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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Loretten; Lorgnette; Lorgnon; Lorgues; Lori; Lorica; Lorient

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Loretten - Lorient.

grund die im Äußern festungsartige Kirche (1464-1587 von Majano und Bramante erbaut) erhebt, mit der Bronzestatue Sixtus' V. von Calcagni (1588) vor der Fassade, drei Erzthüren mit berühmten Reliefs und dem unter der Kuppel befindlichen hochgefeierten Heiligtum, der Santa Casa. Dieses 13½ m lange, 9 m breite und 11 m hohe "heilige Haus" ist nach der Legende dasjenige, welches Maria zu Nazareth bewohnte und das Engel 1291 nach Tersat (bei Fiume), von da 1294 in einen Wald bei Recanati (unfern L.), endlich 1295 an den jetzigen Ort brachten. Die Verehrung dieses Heiligtums begann jedoch erst um 1400. Das Äußere der Santa Casa ist mit Marmor bekleidet und mit herrlichen Reliefs von Andr. Sansovino u. a. geschmückt; der Innenraum, nur 5½ m hoch, bildet eine Kammer mit reichgeschmücktem Altar und dem über 1 m hohen, aus Zedernholz geschnittenen, mit Gold und Edelsteinen besetzten Madonnenbild mit dem Kinde, das die Sage dem Apostel Lukas als Verfertiger zuschreibt. Die Zahl der Wallfahrer (ehemals bis 200,000) beträgt auch jetzt noch jährlich 50,000. Aus dem in der Santa Casa sich ansammelnden Staub wurden mit Wasser und Beimischung von Thon kleine Becher, Schalen etc. angefertigt, welche die Madonna mit dem Kind oder die Santa Casa in roher Malerei blau auf gelb zeigten und, mit dem Klostersiegel versehen, den Pilgern als Andenken mitgegeben wurden. In der Santa Casa werden auch die noch übrigen, von Orazio Fontana angefertigten und bemalten Apothekergefäße von Urbino (ca. 1560), eine keramische Seltenheit, aufbewahrt. Vgl. Martorelli, Teatro istorico della santa casa (Rom 1732-35, 3 Bde.); M. Leopardi, La santa casa (Lugano 1841).

Loretten, in Paris lange Zeit die gewöhnliche Benennung leichtfertiger Mädchen aus den niedern Ständen, welche aus Genuß- und Putzsucht von der Liebe leben und sich von den Grisetten (s. d.) durch einen gewissen Grad von Luxus unterscheiden. Der Name L., welcher in dieser Bedeutung schon im 16. Jahrh. vorkommt, wurde in neuerer Zeit besonders von Alphonse Karr in seinen "Guêpes" in Umlauf gebracht; er soll daher stammen, daß diese Frauenzimmer meist in der Nähe der Kirche Notre Dame de Lorette wohnten. Lorettendrama, eine durch Alexander Dumas (Sohn) in Aufnahme gekommene Gattung von Bühnenstücken, deren Süjet dem Leben und Treiben der Pariser L. entlehnt ist, und denen die L. wiederum die ihnen später beigelegten Benennungen Dames aux camélias und Filles de marbre verdanken. In neuester Zeit nennt man sie in Frankreich Kokotten. Ihre Erscheinung fand in den Zeichnungen Gavarnis typische Darstellung.

Lorgnette (franz., spr. lornjett), Brille ohne Stangen, die also nicht beständig getragen, sondern nur zu jeweiligem Gebrauch vor die Augen gehalten wird, meist mit Federscharnier in der Mitte zum Zusammenklappen (der Franzose versteht unter L. ein kleines Fernrohr); lorgnettieren, etwas durch eine L. betrachten.

Lorgnon (franz., spr. lornjóng), s. v. w. Monokel, Augenglas für Ein Auge.

Lorgues (spr. lorgh), Stadt im franz. Departement Var, Arrondissement Draguignan, hat Marmorbrüche, Olivenöl-, Tuch-, Hanfleinwand- und Fayencefabrikation und (1881) 3066 Einw.

Lori (Faulaffe, Stenops Illig.), Gattung aus der Ordnung der Halbaffen und der Familie der Lemuriden (Lemurida), kleine, zierliche Tiere mit schmächtigem, schwanzlosem Leib, großem Kopf, dünnen, schlanken Gliedmaßen, spitzer, kurzer Schnauze, sehr großen Augen, mittelgroßen Ohren, sehr verkürztem Zeigefinger, langem vierten Finger und scharfer, langer Kralle am hintersten Finger. Die Loris sind die Faultiere unter den Affen. Ihre wenigen Arten bewohnen Ostindien und die benachbarten Inseln. Der schlanke L. (Stenops gracilis v. d. Höv., s. Tafel "Halbaffen") ist ein niedliches Tierchen, nur 25 cm lang, mit langem, seidenweichem, rötlich fahlgrauem und gelblichbraunem, unten hellerm Pelz. Er bewohnt die Wälder von Ceylon, schläft den Tag über in Baumhöhlungen und kommt erst des Abends hervor. Seine Lebensweise ist noch ziemlich unbekannt, da er selten gesehen wird. Der plumpe L. (S. tardigradus L.) ist 35 cm lang, untersetzter gebaut als der vorige, mit dichtem, weichem, fast filzartigem Pelz, oben bräunlichgelb, unten heller, an der Außenseite rötlich. Er bewohnt die einsamsten Wälder des ostindischen Festlandes und der Sundainseln, lebt in kleinen Familien zusammen, verschläft den Tag in Baumlöchern und geht nur nachts seiner Nahrung nach. Seine geistige Begabung ist sehr gering. Bei den Eingebornen Javas ist er gefürchtet.

Lorica (lat.), der Lederpanzer der römischen Legionarier, bestand aus Riemen (lora) von Sohlenleder mit Metallbeschlag, die so übereinander befestigt waren, daß sie ein Leibstück und zwei Schulterstücke bildeten; unter denselben war in der Herzgegend ein Eisenblech von 24 cm Höhe und Breite angebracht (s. Abbildung). In den frühern Bürgerkriegen trugen die Vermögendern auch Kettenpanzer (L. hamata) und Schuppenpanzer (L. squamata).

^[Abb.: Römischer Legionarier in der Lorica (Severusbogen).]

Lorient (spr. loriang), Arrondissementshauptstadt und Seeplatz im franz. Departement Morbihan, an der buchtartigen Mündung des Scorff und Blavet in den Atlantischen Ozean und an der Eisenbahnlinie Savenay-Landerneau, ist ein wichtiger Kriegshafen, Festung zweiten Ranges und der hervorragendste Platz für den Schiffbau der Kriegsmarine. Es hat breite, gerade Straßen, große, schöne Plätze, angenehme Promenaden und einen prachtvollen u. sichern, von schönen Kais eingeschlossenen Hafen, in welchem Schiffe vom größten Tonnengehalt einlaufen und löschen können. Die Zahl der Einwohner beträgt (1886) 33,014 (als Gemeinde 40,055). L. besitzt ein Etablissement für den Bau von Dampfmaschinen, Gießereien, Eisenhämmer, Lederfabrikation und ansehnlichen Fischfang, namentlich auf Sardinen, für welche auch hier die im Handel gebräuchlichen Büchsen verfertigt werden. Seit 1815 wurden hier große Hafenarbeiten ausgeführt; bemerkenswert sind insbesondere die großen Docks von Caudan am linken Ufer des Scorff, welche einen Raum von 157,000 qm umfassen, 9 Werften für die Konstruktion großer und 2 für den Bau kleinerer Schiffe enthalten und mit den übrigen Hafenetablissements 2500 Arbeiter be-^[folgende Seite]