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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schulhygieine

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Schulhygieine

und Eleganz. Seine Kompositionen bestehen in Salon- und Charakterstücken, Phantasien u. s. w.

Schulhygieine, derjenige Teil der öffentlichen Hygieine (s. d.), der sich mit der Verhütung und Beseitigung der aus dem Schulunterricht entspringenden Schädlichkeiten und Gesundheitsstörungen beschäftigt. Der Schulbesuch kann durch mangelhafte Anlage und Konstruktion des Schulgebäudes, durch mangelhafte Methoden des Unterrichts, durch die gedrängte Zusammenhäufung der Kinder und andere schädliche Einflüsse zu einer Quelle von körperlichen Übeln werden, die durch eine sorgsame hygieinische Überwachung der Schule zum größten Teil sicher verhütet werden können. Zu den Krankheiten, die durch unzweckmäßige Schulverhältnisse hervorgerufen werden können (Schulkrankheiten), zählen Blutarmut, Bleichsucht und allgemeine Nervosität, habitueller Kopfschmerz, Veitstanz, Lungenkrankheiten, Störungen des Blutkreislaufs, Vergrößerungen der Schilddrüse (Schulkropf, s. Kropf), vor allem aber Verkrümmungen der Wirbelsäule und die Kurzsichtigkeit, welche beide letztern neuerdings in erschreckender Weise überhandgenommen haben; auch kann der Schulbesuch zur Verbreitung epidemischer Krankheiten, besonders der Diphtheritis, der Masern, des Scharlachs, Keuchhustens sowie der parasitären Hautkrankheiten viel beitragen.

Die hauptsächlichsten Forderungen, welche die Hygieine im allgemeinen Interesse an die Schule stellen muß, lassen sich in Kürze im folgenden zusammenfassen. Das Schulhaus muß auf trocknem, durchlässigem Boden, auf einem freien, Licht und Luft zugänglichen Platze erbaut sein; seine Hauptfront ist am zweckmäßigsten nach Süden gerichtet, weil es so das meiste Licht erhält; es soll ein tadelloses Heizsystem und künstliches Ventilationssystem besitzen, das pro Kopf und Stunde 20‒40 cbm Luft zu fördern vermag. Weiterhin soll das Schulhaus eine Turnhalle, einen geräumigen Spielplatz und einen Brunnen mit gutem, reinem Trinkwasser erhalten. Die Aborte bedürfen jederzeit sorgfältiger Reinigung und Lüftung. Die einzelnen Schulzimmer sollen eine Höhe von 4 bis 4,5 m und einen Flächenraum von mindestens 1,25 qm pro Schüler besitzen und mit großen breiten Fenstern versehen sein, die so angelegt sind, daß das Licht den Schulkindern von der linken Seite zugeht, und zwar sollen auf 1 qm Fensterfläche höchstens 4 qm Fußboden kommen; künstliche Beleuchtung ist womöglich ganz zu vermeiden. Ganz besondere Sorgfalt ist auf die Konstruktion der Schulbänke oder Subsellien zu verwenden, weil erfahrungsgemäß mangelhafte Subsellien der Entwicklung der Skoliose und Kurzsichtigkeit außerordentlichen Vorschub leisten. Die Schulbänke müssen durchaus der Größe der Kinder entsprechen und halbjährlich neu angepaßt werden, und zwar soll die Höhe der Bank zwei Siebentel der Körperlänge des Kindes, ihre Tiefe ein Fünftel der Körperlänge, die Differenz von Bank- und Tischhöhe ein Achtel der Körperlänge des Kindes mit einem Zuschlag von 2,2 bis 4 cm bei Knaben, von 1 bis 1,4 cm bei Mädchen betragen. Sehr empfehlenswert sind Subsellien mit verschiebbarer Minusdistanz nach Kunzes oder Kaisers System.

Der regelmäßige Schulbesuch sollte nicht vor Ende des 7. Lebensjahres erfolgen. In den untersten Klassen soll der Unterricht nicht mehr als 18, in den obersten nicht mehr als 32 Stunden wöchentlich betragen; zwischen je zwei Stunden sind Unterrichtspausen von 5 bis 15 Minuten einzuschalten, auch soll eine längere Frühstückspause bestehen und die Mittagspause 2‒3 Stunden betragen. Zugleich sollte dafür gesorgt sein, daß die Schüler sich mindestens in den größern Pausen außerhalb der Schulzimmer im Freien oder bei schlechtem Wetter in bedeckten Räumen bewegen können. Ein großer Hof oder Spielplatz und geräumige Korridore sind darum ganz notwendig. Der Stundenplan soll derartig abgefaßt sein, daß nicht mehrere Stunden, in denen viel geschrieben wird oder schwierige Unterrichtsfächer gelehrt werden, unmittelbar aufeinander folgen. Der Turnunterricht ist obligatorisch, soll aber nur durch einen physiologisch geschulten Lehrer erteilt werden. Bezüglich der Schulstrafen verlangt die Hygieine, daß sie die Gesundheit nicht schädigen dürfen; es sollen deshalb körperliche Züchtigungen keine edlen Teile, insbesondere nicht den behaarten Kopf, die Schläfe, das Ohr, den Nacken, die Kniekehle, den Unterleib treffen. Das Stehen in den Ecken oder auf dem Korridor ist zu verwerfen; Freiheitsstrafen sollen nicht zu lang ausgedehnt werden. Die häuslichen Arbeiten dürfen in den untersten Klassen nicht mehr als eine halbe bis eine Stunde, in den obersten Klassen nicht mehr als höchstens drei Stunden täglich in Anspruch nehmen. Die Schulferien (s. d.) sollen jährlich mindestens 10 Wochen betragen und so verteilt sein, daß auf die heiße Sommerzeit (Juli, August) mindestens vier Wochen fallen.

Ausschluß vom Schulunterricht hat zu erfolgen bei Krankheiten, die den Unterricht direkt stören (Epilepsie, Veitstanz u. a.) sowie bei ansteckenden Krankheiten, die die Mitschüler einer Gefahr der Ansteckung aussetzen. Hierher gehören nach der preuß. Ministerialverfügung vom 14. Juli 1884 Cholera, Ruhr, Masern, Röteln, Scharlach, Diphtheritis, Pocken, Fleck- und Rückfalltyphus, Unterleibstyphus, kontagiöse Augenentzündung, Krätze und Keuchhusten. Kinder, die an einer dieser Krankheiten leiden, sind vom Besuch der Schule auszuschließen und erst dann wieder zum Schulbesuche zuzulassen, wenn jede Gefahr der Ansteckung nach ärztlichem Attest beseitigt oder die erfahrungsgemäß als Regel für den Ablauf der betreffenden Krankheit geltende Zeit verstrichen ist. Als normale Krankheitsdauer sind bei Pocken und Scharlach sechs, bei Masern und Röteln vier Wochen anzusehen. Das Gleiche gilt von gesunden Kindern, die in einem Hausstand leben, in dem eine der genannten Krankheiten ausgebrochen ist, es werde denn ärztlich bescheinigt, daß das Schulkind durch ausreichende Isolierung vor der Gefahr der Ansteckung geschützt ist. Für die Beobachtung dieser Vorschriften ist der Schulvorsteher oder der Lehrer verantwortlich. Beim epidemischen Auftreten der ebenerwähnten Krankheiten kann auch die völlige Schließung der Schulen durch den Landrat nach Gehör des Kreisphysikus und des Vorsitzenden der Schuldeputation verfügt werden.

Litteratur. Lorinser, Zum Schutz der Gesundheit in den Schulen (Berl. 1836; wieder abgedruckt 1861); Freygang, Die Schule und die leiblichen Übel der Schuljugend (Lpz. 1863); Falk, Die sanitätspolizeiliche Überwachung höherer und niederer Schulen (ebd. 1868; 2. Aufl. 1872); Schildbach, Die Schulbankfrage und die Kunzesche Schulbank (ebd. 1869); Baginsky, Handbuch der S. (Berl. 1876; 2. Aufl., Stuttg. 1883); Zehender, Über den Einfluß des Schulunterrichts auf die Entstehung der Kurzsichtig-^[folgende Seite]