Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rasieren; Rasierflechte; Rasiergrind; Rasin; Rask; Raskolniken

583

Rasieren - Raskolniken.

Rasieren (franz.), s. v. w. scheren, besonders den Bart abnehmen, barbieren (s. Barbier und Bart); im Militärwesen s. v. w. abtragen, dem Boden gleich machen, nämlich Festungswerke, Gebäude, Bäume etc., um dem Feind jede Deckung zu nehmen und das Terrain für die eigne Feuerwirkung frei zu machen.

Rasierflechte (Herpes tonsurans), s. Flechte.

Rasiergrind, s. Favus.

Rasin, Stenka, d. h. Stephan, russ. Rebellenführer, geboren zu Tscherkassk, wurde von den Donischen Kosaken zu ihrem Anführer bei einem Aufstand 1667 gewählt. Zuerst unternahm er an der Spitze zahlreicher Flußpiraten verschiedene Raubzüge, plünderte die Fischereien und Handelskarawanen an der Wolga, verwüstete 1668 in Persien am Ufer des Kaspischen Meers mehrere Städte, wurde von einem persischen Geschwader geschlagen und wandte sich hierauf gegen Rußland. Er nahm Zarizyn und Astrachan; aufständische Bauern, Sektierer und fremde Völkerstämme strömten ihm in dichten Scharen zu. In seinem Gefolge befand sich ein Kosak, welcher sich für den verstorbenen Sohn Alexei des Zaren Alexei Michailowitsch ausgab. Er bedrohte die ganze Wolgagegend bis Nishnij Nowgorod, wurde aber schließlich mehrmals geschlagen, gefangen und 16. Juni 1671 in Moskau hingerichtet. Vgl. Kostomarow, Der Aufstand Rasins (russ., Petersb. 1859).

Rask, Rasmus Christian, berühmter dän. Sprachforscher, geb. 22. Nov. 1787 zu Brändekilde bei Odense auf der Insel Fünen, widmete sich früh dem Studium der isländischen Sprache sowie andrer verwandter, besonders germanischen Sprachen. Die ersten Früchte seiner Studien waren eine Anleitung zur isländischen oder altnordischen Sprache (Kopenh. 1811) und die Ausgabe von Björn Haldorsens isländischem Wörterbuch (das. 1814). 1812 machte er mit N. Nyerup eine Reise durch Schweden und Norwegen, 1813 nach Island, wo er das epochemachende Werk "Undersögelse om det gamle Nordiske eller Islandske Sprogs Oprindelse" (Kopenh. 1818) vollendete, in dem er durch eine eingehende und methodische Untersuchung der altnordischen Sprache nach Lautlehre und grammatischem Bau den bestimmten Nachweis ihrer nahen Verwandtschaft mit den südgermanischen und ihrer entferntern Verwandtschaft mit den slawischen und lettischen Sprachen sowie mit dem Griechischen und Lateinischen lieferte. Nächst Bopps und Grimms ersten Arbeiten hat dieses Buch am meisten dazu beigetragen, der vergleichenden Sprachforschung Bahn zu brechen. Um auch die entferntern Verwandten der "thrakischen" Sprachen aufzusuchen, trat er 1816 mit königlicher und andrer Unterstützung eine Reise nach Indien an. Zunächst hielt er sich bis Ende Februar 1818 in Stockholm auf, wo er die beiden Eddas, seine angelsächsische Grammatik und eine schwedische Bearbeitung der isländischen herausgab, ging dann durch Finnland nach Petersburg, wo er ebenfalls ein Jahr blieb, und reiste im Januar 1819 über Moskau, Astrachan und Tiflis durch Persien nach Indien, das er 1820 erreichte und in den beiden folgenden Jahren durchreiste. Er verweilte namentlich in Bombay unter den Feueranbetern und auf Ceylon, wo er die reichen Schätze von altiranischen und buddhistischen Handschriften erwarb, die jetzt in den dänischen Bibliotheken aufbewahrt werden. Anfang Mai 1823 kam er mit reicher Ausbeute nach Kopenhagen zurück, wo er bald darauf zum außerordentlichen Professor der Litteraturgeschichte ernannt wurde und 1831 die Professur der morgenländischen Sprachen erhielt, aber bereits 14. Nov. 1832 starb. R. hat noch eine Menge von Abhandlungen und größern Werken herausgegeben, in denen er teils seine Forschungen über die asiatischen Sprachen niederlegte, teils europäische Sprachen behandelte. Bahnbrechend wirkte seine Abhandlung über die Echtheit der Zendsprache (deutsch von v. d. Hagen 1826), in der er die besonders in England erhobenen Zweifel an der Authentizität der durch Anquetil bekannt gemachten Überreste der heiligen Schriften der Parsen oder Feueranbeter siegreich widerlegte und die nahe Verwandtschaft der Sprache des Zendavesta mit dem Sanskrit nachwies. Hervorzuheben sind auch seine "Frisisk Sprogläre" (1825), sein scharfsinnige Versuch, eine wissenschaftliche Orthographie für das Dänische zu begründen ("Dansk Retskrivningsläre", 1826), und seine verschiedenen Untersuchungen über die uralaltaischen und die kaukasischen Sprachen. Seine sämtlichen hinterlassenen Sammlungen und Entwürfe wurden von seinem Bruder den Kopenhagener Bibliotheken geschenkt und ein Teil derselben in die von letzterm herausgegebene Sammlung seiner zum Teil ungedruckten Abhandlungen (1834-1838, 3 Bde.) aufgenommen. Eine warm geschriebene Biographie Rasks von seinem Freund N. M. Petersen findet sich in des letztern "Samlede Afhandlinger" (1. Bd., Kopenh. 1870). Vgl. auch Rönning, Rasmus Kristian R. (Jubiläumsschrift, Kopenh. 1887).

Raskolniken (Raskolniki, "Abtrünnige, Ketzer", von raskol, "Kirchenspaltung"), in der griechisch-orthodoxen Kirche Rußlands der gemeinsame Name für alle Sektierer und Dissidenten. Diese haben mit den Häretikern der allgemeinen christlichen Dogmengeschichte nichts zu thun. Man kann sie unterscheiden als Altgläubige einerseits, welche die nationalen Grundlagen des moskowitischen Reichs den tatarischen und byzantinischen Einflüssen, die sich im 17. Jahrh. geltend machten, gegenüber aufrecht erhalten wollten, und als modern radikale Reformer, welche nicht bloß das Dogma, sondern mehr noch die staatliche und soziale Ordnung selbst anfochten. Den ersten Grund zur Trennung von der herrschenden Kirche gab 1654 eine Revision der Gesang- und Gebetbücher der russisch-griechischen Kirche durch den Patriarchen Nikon zu Moskau. Viele nahmen an dieser Reform Anstoß und sagten sich 1666 als Altgläubige (Starowertzi) von der herrschenden russischen Kirche los; in Peter d. Gr. sahen sie den Antichrist. Seitdem haben sich die Abtrünnigen ins Unglaubliche vermehrt. Keine andre Kirche hat so zahlreiche Sekten erzeugt wie die russische; jede Sekte spaltete sich bald, die neuen Sekten teilten sich wieder. Die Ursache der unaufhörlichen Sektenbildung liegt in den politischen und sozialen Schäden des russischen Reichs. Die R. rekrutieren sich daher meist aus den thatkräftigsten und opferwilligsten, vielfach allerdings auch aus den unbändigsten und gewaltthätigsten Elementen der Bevölkerung. Zu den gefährlichste unter den Sekten gehören: die seit etwa 1800 aufgetretenen Morelschiki ("die sich selbst Aufopfernden"), welche den Selbstmord, indem sie einzeln oder in größerer Zahl den Feuertod (Feuertaufe) durch Anzünden eines Hauses erwählen, als eine Gott wohlgefällige Handlung preisen; die erst seit 40 Jahren bekannten, ruhelos umherziehenden Stranniki ("Pilger"), welche alle politische, sittliche und religiöse Ordnung für ein Werk des Satans halten; die berüchtigten Skopzen (s. d.), welche die Kastration für ein religiöses Gebot halten; die Chlistowtschini ("die sich Geißelnden"), die bei ihren Gottesdiensten hintereinander herspringen und sich gegenseitig so lange geißeln, bis sie um-^[folgende Seite]