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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mornay; Morning-dress; Morny

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Mornay - Morny.

jeden Mormonen gilt, sich zu verehelichen und Kinder zu zeugen. Wie viele Frauen sich einer nimmt, hängt von seinem Einkommen und seiner Stellung in der Hierarchie ab; Präsident Young hatte 19 Frauen. Aber verhängnisvoll mußte das Institut der Vielweiberei schon darum werden, weil es allein der Regierung der Vereinigten Staaten eine gesetzliche Handhabe zum Einschreiten bot. Seit 1874 sollten nur nichtpolygamistische Persönlichkeiten als Richter und Geschworne zugelassen werden, und 1875 wurde das Eingehen polygamistischer Verbindungen mit Zuchthausstrafe belegt. Auch innerhalb des Mormonentums selbst erstand eine von Youngs erstgebornem Sohn geführte Partei zu gunsten der Monogamie. Die hierarchische Organisation erzielt eine vollständige geistige Unterjochung der Anhänger der Sekte; die Priesterschaft gilt den M. als eine göttliche, unfehlbare Autorität, und es wird für eine Todsünde erachtet, andrer Meinung zu sein als die Priester. Nach vorhergegangener Weihe durch Johannes den Täufer, der sich hierzu mit Petrus, Jacobus und Johannes 15. Mai 1825 vom Himmel herabließ, setzte Joe Smith die Priesterschaft ein, und zwar teilt sich diese in zwei Stufen: die höhere Stufe Melchisedeks und die niedere Aarons. Zur erstern gehören: die Präsidentschaft (fünf Mitglieder); das Kollegium (Quorum) der zwölf Apostel, die einen reisenden Hohen Rat bilden; das Kollegium der Hohenpriester (Zahl unbeschränkt); das Kollegium der Siebziger, Reiseprediger; das Kollegium der Ältesten. Die zweite Stufe der "Aaronschen Priesterschaft" bilden die gewöhnlichen Priester, Lehrer und Diakonen; als ihre Vorstände sind Bischöfe eingesetzt, in deren Hände auch die niedere Zivilgerichtsbarkeit gelegt ist. Diese besorgen den Gottesdienst ("verwalten die Schlüssel des Dienstes der Engel") wie die äußern Kirchenangelegenheiten, das Einsammeln der Zehnten, das Armenwesen, die Verteilung der Arbeitskräfte etc. Eine Besonderheit ist der Mangel jeglicher Kleiderabzeichen für die Priester. Neben diesen hierarchischen Körpern läuft die geheime Verbindung der Daniten oder "Engel der Zerstörung", einer im Dienst Youngs stehenden geheimen Polizei, der mit Grund viele Ermordungen, ja die Niedermetzelung ganzer Karawanen zur Last gelegt werden; diese Verbrechen verstärken die Abneigung, welche man in Amerika gegen die M. hegt. Missionäre der M. haben nahezu alle Gegenden der Welt besucht, und auch an Zuzug fehlt es nicht, besonders aus Schottland, Skandinavien und Württemberg. Die Gesamtzahl aller M. auf der Erde beträgt höchstens 200,000, wovon die Mehrzahl (132,000 im J. 1887) in Utah lebt. Der Gottesdienst besteht in Spendung der Gnadenmittel (Taufe, Abendmahl, Handauflegen) und in Predigt; dabei werden geheime furchtbare Schwüre verlangt.

In Utah hat der Bienenfleiß der M. aus Wüsteneien fruchtbare Ackerfelder geschaffen; aber die Grundlage ihrer Religion, die ganze innere Organisation, ihr Kommunismus und das despotische Auftreten ihrer Führer passen so wenig in einen staatlichen Organismus wie der nordamerikanische, der seinen Bürgern Freiheit der Person und des Eigentums gewährleistet, daß die gänzliche Auflösung des Mormonenstaats nicht mehr aufzuhalten ist, zumal seitdem die 1869 eröffnete Pacificbahn das früher von der Welt abgeschlossene Utah leicht zugänglich gemacht und damit dem Mormonenstaat die erste seiner Existenzbedingungen abgeschnitten hat. Seit 1874 geschahen daher seitens der Vereinigten Staaten Schritte nicht bloß zur Abschaffung der Vielweiberei, sondern auch zur Verantwortlichmachung der Führer für Ermordungen, und der Mormonenbischof Lee ist, als bei einer 1857 verübten großen Mordthat beteiligt, noch fast 20 Jahre später dem Galgen verfallen, und den greisen Präsidenten Young selbst entriß nur sein am 22. Aug. 1877 erfolgter plötzlicher Tod der irdischen Gerichtsbarkeit. Ein Nachfolger wurde nicht gewählt, sondern die oberste Leitung dem Kollegium der zwölf Apostel mit dem Senior John Taylor (1887) an der Spitze übertragen. Unter ihm kam es aus Anlaß der die Vielweiberei verurteilenden Gesetzgebung der Vereinigten Staaten (Edmunds Gesetz von 1882, das aber infolge der Unterscheidung von "Polygamie" und "Kohabitation" seine Wirkung zu verfehlen scheint) endlich zu der Katastrophe von 1885, infolge deren die M. sich vor die Alternative gestellt sehen, entweder dieses Institut aufzugeben, oder abermals den Wanderstab zu ergreifen. Vgl. Hyde, The Mormonism, its leaders and designs (2. Aufl., New York 1857); Busch, Geschichte der M. (Leipz. 1870); Stenhouse, The Rocky Mountains Saints (New York 1873); R. v. Schlagintweit, Die M. (2. Aufl., Leipz. 1878), mit ausführlichen Litteraturnachweisen.

Mornay (spr. -nä), Philipp de M., Seigneur du Plessis-Marly, franz. Staatsmann, geb. 5. Nov. 1549 zu Buhy in der Normandie, war von seinem streng katholischen Vater für den geistlichen Stand bestimmt, trat aber nach dessen Tod 1560 zur reformierten Kirche über, in der ihn seine Mutter heimlich unterrichtet hatte, und bereiste Italien, Deutschland, Holland und England. Nach den Greueln der Bartholomäusnacht suchte er vergeblich die Königin Elisabeth von England zur Beschützung seiner Glaubensgenossen zu bewegen. 1575 trat er als Verwalter der Finanzen von Navarra in die Dienste Heinrichs von Navarra, der sich seiner auch während des Kriegs mit der Liga als diplomatischen Unterhändlers bediente und, auf den Thron von Frankreich erhoben, ihn zum Staatsrat und später zum Gouverneur von Saumur ernannte. Hier errichtete M. eine protestantische Akademie. Wegen seiner Opposition gegen Heinrichs Übertritt zum Katholizismus fiel er in Ungnade. Bei seinen Glaubensgenossen stand er seines religiösen Eifers und seiner Gelehrsamkeit wegen in hohem Ansehen; er hieß der "Papst der Hugenotten". Er starb 11. Nov. 1623 auf seiner Baronie Laforêt sur Sêvre. Die wichtigsten seiner Schriften sind: "De l'institution de l'eucharistie" (1598) und die "Mémoires et correspondance" (1624; neue Aufl., Par. 1824, 12 Bde.). Vgl. Ambert, Duplessis M. (Par. 1847).

Morning-dress (engl.), in England der Anzug, den man beim Ausgang und bei Besuchen trägt, im Gegensatz zum evening-dress, in welchem man beim Diner und nachher erscheint.

Morny, Charles Auguste Louis Joseph, Herzog von, franz. Staatsmann, natürlicher Sohn der Königin Hortensia von Holland, der Gemahlin Ludwig Napoleons, und ihres Großstallmeisters, des Grafen Flahault, geb. 23. Okt. 1811 zu Paris, ward von dem kinderlosen Grafen M. adoptiert, trat 1830 als Leutnant in ein Ulanenregiment und diente mit Auszeichnung in Algerien. Von der im Oktober 1837 verstorbenen Königin Hortensia mit einer Jahresrente von 40,000 Frank bedacht, nahm er 1838 seinen Abschied vom Militär und errichtete zu Clermont in der Auvergne eine Runkelrübenzuckerfabrik. 1842 von Puy de Dôme in die Deputiertenkammer gewählt, unterstützte er das Ministerium Guizot. Da Unglück in industriellen Spekulationen und im Spiel seine Vermögensverhältnisse gänzlich zerrüttet hatten, schloß