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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Verhuel; Verhüttung; Veria; Verifizieren; Veringen; Verismo; Verĭtas; Verität; Verjährung

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Verhuel – Verjährung

über den Inhalt der Anklage zu vernehmen. Nach der Deutschen Strafprozeßordnung soll der Beschuldigte befragt werden, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle, und soll ihm durch die Vernehmung Gelegenheit zur Beseitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe und zur Geltendmachung der zu seinen Gunsten sprechenden Thatsachen gegeben werden. Auch nach der Österr. Strafprozeßordnung ist der Angeklagte nur berechtigt, der Anklage eine zusammenhängende Erklärung des Sachverhalts entgegenzustellen, kann aber nicht zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen verhalten werden. Das österr. Verfahren kennt außerdem in Schwurgerichtssachen ein sog. Präsidentenverhör: der Schwurgerichtsvorsitzende oder dessen Stellvertreter oder der Vorsteher des Gerichtshofs erster Instanz soll den in das Gefängnis eingelieferten Angeklagten binnen 24 Stunden vernehmen, ob er an seinen in der Voruntersuchung abgegebenen Aussagen etwas abzuändern oder hinzuzusetzen habe. Vgl. §§. 136, 190, 232, 242, 365 der Deutschen, §§ 198‒206, 220, 240, 245 der Österr. Strafprozeßordnung.

Verhuel (spr. -höhl), Carel Henrik, Graf, erst holländ., dann franz. Admiral und Diplomat, geb. 11. Febr. 1764 zu Doetinchem in Geldern, trat als Kadett in die holländ. Marine und nahm 1795 nach der Vertreibung des Statthalters den Abschied. Als 1803 der Krieg zwischen Frankreich und England wieder auszubrechen drohte, trat er wieder in den Dienst seines Vaterlandes und erhielt den Befehl über die holländ. Flottille am Texel. Er wurde 1804 zur Unterstützung einer franz. Landung an der brit. Küste als Viceadmiral an der Spitze einer holländ. Flottille nach Boulogne gesandt und bestand unterwegs auf der Höhe des Kap Guinez einen Kampf mit einer starken Abteilung der brit. Flotte, die er zum Rückzug zwang. 1806 zum Mitglied der Deputation gewählt, die im Namen der Batavischen Republik bei Napoleon um die Erhaltung der Verfassung bitten mußte, verlangte er dagegen im Namen der batav. Nationalrepräsentation Ludwig Bonaparte zum König von Holland. Der neue König ernannte ihn zum Marineminister und Reichsmarschall und verlieh ihm auch den Titel eines Grafen von Zevenaar. In diese Zeit soll jene intime Beziehung V.s zur Königin Hortense (s. d.) gefallen sein, als deren Frucht man geneigt war, den spätern Kaiser Napoleon Ⅲ. anzusehen. (Vgl. Nauroy, Les secrets des Bonaparte, Par. 1889.) 1807 ging V. als bevollmächtigter Minister nach Paris. Nach der Vereinigung Hollands mit Frankreich (1810) trat V. in franz. Dienste. 1813 und 1814 verteidigte er den Helder auf das hartnäckigste gegen seine eigenen Landsleute und übergab diesen Hafen erst, nachdem die Verbündeten in Paris eingezogen waren. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich ernannte ihn Ludwig ⅩⅧ. zum Generalinspecteur der Nordküsten. Weil er sich während der Hundert Tage weigerte, gegen die Bourbonen zu dienen, behielt er die Gunst des Hofs und wurde 1819 zum Pair erhoben. 1836 ging V. als franz. Gesandter nach Berlin, wurde aber sehr bald zurückgerufen. Er starb 25. Okt. 1845 in Paris.

Verhüttung, die Gesamtheit der Prozesse, durch welche Metalle aus den Erzen gewonnen werden. (S. Metallurgie.)

Veria, türk. Karaferīe, Stadt im türk. Wilajet Saloniki, am Fuße des 1600 m hohen Doxa, des sagenberühmten Bermios der alten Griechen, unweit der Vistrica, an der Bahn Saloniki-Bitolia, hat 6000 meist griech. E.; Textilindustrie (Badetücher). V. ist die große Stadt Beröa (Berrhoea) des Altertums.

Verifizieren (lat.), die Wahrheit, Echtheit von etwas darthun; bewahrheiten, beglaubigen; Verifikation, Bewahrheitung, Beglaubigung.

Veringen (Veringenstadt), Stadt, s. Bd. 17.

Verismo (ital.), Bezeichnung für den rücksichtslosen Naturalismus (s. d.) der Darstellung, wie sich diese Richtung in der Plastik, Malerei, Litteratur und Musik des modernen Italiens herausgebildet hat.

Verĭtas (lat.), Wahrheit.

Verĭtas, richtiger Bureau Veritas, internationale Gesellschaft für Schiffsklassifikation (s. d.), welche auf dem europ. Kontinent sowohl als auch in den meisten überseeischen Hafenplätzen neben dem Lloyd (s. d.) in London und in Hamburg den ersten Rang einnimmt. Das Institut hat in Paris und in Hamburg seinen Sitz; es wurde 1828 gegründet und nahm besonders unter dem Direktor Charles Bal raschen Aufschwung. Das Bureau in Hamburg leitet das deutsche Geschäft selbständig. Die Bauvorschriften für Segler und Dampfer sind eingehend, und nur wenn ein Schiff allen vorgeschriebenen Bauregeln in Bezug auf Stärke und Qualität des Materials, Verbindung und Verbolzung der einzelnen Teile untereinander, Arrangement der Takelung, Anlage der Maschinen u. s. w. entspricht, kann es eine Klasse von dem Bureau bekommen. Die von dem Institut klassifizierten und beaufsichtigten Schiffe werden alljährlich in einem Register alphabetisch veröffentlicht. Außerdem giebt das Bureau noch alljährlich in zwei, etwa je 1000 Seiten starken Bänden ein Generalregister der Segler aller Nationen über 50 Registertons und der Dampfer über 100 Registertons heraus, gleichviel ob die Schiffe beim V. klassifiziert sind oder nicht. Die Gesellschaft hat fast in allen Häfen der Welt Agenten und Sachverständige, so daß die Klasse eines Schiffs, wenn sie abgelaufen, selbst in den abgelegensten Häfen erneuert werden kann. Seit Frühjahr 1895 ist mit dem Germanischen Lloyd ein Übereinkommen dahin getroffen, daß die Klassifikationscertifikate der einen Gesellschaft auch von der andern anerkannt werden.

Verität (lat.), Wahrheit, s. Bonität.

Verjährung, der Verlust von Rechten, welcher infolge ihrer Nichtausübung während eines durch das Gesetz bestimmten Zeitraums eintritt. Über den Unterschied von V. und Ersitzung s. d. Eine von der Anspruchsverjährung (s. d.) verschiedene erlöschende V. gilt namentlich bei dinglichen Rechten, insonderheit bei Dienstbarkeiten (s. d.). Persönliche Dienstbarkeiten und solche Grunddienstbarkeiten, welche zu einzelnen sich wiederholenden Handlungen berechtigen, wurden bisher durch bloße Nichtausübung während der Verjährungszeit aufgehoben. Den Gegensatz bildeten Grunddienstbarkeiten, welche ein Recht auf einen dauernden Zustand der herrschenden oder dienenden Sache geben, z. B. Wasserlaufservituten oder eine Aussichtsdienstbarkeit, das Recht einen Balken in fremder Mauer zu haben u. s. w. Hier war sog. Ersitzung der Freiheit (lat. usucapio libertatis) erforderlich, d. h. es mußte ein durch menschliche Thätigkeit hervorgerufener Zustand, welcher der Dienstbarkeit widersprach, die Verjährungszeit hindurch bestanden haben, also die Aussicht verbaut, die Röhren weggenommen sein u. s. w. Das Deutsche Bürgerl. Gesetzbuch kennt wegen des