen. Lehninsche Weissagung ("Vaticinium Lehninense"), deren Verfasser der Mönch Hermann sein soll. Der allgemeine Inhalt ist eine Klage über das Erlöschen der Askanier und das Aufkommen der Hohenzollern, dann aber eine Charakteristik jedes einzelnen Regenten aus dem letztgenannten Haus bis auf das elfte Geschlecht. Den Schluß macht die Prophezeiung, daß nach dem Herrscher des elften Geschlechts, der Stemmatis ultimus sein werde, die Herde den Hirten und Deutschland den König wiederempfangen werde. Die Sprache ist etwas gekünstelt und mitunter unklar, das Versmaß korrekt. Das Gedicht tauchte zuerst Ende des 17. Jahrh., um 1690, in Handschriften auf und wurde im geheimen verbreitet. Zum erstenmal gedruckt erschien es in dem "Gelahrten Preußen" (Königsb. 1723). Eine 2. Ausgabe ohne Angabe des Druckorts kam 1741 heraus, eine 3. mit den Druckorten Berlin und Wien 1745, eine 4. in Frankfurt und Leipzig 1746, also alle während der ersten Regierungsjahre Friedrichs d. Gr. Zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs wurde 1758 in Bern abermals ein Abdruck veranstaltet. Seitdem schien der Bruder Hermann vergessen zu sein, bis das Unglück Preußens nach Jena und Tilsit sein Andenken auffrischte. Da erschien 1808 mit Angabe der Druckorte Frankfurt und Leipzig eine Schrift: "Hermann von L., der durch die alte und neueste Geschichte bewährt gefundene Prophet des Hauses Brandenburg". Der Verfasser dieser äußerst seltenen Schrift hielt die Prophezeiung durch den Sturz Preußens für erledigt und mithin den damaligen König Friedrich Wilhelm III. für den Stemmatis ultimus. Neues Aufsehen machte die 1827 von Bouverot herausgegebene Schrift: "Extrait d'un manuscrit relatif à la prophétie du frère de L.", die von W. v. Schütz unter dem Titel: "Weissagung des Bruders Hermann von L." (Würzb. 1847) deutsch bearbeitet wurde. Ebenfalls Parteizwecken dienten die Ausgaben des Gedichts von Boost (Augsb. 1848), Wilhelm Meinhold (Leipz. 1849), Rösch (Stuttg. 1849); vgl. die kritischen Schriften von Guhrauer (Berl. 1850), Gieseler (Erf. 1850) und M. Heffter (s. oben). Neuerdings, namentlich seit Gründung des Deutschen Reichs und Beginn des Kirchenkonflikts, haben sich die Ultramontanen wieder einmal des Vaticinium bemächtigt, um, wie die Demokraten 1848, den bevorstehenden Untergang des preußischen Königshauses und den Sieg des Papsttums daraus abzuleiten. Daß die Weissagung eine Fälschung ist, unterliegt keinem Zweifel. Während die Regenten bis zum Großen Kurfürsten richtig bezeichnet und charakte-^[folgende Seite]