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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Windischmann - Windpocken.

des Goldenen Vlieses, 1833 zum Feldmarschallleutnant und Divisionär ernannt. In Wien während der Märzkatastrophe 1848 zufällig anwesend, übernahm er das Kommando der Stadt und ergriff die strengsten Maßregeln, um dem Ausbruch neuer Unruhen vorzubeugen. Bald aber erklärte sich die öffentliche Meinung mit solcher Entschiedenheit gegen ihn, daß ihn der Kaiser nach Böhmen sandte. Nach dem Ausbruch des Aufstandes vom 11. Juni in Prag bewies er den Aufständischen gegenüber viel Schonung und verließ den Weg der Mäßigung selbst dann noch nicht, als seine Gattin, geborne Fürstin Schwarzenberg, in ihrem Zimmer erschossen und sein ältester Sohn tödlich verwundet worden war. Als die Kunde von der Wiener Oktoberrevolution nach Prag gelangte, rückte W. sogleich mit allen disponibeln Streitkräften nach der Hauptstadt, wurde vom Kaiser mit dem Oberkommando aller Armeen außer der italienischen betraut, drang 31. Okt. in Wien ein und unterdrückte den Aufstand. Von dem neuen Kaiser, Franz Joseph, dessen Thronbesteigung er hauptsächlich betrieben hatte, in seiner Stellung bestätigt, begann er Mitte Dezember mit einer Streitmacht von 150,000 Mann die Operationen gegen Ungarn und besetzte Preßburg, Raab und 5. Jan. 1849 Budapest, ließ aber dann, den Feind unterschätzend, den Ungarn drei Monate Zeit, sich zu sammeln und zu verstärken. Die österreichischen Generale wurden im April einer nach dem andern überfallen und geschlagen, und die wichtigsten Positionen gingen verloren, so daß W., wie er in seinem 34. Bülletin erklärte, seine Armee in einer konzentrierten Stellung vorwärts Pest vereinigen mußte, »eine Bewegung, welcher der Feind mit großer Eile folgte«. Am 12. April ward W. wegen seiner Unfähigkeit abgesetzt, und an seiner Stelle übernahm Welden den Oberbefehl der Armee. W. zog sich auf seine Güter nach Böhmen zurück. 1859 vom Kaiser zum Gouverneur von Mainz und zum erblichen Mitglied des Reichsrats ernannt, starb er 21. März 1862. In seinem Auftrag ward geschrieben: »Der Winterfeldzug 1848/49 in Ungarn« (Wien 1851). Vgl. »Der k. k. österreichische Feldmarschall Fürst W., aus den Papieren eines Zeitgenossen« (Berl. 1885).

Windischmann, Karl Joseph Hieronymus, Naturphilosoph, geb. 24. Aug. 1775 zu Mainz, 1803 Professor der Philosophie und Universalgeschichte in seiner Vaterstadt, 1811 auch Bibliothekar, erhielt 1818 die katholische Professur der Philosophie an der neugegründeten Universität zu Bonn, wo er 23. April 1839 starb. Seine wissenschaftliche Richtung war anfänglich durch die ursprüngliche Form der Schellingschen Naturphilosophie, die seiner Neigung zu mystischer Naturanschauung und Theosophie entsprach, in seinen spätern Jahren durch die orthodoxe Geschichtsauffassung Friedr. Schlegels (nach dessen Übertritt zum Katholizismus) bedingt, dessen Vorlesungen W. 1837 herausgab. Von seinen (zum Teil die Astrologie, Alchimie und Magie betreffenden) Schriften sind zu erwähnen: (der Philosophie feindselige) »Kritische Betrachtungen über die Schicksale der Philosophie in der neuern Zeit etc.« (Frankf. 1825) und »Die Philosophie im Fortgang der Weltgeschichte« (Bonn 1827-34, 4 Bde.), sein Hauptwerk, bei welchem W. seine (und seines Sohns Friedrich) Kenntnis der orientalischen Sprachen zu Hilfe kam, und dessen erster Band eine verdienstliche Darstellung der Philosophie im Morgenland, besonders in Indien, enthält. - Einer seiner Söhne, Friedrich W., geb. 13. Dez. 1811, erst Domkapitular zu Freising, seit 1846 Generalvikar des Erzbischofs von München-Freising, gest. 24. Aug. 1861, hat sich als gelehrter katholischer Theolog wie als gründlicher Kenner der altindischen Sprache und Litteratur einen Namen erworben. Er schrieb unter anderm: »Sancara, sive de theologumenis Vedanticorum« (Bonn 1833); »Über den arischen Ursprung der armenischen Sprache« (Münch. 1844); »Über den Somakultus« (das. 1847); »Ursachen der arischen Völker« (das. 1853); »Die persische Anahita oder Anaitis« (das. 1856); »Mithra« (Leipz. 1857) u. »Zoroastrische Studien« (Berl. 1863).

Windisch-Matrei, Marktflecken in Tirol, Bezirkshauptmannschaft Lienz, in einem tiefen Kessel an der Vereinigung des Tauern- und des Virgenthals, welche nun in das Iselthal übergehen, am Fuß des schönen Aussichtspunktes »Matrei-Kalser Thörl« (2205 m ü. M.) gelegen, mit (1885) 571, samt der Landgemeinde 2328 Einw., Ausgangspunkt für die Besteigung des Großvenediger (s. d.). In der Nähe mehrere alte Schlösser, darunter Weißenstein (gegenwärtig Hotel).

Windkasten und Windladen, in der Orgel diejenigen Apparate, welche den Wind an die einzelnen Pfeifenreihen und Pfeifen verteilen. Die Windlade liegt auf dem Windkasten und kommuniziert durch Ventile mit diesem. Die Windlade ist in eine Anzahl schmaler Gänge abgeteilt, die sogen. Kanzellen. Bei den Schleifladen stehen auf jeder Kanzelle die zu derselben Taste gehörigen Pfeifen, bei den Springladen (Kegelladen) dagegen die zu demselben Register gehörigen. Das Kanzellenventil ist daher bei der Springlade Registerventil, bei der Schleiflade dagegen Spielventil; das durch den Niederdruck der Taste geöffnete Spielventil öffnet also bei der Schleiflade dem Winde den Zugang zu einer größern Anzahl Pfeifen, bei der Springlade dagegen nur zu einer einzigen oder einem Chor einer gemischten Stimme.

Windkessel, s. Pumpen, S. 462.

Windlutte, s. Lutte.

Windmesser, s. Anemometer.

Windmonat, deutscher Monatsname, s. v. w. November.

Windmotor, s. Windrad.

Windmühlen, s. Windrad und Mühlen.

Windmühlenkunst, irgend ein mechanisches Kunstwerk oder eine größere Maschine, z. B. Pumpwerke, Schöpfmaschinen, Baggermaschinen, Göpel u. dgl., welche nach Art der Windmühlen durch Windmühlenflügel in Bewegung gesetzt wird.

Windpocken (Spitzpocken, Schafpocken, Varicellae), Kinderkrankheit, welche mit den echten Pocken gar nichts zu thun hat, befällt Geimpfte und Nichtgeimpfte. Die W. sind eine leichte, aber ansteckende Krankheit. Sie pflegen in Epidemien aufzutreten, welche zuweilen Pockenepidemien begleiten, denselben vorhergehen oder auf dieselben folgen, in andern Fällen aber auch neben Masern- und Scharlachepidemien herrschen. Nicht selten treten sie auch in ganz vereinzelten Fällen auf. Der Hautausschlag beginnt unter der Form kleiner roter, getrennt stehender Flecke, welche sich nach wenigen Stunden in linsen- bis erbsengroße, wasserhelle Bläschen verwandeln. Ihr Inhalt wird am zweiten Tag trübe, fast niemals aber eigentlich eiterig, und schon am vierten Tag bilden sich durch Eintrocknen flache Schorfe, welche nach wenigen Tagen abfallen, ohne Narben zu hinterlassen. Da es nur selten bei einem einzigen Ausbruch bleibt, vielmehr gewöhnlich mehrere Tage hindurch neue Bläschen aufschießen, so zieht sich die Krankheit oft 14 Tage und noch länger hin. Eine besondere ärztliche Behandlung der W. ist überflüssig, nur muß man während der Dauer des Ausschlags