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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ruthenen; Ruthenium; Rutherglen; Ruthin; Ruthner; Ruths; Ruthven; Rutil

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Ruthenen - Rutil.

Ruthenen (Russinen, Rußniaken), slaw. Volksstamm im östlichen Galizien, in der Bukowina und im nordöstlichen Ungarn, zu beiden Seiten der Karpathen, zählt 3,160,000 Seelen (2,800,000 in Galizien und der Bukowina, 360,000 in Ungarn) und bildet einen Teil der Kleinrussen (s. Russen). Sich selbst nennen die R. Rusy. Die Gebirgsbewohner, zumal die Stämme der Bojken und Huzulen, unterscheiden sich durch ovale Gesichtsbildung und schlanken Körperbau von den untersetzten Bewohnern des Flachlandes, den Podolaken, deren breites, viereckiges Gesicht an die ehemalige tatarische Überflutung des Landes erinnert. Trotz des großen Bodenreichtums erscheinen die letztern in Wohnung und Kleidung viel verwahrloster als die Gebirgsbewohner. Im allgemeinen aber sind die R. ein kräftiger Menschenschlag von mittlerer Körpergröße und wenn auch nicht muskulös (infolge der meist vegetabilischen Nahrung), doch ausdauernd und gegen Strapazen abgehärtet. Sie sind fast durchweg Ackerbauer, im Gebirge auch Viehzüchter, Hirten, Holzschläger, Köhler u. dgl., halten im Ackerbau fest am Hergebrachten und Ererbten, sind ihrer Kirche (der griechisch-unierten) in hohem Grad zugethan und pietätvoll gegen die Verstorbenen. Daneben charakterisieren sie sich durch Fatalismus, Passivität und Hang zu ruhigem, beschaulichem Leben. In ihren Liedern sind sie sehr poetisch, aber auch schwermütig, im Verkehr mit Fremden artig, aber verschlossen, im häuslichen Leben zeremoniell. Sie sind geistig begabt und besitzen mannigfache technische Fertigkeiten, weshalb auch die Hausindustrie bei ihnen von Bedeutung ist. Bei der fortwährenden Zerstückelung des Bodens wächst jedoch das Landproletariat; auch der Mangel an eigentlicher Industrie, die Ausbeutung durch die Juden und die stark verbreitete Trunksucht tragen zur steigenden Verarmung des Volkes bei. Während die R. eines eigentlichen Bürgerstands entbehren, besitzen sie einen zahlreichen intelligenten Beamtenstand, der meist treu zum Volk hält und sich um die Hebung desselben verdient gemacht hat, und eine sehr geachtete Geistlichkeit, welche die politische Führung des Volkes in Händen hat. Im Sinn der Volksbildung wirken die beiden Vereine Proswita und Kaczkowski. Seit 1848 fing die ruthenische Sprache und Litteratur, welche jahrhundertelang von der polnischen Aristokratie unterdrückt worden ist, sich einigermaßen zu entwickeln an (s. Kleinrussische Sprache und Litteratur). Gegenwärtig verfügen die R. über mehrere Zeitschriften, ein Theater, einige Mittelschulen und Universitätslehrkanzeln. Gegenüber den galizischen sind die ungarischen R. in jeder Beziehung viel mehr zurückgeblieben. Vgl. Bidermann, Die ungarischen R. (Innsbr. 1863-68, 2 Bde.); Szujski, Die Polen und R. in Galizien (Teschen 1882); Kupczanko, Die Schicksale der R. (Leipz. 1887). Einen Katalog der ruthenischen Litteratur seit 1800 bearbeitete Kotula (Lemb. 1878).

Ruthenium Ru, eins der Platinmetalle, findet sich besonders in den an Osmium reichsten Körnern des Osmiumiridiums und mit Schwefel verbunden als Laurit. Es wird aus den Platinrückständen gewonnen, ist weiß, hart, spröde, spez. Gew. 12,26, Atomgew. 103,5, an der Luft unveränderlich, nächst dem Osmium das strengflüssigste Platinmetall, oxydiert sich zum Teil beim Schmelzen und verflüchtigt sich unter Verbreitung eines eigentümlichen Geruchs. Es löst sich in Königswasser sehr langsam, wird durch schmelzendes Kalihydrat leicht oxydiert und verbindet sich beim Erhitzen mit Chlor zu schwarzem, kristallinischem Rutheniumchlorür RuCl2 ^[RuCl_{2}]. Rutheniumchlorid RuCl4 ^[RuCl_{4}] ist braun, hygroskopisch, löslich in Wasser und Alkohol mit himbeerroter Farbe; die Chorkaliumverbindung ^[richtig: Chlorkaliumverbindung] K2RuCl6 ^[K_{2}RuCl_{6}] ist braunrot, kristallinisch, leicht löslich in Wasser, nicht in Alkohol. Das R. wurde 1845 von Claus entdeckt.

Rutherglen (spr. röddher-, lokal rögg'len ausgespr.), Stadt in Lanarkshire (Schottland), am Clyde, dicht bei Glasgow, hat Handstuhlweberei, Baumwollspinnerei, Eisenwerke, Kohlengruben und (1881) 11,473 Einw.

Ruthin (spr. roddh-), Stadt in Denbighshire (Wales), am Clwyd, mit Gerichtshof, Gefängnis, Lateinschule, malerischer Schloßruine und (1881) 3033 Einw.

Ruthner, Anton, Edler von, geograph. Schriftsteller und Alpenforscher, geb. 21. Sept. 1817 zu Wien als der Sohn eines höhern Beamten, studierte in Wien die Rechte, war bis 1849 im Staatsdienst, dann bis 1871 als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien thätig, siedelte 1873 als Advokat nach Steyr über und lebt seit 1875 in Salzburg. Er bestieg die meisten und hervorragendsten Alpengipfel Österreichs und machte sich besonders auch um die Erschließung neuer Wege verdient. Er war eine Reihe von Jahren Präsident des Österreichschen Alpenvereins und teilte seine Erfahrungen namentlich in den Publikationen der Alpenvereine mit, auf deren Entwickelung er fördernd einwirkte. Als besondere Werke veröffentlichte er: "Die Alpenländer Österreichs und der Schweiz" (Wien 1843); "Aus den Tauern" (das. 1864); "Aus Tirol, Berg- und Gletscherreisen" (das. 1869) und das geographisch-ethnographische Prachtwerk "Das Kaisertum Österreich" (mit zahlreichen Stahlstichen, Darmst. u. Wien 1879).

Ruths, Valentin, Maler, geb. 6. März 1825 zu Hamburg, war ursprünglich Kaufmann, ging aber 1843 zur Lithographie über und begab sich 1846 nach München, wo er die polytechnische Schule und den Antikensaal besuchte. 1850 ging er nach Düsseldorf und bildete sich unter J. W. ^[Johann Wilhelm] Schirmer zum Landschaftsmaler aus. 1855 begab er sich auf zwei Jahre nach Italien. Seit 1857 lebt er wieder in Hamburg. Er ist Mitglied der Berliner Akademie und im Besitz der Ausstellungsmedaillen von Metz, Berlin und Wien. R. behandelt mit Vorliebe Elbgegenden, italienische und schweizerische Motive, ist aber ebenso gewandt in der Darstellung von Gebirgs- wie Flachlandschaften, im Küsten- wie im Dorfbild. Seine Landschaften verbinden große Kraft der Stimmung mit plastischer Zeichnung und energischer Färbung. Seine Hauptwerke sind: Abend im Sabinergebirge (1856, Kunsthalle in Hamburg), norddeutsche Heide (1864, in Prag), Hünengrab, der Waldbrunn (1866, in Königsberg), Dorf in der Rhön, der Morteratschgletscher und das Berninagebirge (1876), Oldenburger Eichenwald, Landschaft bei Tauwetter (1883), Strandgegend bei Zoppot (Berliner Nationalgalerie) und der Scharmarkt in Hamburg. In der Kunsthalle zu Hamburg hat er die vier Jahres- und Tageszeiten in Wandgemälden dargestellt. Er veröffentlichte auch landschaftliche Vorlagen für Schul- und Privatunterricht (Hamb. 1878).

Ruthven (spr. riwwen), altes Schloß, 4 km nordwestlich von Perth (Schottland), in welchem Jakob VI. von den schottischen Edelleuten gefangen genommen wurde ("Raid of R.").

Rutil, Mineral aus der Ordnung der Anhydride, besteht, wie Anatas und Brookit (s. d.), aus Titansäureanhydrid TiO2 ^[TiO_{2}], unterscheidet sich aber von diesen durch seine Kristallform, die dem tetragonalen System angehört, ohne doch auf diejenige des im