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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tortona; Tortosa; Tortricidae; Tortrix; Tortuga; Tortugas; Tortur

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Tortona - Tortur

steil aus der tiefen, fischreichen See emporsteigen und bis 542 m (Mount-Sage) hoch sind. Man baut etwas Zuckerrohr und Baumwolle. Hauptort mit gutem Hafen ist Roadtown.

Tortona, lat. Dertona, Hauptstadt des Kreises T. (65 701 E.) der ital. Provinz Alessandria in Piemont, in fruchtbarer Gegend am Nordwestfuß des Ligurischen Apennin, rechts von der Scrivia, an den Linien Mailand-Genua und Parma-Alessandria des Mittelmeernetzes sowie einer Dampftrambahn nach Sale, ist Bischofssitz und hat (1881) 9230, als Gemeinde 14 441 E., in Garnison das 79. Infanterieregiment, einen Dom von 1584, eine reiche Kapelle der Garofoli in San Francesco und über der Stadt Trümmer einer Burg Friedrich Barbarossas; Seidenindustrie. T. wurde 148 v. Chr. röm. Kolonie an der Via Julia Augusta. Friedrich I. zerstörte T. Ostern 1155 nach 62tagiger Belagerung, wonach es von den Mailändern wieder aufgebaut und 1163 vom ghibellinischen Pavia nochmals zerstört wurde. T. wurde 1336 vom Markgrafen von Montferrat genommen und befestigt, gehörte vom 15. bis 17. Jahrh. zum Herzogtum Mailand, wurde in den Kriegen des 18. Jahrh. mehrmals erobert.

Tortosa, lat. Dertosa, alte befestigte Bezirksstadt im Süden der span. Provinz Tarragona in Catalonien, links am Ebro, über den eine Schiff- und eine lange Eisenbahnbrücke führen, 30 km nordwestlich vom Kap T. (mit Leuchtturm) an der Ebromündung, in einer sorgsam bebauten und durch Schöpfräder bewässerten Ebene, an der Eisenbahn Valencia-Tarragona, ist terrassenförmig an einem Hügel erbaut, auf dem ein freistehender Felsen das Kastell Zuda trägt, Sitz eines Bischofs und hat (1887) 25 192 E., einen starken Brückenkopf, drei Forts, eine Kathedrale, viele Kirchen und Klöster; Fischerei, Süßholzbau, Fabrikation von Seife, Papier, Hüten, Leder, Porzellan, Fayence und Branntwein und Handel. In der Nähe sind Überreste der röm. Stadt sowie Marmor- und Alabasterbrüche.

Tortricidae, Schmetterlinge, s. Wickler. - T., Schlangen, s. Wickelschlangen.

Tortrix, s. Wickler; T. piceāna, s. Nadelholzwickler; T. viridana, s. Eichenwickler.

Tortuga (span., "Schildkröte"), srz. Tortue (spr. -tüh), zur westind. Republik Haïti gehörige Insel, vor der Nordküste der Insel Haïti, 220 qkm groß, bergig, ist fruchtbar an Zucker, Tabak, Gewürzen, Südfrüchten und Sandelholz; sie war Hauptort der Flibustier. - T. ist auch eine der Inseln unter dem Winde, 60 qkm groß und zu Venezuela gehörig.

Tortugas, Keys, auch Dry T., eine zu den Vereinigten Staaten von Amerika gehörende Gruppe von Koralleninseln an der Südspitze von Florida.

Tortur (vom lat. torquere, d. h. drehen, quälen) oder Folter (früher auch wohl Volter geschrieben und von dem lat. volvere, dem Wenden des Haspels, mit welchem die Schuldigen aufgezogen wurden, abgeleitet), das Mittel, durch Erregung heftiger körperlicher Schmerzen ein gerichtliches Geständnis zu erzwingen. In den despotischen Staaten des Orients wird die T. noch immer geübt. Bei den Griechen und Römern wurde die T. gegen Freie nur in Ausnahmefällen angewendet, dagegen regelmäßig beim Verhör von Sklaven, deren Aussagen nur dann Gültigkeit vor Gericht hatten, wenn sie durch die T. erpreßt waren. In der zweiten Hälfte des Mittelalters wurde die T. in Europa allgemein und erwies sich als ein brauchbares Mittel für die Hexenprozesse der folgenden Jahrhunderte. England hatte, wenn der Angeschuldigte nicht antworten wollte, bis 1772 seine fürchterliche peine (oder richtiger prison) forte et dure, eine Vereinigung von strengstem Gefängnis, Hunger und Durst, aber auch die eigentliche T. war seit der Zeit Heinrichs VIII. nicht mehr fremd. Erst später wurde sie als dem Gemeinen Rechte Englands entgegen erkannt und in Schottland unter der Königin Anna förmlich abgeschafft. Frankreich hatte seine question préparatoire, um den Verbrecher zum Geständnis zu bringen, welche während der Untersuchung angewendet wurde und den Angeschuldigten auch, wenn er sie aushielt, nicht gegen Verurteilung schützte, und die question préalable, welche der zum Tode Verurteilte vor der Hinrichtung ausstehen mußte, um ihn zur Entdeckung von Mitschuldigen oder andern unbekannten Umständen zu zwingen. Ludwig XVI. schaffte durch das Edikt vom 24. Aug. 1780 die question préparatoire, nicht aber die question préalable ab, die erst in der Revolution aufgehoben wurde. Ebenso war in Deutschland die T. allgemein in Gebrauch; die Carolina (s. d.) regelte und mäßigte ihre Anwendung. Schöppenstühle und Juristenfakultäten erkannten nach gehöriger Verteidigung auf T. Über die Art der T., auf welche mit den Worten "ziemlicher Maßen" erkannt wurde, und ihre Grade enthält die Carolina keine Vorschriften; die Anwendung gestaltete sich daher in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten Deutschlands verschieden. Wollte man indes das Urteil über Art und Maß der T. nicht mißbräuchlicherweise dem Scharfrichter überlassen, so mußte die Doktrin und der Gerichtsgebrauch auch hierfür eine Theorie schaffen. Nach einigen Schriftstellern bildeten den ersten Grad Peitschenhiebe bei ausgespanntem Körper (Bambergische T.) und Zusammenquetschen der Daumen in eingekerbten oder mit stumpfen Spitzen versehenen Schraubstöcken. Beim zweiten Grad trat ein Zusammenschnüren der Arme mit härenen Schnüren, Zusammenschrauben der Beine mit ähnlichen, nur größern Instrumenten als bei den Daumen (Spanische Stiefeln) ein; ein kreuzweises Zusammenpressen der Daumen und großen Zehen geschah durch das sog. Mecklenburgische Instrument. Der dritte Grad bestand im Ausrecken des Körpers mit rückwärts aufgereckten Armen auf einer Bank oder Leiter, oder durch die eigene Schwere des Körpers, wobei Gewichte an die Füße gehängt wurden. Recht anschaulich gemacht werden diese Grade, die man noch durch Brennen in der Seite, auf den Armen, an den Nägeln erhöhte, in der Kriminalordnung der Kaiserin Maria Theresia von 1769, wo sie in 45 großen Kupfertafeln dargestellt sind. Eine vollständige Aufzählung der Foltermittel ist kaum möglich. Erwähnt seien z. B. die Pommersche Mütze, ein höchst gefährliches Zusammenpressen des Kopfes; der Gespickte Hase, eine Rolle, mit stumpfen Spitzen, über welche der auf der Leiter ausgespannte Körper auf- und abgezogen wurde; die Eiserne Jungfrau (s. d.) u. s. w. Frankreich hatte zwei Grade, die question ordinaire und extraordinaire, und fast jedes Parlament übte seine besondern Marterarten. Im Pariser Sprengel bestand die T. im Einfüllen einer großen Menge Wassers, während der Körper an Händen und Füßen schwebend ausgespannt war. Während die eigentliche T. auf mit Leibes- und Lebensstrafe bedrohte Verbrechen beschränkt war und gegen gewisse Personen (Unmün-^[folgende Seite]