Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ruckers; Rückerstattung; Rückert

1050

Ruckers - Rückert

Geschosse auffangen sollen. In gewissem Sinne sind auch Traversen und Kavaliere hierher zu rechnen.

Ruckers (Ruqueres), die berühmteste Klavecinbauerfamilie in Antwerpen im 16. und 17. Jahrh. Der bedeutendste ist Hans R. (der Ältere), seit 1579 bekannt, gest. 1640. Er erfand das Doppelmanual mit Koppelung am Clavicembalo, wodurch er dieses Klavierinstrument fähig machte, forte und piano zu erzeugen. Die vielfach noch erhaltenen Klaviere von ihm sind fast alle mit Malereien reich geschmückt.

Rückerstattung, s. Erstattung.

Rückert, Friedr., Dichter, geb. 16. Mai 1788 zu Schweinfurt, erhielt seine Vorbildung auf dem dortigen Gymnasium und studierte seit 1805 in Würzburg, 1808‒9 in Heidelberg die Rechte, hauptsächlich aber Philologie, und habilitierte sich 1811 als Docent in Jena, verließ jedoch bald Jena, privatisierte an verschiedenen Orten und wandte sich endlich nach Stuttgart, wo er 1816‒17 an der Redaktion des «Morgenblattes» teilnahm. Den größten Teil des J. 1818 brachte er in Rom zu, wo er unter anderm dem ital. Volksgesang Aufmerksamkeit widmete, ging im Herbst nach Wien, 1820 nach Coburg, vermählte sich 1821 mit Luise Wiethaus-Fischer (gest. 26. Juni 1857) und wurde 1826 Professor der orient. Sprachen an der Universität zu Erlangen. 1841 ging er als Geh. Regierungsrat und Professor nach Berlin. Doch schon im Sommer 1849 entsagte er seiner akademischen Thätigkeit und nahm seinen Wohnsitz auf seinem Gut Neuses bei Coburg, wo er seitdem poet. Arbeiten und orient.-wissenschaftlichen Bestrebungen oblag, bis er 31. Jan. 1866 starb. 1890 wurde ihm in seiner Vaterstadt ein Denkmal (von Ruemann und Thiersch entworfen) errichtet.

R. zählt unstreitig zu den begabtesten Dichtern des deutschen Volks. Seine hervorragenden Eigenschaften sind eine ungemeine Gedankenfülle und außerordentliche Sprachgewalt. Fast alle lyrischen Dichtungsarten sind von ihm mit tiefer Einsicht in das Wesen jeder Form geübt worden; so der griech. Hendekasyllabus, der altnordische allitterierende Vers, das altdeutsche Reimpaar und die Nibelungenstrophe, das deutsche Volkslied, die zarten und üppigen Ghaselen des Orients, die kunstreich geketteten Terzinen und das Sonett, ferner kleine Ritornelle, Sicilianen, Vierzeilen und Distichen. Häufig ist es mehr die Phantasie und der Witz, die in seinen Gedichten ansprechen, als die Kraft und Innigkeit des Gemüts. Am höchsten stehen R.s «Liebesfrühling» und anderes in dem ersten Bande der «Gesammelten Gedichte», z. B. die «Griech. Tageszeiten» und «Die sterbende Blume». Unschuldigsten Kinderton treffen seine anmutigen «Kindermärchen» (1817). In seinen spätern Poesien sind die Reflexion und der lehrhafte Ton, die Sentenz, das Epigrammatische, das Gnomische vorherrschend. Dennoch können sich nur wenige Dichter an Sinnigkeit, eigentlicher Schöpferkraft und Reichtum der Anschauung mit ihm messen. Als die bedeutendste unter seinen didaktischen Poesien zeigt sich «Die Weisheit des Brahmanen», eine umfangreiche Reflexionsdichtung, die eine Fülle tiefsinniger Gedanken und viele Schönheiten im einzelnen bietet, aber kein eigentliches Ganzes bildet. Seine Dramen sind nüchtern, gestalt- und farblos und genügen keiner Anforderung, die man an das Drama zu machen berechtigt ist. Als Übersetzer orient. Dichtungen bleibt R. unübertroffen. Er bekundet hier, wie überhaupt in allen seinen Dichtungen, eine Meisterschaft über die Sprache, die für die formelle Fortbildung der deutschen Sprache von nachhaltigem Einfluß gewesen ist.

Seine dichterische Laufbahn begann R. unter dem Namen Freimund Raimar mit den «Deutschen Gedichten» (Heidelb. 1814), die auch die mächtigen «Geharnischten Sonette» enthielten. Als zweiter Band schloß sich an diese Sammlung der «Kranz der Zeit» (Stuttg. 1817) an, dem er seinen wirklichen Namen voransetzte, nachdem er vorher unter dem angenommenen «Napoleon. Polit. Komödie in drei Stücken» (ebd. 1816; das dritte Stück ist nicht erschienen) veröffentlicht hatte. Diesen folgte die Gedichtsammlung «Östl. Rosen» (Lpz. 1822). Seine zerstreuten Gedichte erschienen als «Gesammelte Gedichte» (6 Bde., Erlangen 1834‒38; 3 Bde., Frankf. 1843) und in einer Auswahl (Frankf. 1846 u. ö.). Früchte seiner orient. Studien waren die Übersetzungen von Harīris «Makamen» u. d. T. «Die Verwandlungen des Abu Seid» (2 Bde., Stuttg. 1826), von der ind. Erzählung «Nal und Damajanti» (Frankf. 1828), «Amrilkais, der Dichter und König» (Stuttg. 1843) und «Hamasa, oder die ältesten arab. Volkslieder» (2 Bde., ebd. 1846), der Koran im Auszug übersetzt (hg. von A. Müller, Frankf. 1888). Auf den Orient weisen ferner hin: «Sieben Bücher morgenländ. Sagen und Geschichten» (2 Bde., Stuttg. 1837), «Erbauliches und Beschauliches aus dem Morgenland» (2 Bde., Berl. 1836‒38), «Rostem und Suhrab, eine Heldengeschichte» (Erlangen 1838), «Brahmanische Erzählungen» (Lpz. 1839). Diesen reihten sich an das größere Lehrgedicht «Die Weisheit des Brahmanen» (6 Bde., Lpz. 1836‒39; 12. Aufl. in 1 Bde., 1886), das «Leben Jesu. Evangelienharmonie in gebundener Rede» (Stuttg. und Tüb. 1839), endlich die Dramen «Saul und David» (Erlangen 1843), «Herodes der Große» (2 Bde., Stuttg. 1844), «Kaiser Heinrich Ⅳ.» (2 Bde., Frankf. 1844) und «Christofero Colombo» (ebd. 1845). Seine letzte Gabe waren «Ein Dutzend Kampflieder für Schleswig-Holstein von F–r»(Lpz. 1863). Nach dem Tode des Dichters erschienen aus seinem Nachlaß «Lieder und Sprüche» (Frankf. 1866) und «Aus Friedrich R.s Nachlaß» (Lpz. 1867; enthaltend Übertragungen des Theokrit, der «Vögel» des Aristophanes und der «Sakuntala» des Kalidasa); ferner «Kindertotenlieder» (Frankf. 1872; neue Ausgabe u. d. T. «Leid und Lied», ebd. 1881), die Übersetzung von Saadis Bostan (Lpz. 1882), «Poet. Tagebuch 1850‒66» (Frankf. 1888), «Firdosis Königsbuch» (Berl. 1890), «Aus Saadis Diwan» (hg. von Bayer, ebd. 1893), «Sadis polit. Gedichte» (ebd. 1894). Eine Gesamtausgabe der poet. Werke R.s (in 12 Bänden) erschien zu Frankfurt a. M. 1868‒69; neue (Titel-) Ausgabe 1881‒82.

Vgl. Fortlage, R. und seine Werke (Frankf. 1867); C. Beyer, F. R. Ein biogr. Denkmal (ebd. 1868); ders., Neue Mitteilungen über R. und Kritische Gänge und Studien (2 Bde., Lpz. 1873); ders., Nachgelassene Gedichte R.s und neue Beiträge zu dessen Leben und Schriften (Wien 1877); ders., F. R. Ein Lebens- und Dichterbild. Festschrift (Stuttg. 1890); Boxberger, Rückert-Studien (Gotha 1878); B. Suphan, Friedr. R. (Weim. 1888); F. Muncker, Friedr. R. (Bamb. 1890); Voigt, R.s Gedankenlyrik (Annaberg 1891); F. Reuter, Die Erlanger Freunde F. R. und J. Kopp in den J. 1834‒36 (Programm, 1893).

Rückert, Heinr., Geschichtsforscher und Germanist, ältester Sohn des vorigen, geb. 14. Febr. 1823