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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Regredieren - Regulator.

licher Nachkommenschaft übergangenen weiblichen Verwandten des Hauses, die sogen. Regredienterben (Regreß-, Rückanspruchserben) und deren Dependenz zur Erbfolge gerufen werden, auf welch letztere also die Erbfolge "regrediert", d. h. zurückfällt. Es ist jedoch im gegenwärtigen gemeinen deutschen Privatfürstenrecht der Grundsatz anerkannt, daß die Erbtochter (s. d.) der Regredienterbin vorgeht, d. h. daß die nächste weibliche Verwandte des letzten Thronbesitzers und also jedenfalls dessen Tochter oder die erstgeborne von mehreren Töchtern und deren Deszendenz beim Aussterben des Mannesstamms gerufen werden. In einigen Fürstenhäusern ist der Weibsstamm freilich überhaupt von der Regierungsnachfolge ausgeschlossen, so in Preußen. In andern, z. B. in Bayern, Sachsen und Württemberg, kommt dagegen nach dem Aussterben des Mannesstamms die weibliche Linie und zwar der männliche Angehörige derselben zur Thronfolge, welcher zu dem letzten Agnaten der nächste dem Grad nach ist. Freilich war dies zur Zeit des frühern Deutschen Reichs nicht unbestritten, wie denn z. B. beim Aussterben des habsburgischen Mannesstamms 1740 mit Karl VI. Bayern auf Grund der R. Ansprüche auf die österreichischen Erblande erhob.

Regredieren (lat.), zurückschreiten, zurückgreifen auf Früheres; Regredienz, s. v. w. Regreß (s. d.).

Regreß (lat., Rekurs, Rückgriff), Rückanspruch auf Schadloshaltung gegen einen Dritten auf Grund besonderer Verpflichtung des letztern. Der Gläubiger, welcher so auf den Regreßpflichtigen (Regressaten) seinen R. nimmt (regrediert, rekurriert), wird Regredient (Regreßnehmer) genannt. So kann z. B. der Bürge, welcher infolge der übernommenen Bürgschaft für den Hauptschuldner zahlen mußte, auf letztern R. nehmen. Besonders wichtig ist der R. im Wechselrecht, wonach der Wechselinhaber seinen Vormännern (Aussteller und Indossanten) gegenüber nicht nur bei nicht erfolgter Annahme des Wechsels seitens des Bezogenen, sondern auch wegen Unsicherheit des Acceptanten nach erfolgter Annahme und endlich wegen nicht erfolgter Zahlung des Wechsels am Verfalltag Regreßansprüche geltend machen kann. Ohne daß der Regredient dabei an die Reihenfolge seiner Vormänner gebunden wäre (regressus per ordinem), hat er vielmehr den sogen. springenden R. (regressus per saltum), d. h. die Wahl, an welchen Vormann er sich halten will. Zur Geltendmachung des Wechselregresses dienen die Wechselregreßklagen, zu deren Begründung jedoch die ordnungsmäßige Erhebung eines Wechselprotestes gehört (s. Wechsel). Bei der Regreßklage mangels Zahlung insbesondere besteht die sogen. Regreßsumme, für welche der Regreßpflichtige aufkommen muß, in der Wechselsumme nebst 6proz. Zinsen vom Verfalltag des Wechsels ab, 1/3 Proz. Provision, den Protestkosten und sonstigen Auslagen des Regreßnehmers. Die Berechnung der Regreßsumme erfolgt in der sogen. Retourrechnung (Rückrechnung). Es ist aber dem Regredienten unbenommen, die Regreßsumme von dem Regressaten auch mittels eines neuen Wechsels, welchen er auf den letztern zieht, einzuheben. Dieser Rückwechsel (Rücktratte, Ritratte, Rikorswechsel, ricambium, ricambio) muß nach der deutschen Wechselordnung auf Sicht zahlbar und unmittelbar (adrittura) auf den Regressaten gestellt sein. Zu der Regreßforderung kommen alsdann noch die Maklergebühren für Negoziierung des Rückwechsels (Ricambiospesen) und die etwanigen Stempelgebühren hinzu.

Regreßerbe, s. Regredienterbschaft.

Regressive (lat.), rückschreitend; regressive Methode, s. v. w. analytische Methode, s. Analyse.

Regrettieren (franz.), bedauern, bereuen.

Regula Coss, s. v. w. Algebra, vgl. Coß.

Regula de tri (lat.), s. Proportion.

Regula falsi (lat., Falsirechnung), Rechnungsverfahren, bei welchem man in einer Aufgabe für die unbekannte Größe versuchsweise einen Wert annimmt, dann das Ergebnis mit der Aufgabe vergleicht und auf Grund dieser Vergleichung einen genauern Wert für die Unbekannte ermittelt. Früher wurde sie oft zur Lösung von Aufgaben verwandt, die auf Proportionen oder Gleichungen ersten Grades führen; gegenwärtig ist sie besonders noch zur Auflösung numerischer Gleichungen höhern Grades im Gebrauch.

Regula fidei (lat.), s. Glaubensregel.

Regula multiplex (lat.), s. Proportion.

Regulär (lat.), regelmäßig, regelrecht.

Regulares (lat.), s. Regulierte.

Reguläres Kristallsystem, s. v. w. tesserales Kristallsystem, s. Kristall, S. 230.

Regulativ (lat.), regelnde Anordnung, Verfügung, Reglement (z. B. die vielbesprochenen Raumer-Stiehlschen "Regulative" vom 1.-3. Okt. 1854 zur Verbesserung des Volksschulunterrichts in Preußen); insbesondere Name derjenigen Prinzipien, welche Anweisung zur richtigen (regelrechten) Behandlung eines Gegenstandes geben, daher bei Kant auch Bezeichnung für die Ideen der reinen Vernunft.

Regulator (lat., "Regler, Ordner"), eine Sammelbezeichnung für technische Vorrichtungen sehr verschiedener Art, welche dazu dienen, die im Gang der Maschinen infolge der Veränderlichkeit des Verhältnisses zwischen der treibenden Kraft und dem zu überwindenden Widerstand eintretende Unregelmäßigkeiten womöglich selbstthätig auszugleichen. Letzteres kann durch Abänderung der Kraft oder des Widerstand es bewirkt werden, wonach sich eine Einteilung der Regulatoren in zwei Hauptgruppen ergibt. Die Regulatoren, welche auf dem Prinzip der Widerstandsänderung beruhen, können entweder durch Abänderung der schädlichen Reibungswiderstände oder der nützlichen Arbeitswiderstände wirken. Zu den Regulatoren ersterer Wirkungsart gehören die Bremsen einschließlich der Wasser- und Luftbremsen (s. Bremse) und die Windflügel (Windfänge), wie sie bei den Schlagwerken der Uhren und bei Spieluhren zur Erzielung eines gleichmäßigen Ganges gebräuchlich sind. Es sind das in diese Uhrwerke eingeschaltete, mit zwei Flügeln versehene Wellen, welche durch den Widerstand der Luft an einer zu schnellen Umdrehung verhindert werden. Solche Regulatoren bedingen natürlich einen Verlust an mechanischer Arbeit, weshalb ihre Anwendung nur in solchen Fällen statthaft ist, wo die verlorne Arbeit doch nicht wohl nützlich verwendet werden könnte (wie z. B. bei Winden und Kränen zum Niederlassen von Lasten, bei Windmühlen zum Bremsen der Flügelwelle entsprechend der Windstärke), oder wo auf keine andre Art eine Regulierung zu erzielen ist. Durch nützliche Widerstände bewirkt man die Regulierung in der Weise, daß man die momentan in Überschuß auftretende Triebkraft einer Maschine dazu verwendet, eine gewisse mechanische Arbeit in einem als R. fungierenden Organ aufzuspeichern und erst dann zur Wirkung kommen zu lassen, sobald die Triebkraft unter den Betrag des durchschnittlichen Widerstandes herabsinkt. Hierher gehören zunächst die Gegengewichte (Kontergewichte), welche von dem Kraftüberschuß auf