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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Organdies - Orgel.

leben (Staatsorganismus). In weiterer Bedeutung bezeichnet O. jedes Mittel der Gedankenmitteilung, also zunächst die menschliche Stimme mit besonderer Rücksicht auf ihre Höhe und ihren Klang, namentlich in ihrer oratorischen Anwendung, sodann auch den Redenden selbst, sobald er nämlich im Namen und Auftrag andrer das Wort führt, und endlich gewisse Wege der schriftlichen Gedankenmitteilung, namentlich Zeitungen und Zeitschriften, welche einer bestimmten Richtung ausschließlich dienen, woher Benennungen, wie Regierungsorgan, Parteiorgan etc.

Organdies (Organdis, franz., spr. -gangd-), glatte, lockere, feine Baumwollgewebe, dem Musselin ähnlich, aber dichter und steiler appretiert, wurden zuerst in Ostindien dargestellt, dann aber auch in europäischen Musselinwebereien nachgeahmt und dienen besonders zu Unterfutter für Frauenkleider.

Organisation (griech.-lat.), die den Lebensanforderungen entsprechende Anordnung der Körperteile (s. Organ) und ihrer Funktionen in einem organischen (lebenden) Wesen. Der Begriff wird auch übertragen auf Gesellschaftskörper (Staat, Heer, Korporation, Gesellschaft etc.) und umfaßt sodann alle die Einrichtungen, die zum Bestehen, zur Fortentwickelung eines solchen Körpers und zur Erreichung seiner Zwecke getroffen worden sind. Im faktitiven Sinn, in welchem auch der Ausdruck Organisierung gebräuchlich ist, versteht man darunter die durch organische Thätigkeit sich vollziehende Bildung eines organischen Wesens oder die nach bestimmten Regeln und zu bestimmten Zwecken geschehende Bildung oder Errichtung eines Gesellschaftskörpers (eines Heers etc.). Organisatorisch, organisiert, auf O. gerichtet oder ihr gemäß.

Organisation der Arbeit, s. Sozialismus.

Orgānisch, s. Organ.

Organismus, s. Organ.

Organist, Orgelspieler.

Organistrum (lat.), s. v. w. Drehleier (s. d.).

Organologie, s. v. w. Morphologie.

Orgănon (griech.), s. v. w. Werkzeug, Instrument, Organ (s. d.), besonders seit des Aristoteles unter diesem Titel zusammengefaßten logischen Schriften Bezeichnung solcher philosophischen Werke, in denen auseinandergesetzt wird, unter welchen Bedingungen die Erkenntnis der Wahrheit möglich ist und wirklich erlangt wird.

Organozoën (griech.), diejenigen Parasiten, welche im Innern der Organe selbst vorkommen, wie die Trichinen, Cysticerken, im Gegensatz zu denen, welche im Darm leben, wie der Bandwurm etc.

Organsīn, gezwirnte Seide zur Kette der Gewebe im Gegensatz zur Trama oder Tramseide, welche den Einschlag bildet (s. Seide).

Organum (griech. Organon), im allgemeinen s. v. w. Werkzeug (Organ); im besondern Musikinstrument und dann das "Instrument der Instrumente", die Orgel (s. d.). In der Geschichte der Musik bezeichnet O. außerdem die älteste und primitivste Art mehrstimmiger Musik, bestehend in einer fortgesetzten Parallelbewegung der Stimmen in Quinten oder Quarten (auch Diaphonie genannt). So entsetzlich dem heutigen Musiker der Gedanke einer derartigen Musik erscheint, so ist dieselbe doch nicht nur ein historisches Faktum, sondern auch das durchaus natürliche Übergangsglied zur eigentlichen mehrstimmigen Musik. Das O. war eigentlich noch nicht wirkliche Mehrstimmigkeit, sondern Quintenverdoppelung, der natürlichste weitere Schritt von der schon längst geübten Oktavenverdoppelung der Stimmen; es führte aber bald zur Entdeckung des wahren Prinzips der Mehrstimmigkeit, der Gegenbewegung (s. Discantus).

Orgásmus (griech., "Schwellung"), veralteter Ausdruck für übermäßigen Andrang von Säften nach irgend einem Organ; strotzende Fülle, heftiger Trieb; orgastisch, strotzend, heftig wallend.

Orgeade (franz., spr. -schāde, Orgeat, Gerstenmilch), kühles, schleimiges Getränk, Graupenschleim, Samenemulsion mit Orangeblütenwasser und Zucker; auch ein Getränk aus dem Mark der süßen Orangen mit Wasser und Zucker.

Orgejew, Kreisstadt im russ. Gouvernement Bessarabien, am Reut, hat 3 Kirchen, berühmte Kalkbrennereien und (1882) 7317 Einw. (meist Juden). Die Stadt ist Privateigentum der Familie Pangalo.

Orgel (lat. Organum, franz. Orgue), bekanntes Tonwerkzeug, ist ein Blasinstrument von gewaltigen Dimensionen, sowohl hinsichtlich ihrer räumlichen Ausdehnung als auch des Tonumfangs mit keinem andern zu vergleichen. Die drei Hauptteile der O. sind: das Pfeifenwerk, der Anblasemechanismus (Bälge, Kanäle, Windkasten, Windladen) und das Regierwerk, d. h. der Mechanismus, welcher dem Winde den Zugang zu den einzelnen Pfeifen öffnet (Klaviere, Traktur, Registerzüge). Die Pfeifen zerfallen in eine Anzahl Gruppen, Stimmen oder Register genannt, deren jedes Pfeifen verschiedener Größe, aber gleicher Konstruktion und Klangfarbe vereinigt, d. h. ein Register stellt eigentlich ein einziges Blasinstrument dar, da jede Pfeife nur einen Ton gibt und daher so viel Pfeifen als Töne erforderlich sind. Eine O. mit nur einem einzigen Register müßte doch mindestens so viel Pfeifen haben, als sie Töne verschiedener Höhe haben soll, d. h. als die Klaviatur Tasten hat. Die zu derselben Stimme gehörigen Pfeifen sind auch räumlich so aufgestellt, daß sie alle zusammen in Mitwirkung gezogen oder ausgeschlossen werden können und zwar durch die sogen. Registerzüge; das Herausziehen (Anziehen) der rechts und links vom Spieler aus der O. hervorstehenden Registerstangen öffnet dem Winde den Zugang zu den Pfeifen der betreffenden Stimmen so weit, daß es nur noch der Öffnung eines kleinen Ventils durch den Niederdruck einer Taste bedarf, um den betreffenden Ton zum Ansprechen zu bringen; das Hineinschieben (Abstoßen) der Registerstange (der ganze Spielraum der Bewegung beträgt etwa einen Zoll) setzt die Stimmen außer Thätigkeit (vgl. Windkasten und Windladen). An neuern Orgeln finden sich noch besondere Vorrichtungen, um eine Anzahl Stimmen gleichzeitig anzusehen oder abzustoßen (Kollektivzüge). Nicht das ganze Pfeifenwerk einer O. wird aber durch eine Klaviatur regiert, vielmehr hat auch die kleinste O. zwei Manuale (mit den Händen gespielte Klaviaturen) und ein Pedal (Klavier für die Füße); ganz große Orgeln haben bis fünf Manuale und zwei Pedale. Für jede Klaviatur sind besondere Stimmen disponiert; diejenige, welche die meisten und am stärksten intonierten Stimmen enthält, heißt das Hauptmanual. Die Verkoppelung (s. Koppel) mehrerer oder aller Manuale oder des Pedals und des Hauptmanuals ermöglicht aber die Zusammenbenutzung der zu verschiedenen Klavieren gehörigen Stimmen. Die O. ist eines ausdrucksvollen Spiels nicht fähig (vgl. jedoch Harmonium und Crescendo), sondern kann die Tonstärke nur abstufen durch Anziehen oder Abstoßen von Registern oder durch Übergang auf ein andres Manual; das Charakteristische des Orgeltons ist daher starre Ruhe. In die Einzelheiten des Orgelbaues einzugehen,