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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Verteidigungsgefecht; Verteidigungsminen; Verteidigungsstellung; Verteidigungsverfahren; Verteilungsverfahren

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Verteidigungsgefecht - Verteilungsverfahren

oder weniger als 16 J. alt ist, in den vor dem Landgericht zu verhandelnden Sachen. Bildet ein Verbrechen, abgesehen von denen, die nur im Rückfall als Verbrechen gelten, den Gegenstand der Untersuchung, so muß dem Angeklagten auf Antrag ein Verteidiger bestellt werden. In andern Fällen kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger bestellen. Die bestellten Verteidiger, denen, wenn sie Rechtsanwälte sind, nach §. 150 der Deutschen Strafprozeßordnung die Gebühren, vorbehaltlich des Rückgriffs an den verurteilten Angeklagten, aus der Staatskasse gezahlt werden, sollen aus der Zahl der am Gerichtssitz wohnhaften Rechtsanwälte oder der eingetragenen Verteidiger gewählt werden; doch können in Deutschland auch Justizbeamte, die nicht als Richter angestellt sind, und Rechtskundige, welche die erste jurist. Prüfung bestanden haben, in Österreich nur zum Richteramt befähigte Beamte bestellt werden. Die V. mehrerer Beschuldigter kann einem Verteidiger übertragen werden, solange kein Widerstreit der Interessen besteht. Der Wahlverteidiger, der die Wahl angenommen hat, schließt den bestellten Verteidiger aus. Der Verkehr des verhafteten Angeklagten mit dem Verteidiger ist nach Eröffnung des Hauptverfahrens, in Österreich nach Mitteilung der Anklageschrift keiner Beschränkung unterworfen; vorher kann das Gericht von schriftlichen Mitteilungen Einsicht nehmen und braucht mündliche Unterredungen nur im Beisein einer Gerichtsperson zu gestatten. Ebenso hat der Verteidiger nach Eingang der Anklageschrift ein unbedingtes Recht auf Einsicht der Gerichtsakten, vorher ein beschränktes (Deutsche Strafprozeßordn. §§. 137‒150, 227, 233, 238, 239, 339; Österr. Strafprozeßordn. §. 38‒45). Die Offenbarung anvertrauter Geheimnisse macht Verteidiger strafbar (Reichsstrafgesetzb. §. 300). – Vgl. Frydmann, Systematisches Handbuch der V. (Wien 1878); Glaser, Handbuch des Strafprozesses, Bd. 2 (Lpz. 1885); Kosjeck, Aus den Papieren eines Verteidigers (Graz 1884); Campani, La difesa penale in Italia (2 Bde., Bologna 1879, 1880); von Kries, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts (Freib. i. Br. 1892).

Verteidigungsgefecht, das Gefecht aus einer Verteidigungsstellung (s. d.). Der sich schwächer fühlende Teil, der aber gleichwohl gesonnen ist, verteidigungsweise die Gefechtsentscheidung anzunehmen, hat eine Verteidigungsstellung ausgesucht und dieselbe unter Umständen vorbereitet (durch Herstellung von Verbindungen innerhalb derselben, Freilegung des Schußfeldes und Bezeichnen der Entfernungen im Vorgelände, s. Entfernungsschätzen) und verstärkt (durch künstliche Deckungen und verteidigungsfähige Einrichtung von Örtlichkeiten). Solange die Richtung des feindlichen Vormarsches noch zweifelhaft ist, bezieht man zunächst eine Bereitschaftsstellung (s. d.); das Besetzen der wirklichen Verteidigungsstellung wird erst dann durchgeführt, wenn die feindliche Angriffsrichtung erkannt ist. Eine ausgedehntere Stellung wird in Abschnitte geteilt und jeder Abschnitt zur Verteidigung einer besondern Abteilung überwiesen; diese Abteilungen gliedern sich in Truppen der vordersten Linie und Abschnittsreserven. Die Hauptmasse der Infanterie wird als Hauptreserve am besten hinter dem am meisten bedrohten Flügel der Stellung zurückgehalten. Die Kavallerie, welche anfangs vor der Stellung aufgeklärt hat, findet bei Beginn des Gefechts Thätigkeit auf den äußersten Flügeln zur Sicherung der Flanken oder tritt zur Hauptreserve. Die Artillerie nimmt solche Stellungen ein, von denen sie das ganze Vorgelände und die Anmarschwege des Feindes wirksam unter Feuer nehmen kann. Sie sucht den Angreifer zu möglichst frühzeitiger Entwicklung seiner Kräfte und dadurch zum Bekanntgeben seiner Hauptangriffsrichtung zu zwingen; demnächst sucht sie die feindliche Artillerie niederzuhalten. Mit dem Näherkommen des Gegners entwickelt sich dann das Gefecht der Infanterie, das meist in viele Einzelkämpfe um Örtlichkeiten zerfällt. Das Gefecht muß im offensiven Geiste geführt werden, der Verteidiger, wenn die Kräfte es erlauben, in günstigen Augenblicken zum Angriff mit der Hauptreserve übergehen. Soll nur zeitweilig Widerstand geleistet werden (hinhaltendes Gefecht, Arrieregardengefecht), so wird ein Teil der Streitkräfte bei Zeiten zurückgeschickt, um in einer Aufnahmestellung das Zurückgehen der fechtenden Abteilungen zu decken und sie aufzunehmen. Zeigt sich der Rückzug aus dem Gefecht ohne große Gefahr nicht ausführbar, so muß der Verteidiger versuchen, das Gefecht bis zum Einbruch der Dunkelheit hinzuhalten und unter deren Schutz den Rückzug anzutreten.

Verteidigungsminen, Konterminen, Anlagen, die die gemauerte Kontereskarpe und die Flankierungsanlagen des Grabens gegen die feindlichen Angriffsminen schützen und den Angreifer zu einem unterirdischen Kampfe zwingen sollen. Derartige zusammenhängende Anlagen bilden ein Verteidigungsminensystem, bei dem (gewöhnlich in den ausspringenden Winkeln) von der Kontereskarpe aus sich mehrere Hauptstollen in das Vorfeld erstrecken; die von diesen seitwärts ausgehenden Minengänge heißen Zweigstellen (Rameaux), von denen wieder Horchstollen (Horchgänge, Ecouten) abgehen. Die Hauptstollen sind etwa 40 m unter sich entfernt, 60‒80 m lang und so hoch und breit, daß man in ihnen aufrecht gehen kann. Die Zweigstollen haben gewöhnlich 10‒15 m Länge und geringere Breite und Höhe, so daß man nur gebückt in ihnen gehen kann. Die Horchstollen erhalten eine den Hauptstollen annähernd parallele Richtung; in ihnen kann man sich nur kriechend bewegen. Haupt- und Zweigstollen baut man oft schon im Frieden in Mauerwerk, die Horchstollen erst bei der Armierung in Holz. Der Eingang zu den Hauptstollen liegt vielfach in einem verteidigungsfähig eingerichteten Minenvorhaus; die Hauptstollen werden mitunter durch Galerien miteinander verbunden.

Verteidigungsstellung, ein Geländeabschnitt, der sich zur Aufstellung von Truppen zum Verteidigungsgefecht (s. d.) eignet. Die allgemeine Lage einer V. muß so gewählt werden, daß der Feind sie angreifen muß und nicht ohne Nachteil an ihr vorbeigehen kann. Man kann sich dem anmarschierenden Gegner frontal entgegenstellen, indem man sich seiner Marschrichtung quer vorlegt (das einfachste und natürlichste), oder man stellt sich ihm flankierend entgegen, in besondern Fällen wirksamer, indem man aus der Flankenstellung die rückwärtigen Verbindungen des Angreifers bedroht.

Verteidigungsverfahren, Defensive, s. Angriffsverfahren.

Verteilungsverfahren. Nach der Deutschen Civilprozeßordnung (§§. 758‒768) tritt ein V. ein, wenn bei der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ein zur Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht hinreichender Geldbetrag hinterlegt ist.