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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Westgermanisch - Westholsteinische Eisenbahn

schen, Friesen und Engländer hervorgegangen sind. Die engere Einheit der W. gegenüber den ost- und nordgerman. Stämmen beweist mit Sicherheit die Sprachgeschichte. Historisch läßt sich die Gruppe der W. für die Zeit um Christi Geburt aus den Nachrichten der Römer erkennen. Damals zerfielen die W. in drei Gruppen: Herminonen, Istävonen und Ingävonen (s. diese Artikel und Karte: Germanien im 2. Jahrhundert nach Christus). Von ihnen haben sich in vorchristl. Zeit die Istävonen losgetrennt. Jene Dreiteilung entspricht daher sprachlich der Zweiteilung der W. in Deutsche und Anglofriesen. Das Kernvolk der Herminonen waren die Sueven (s. d.); aus ihnen sind die oberdeutschen Stämme hervorgegangen, während die Istävonen den nachmaligen Franken entsprechen und die Ingävonen den Friesen und Angelsachsen. Zu letztern gehörten ursprünglich auch die deutschen Sachsen (Niedersachsen). Über ihren spätern Anschluß an die Deutschen s. Deutsches Volk und Ingävonen. Die wichtigsten westgerman. Stämme waren im 1. Jahrh. n. Chr. die folgenden: 1) Herminonen: Chatten in Hessen, Cherusker im östl. Hannover, Langobarden im Lüneburgischen und in Lauenburg, Hermunduren in Thüringen und im Königreich Sachsen, Semnonen in der Mark Brandenburg, Markomannen in der Oberpfalz und in Böhmen, Quaden in Mähren, letztere fünf auch Sueven genannt; 2) Istävonen: in der Rheinprovinz und in Westfalen Ubier, Sigambern (Marser), Usipeter, Tenkterer, Bructerer, an der Weser Angrivarier, an der Hase Chasuarier, in den Niederlanden Bataver; 3) Ingävonen: Friesen zwischen dem Zuidersee und Ems, Chauken an der untern Weser bis zur Elbe, Sachsen in Holstein, Angeln in Schleswig.

Westgermanisch, s. Germanische Sprachen.

Westghāt, Gebirge in Ostindien, s. Ghat.

Westgoten, der Teil des großen german. Stammes der Goten (s. d.), der 382 n. Chr. nach wechselvollem Kampfe mit den Römern in deren Dienste trat. Sie wurden teils in kleinern Abteilungen mit Grundstücken versorgt, teils direkt aus den kaiserl. Magazinen verpflegt. Nach Kaiser Theodosius’ Tode lösten sie dies Verhältnis, erhoben den Alarich (s. d.) zum König, der eine gut gelegene Provinz für das gesamte Volk verlangte, in den darüber ausbrechenden Kämpfen selbst Rom eroberte (410), aber zu früh starb, um seine Aufgabe zu vollenden. Sein Nachfolger Athaulf (s. d.) führte die W. nach Gallien und Spanien. Hier traten sie unter ihrem König Wallia 415 wieder in röm. Dienst und erhielten dann durch Vertrag mit dem Kaiser 419 einen Teil von Aquitanien mit der Hauptstadt Toulouse. Dies "Tolosanische" Reich war ein Glied des Römischen Reichs, aber bald wurde dies Verhältnis gelöst, und es bildete thatsächlich die Grundlage, auf der sich der erste german. Kulturstaat erhob. Wallias Nachfolger Theodorich I. (s. d.) hatte den hauptsächlichsten Anteil an dem Siege auf den Catalaunischen Feldern, der das christl. Gallien vor Attila rettete. Theodorichs Söhne dehnten das Reich über den ganzen Süden Galliens und über Spanien aus (s. Historische Karten von Europa I, 1), aber sein Enkel Alarich II. verlor Gallien an die Franken unter Chlodwig. Der Ostgote Theodorich d. Gr. entriß diesem jedoch den südlichsten Strich und Spanien wieder. Hier hat dann das Reich der W. noch 200 Jahre bestanden, bis es bei Xeres de la Frontera 711 dem Angriff der Mauren erlag. Unter den Königen waren mehrere bedeutende Männer, so Leovigild (s. d., 569-586), Wamba, Chindaswinth u. a., aber ihre Kraft erschöpfte sich in Kämpfen gegen Aufrührer und Prätendenten; denn nach dem Aussterben der Familie Theodorichs gelang es keinem Geschlecht wieder, den Thron dauernd zu gewinnen. 586 traten die bisher arianischen W. unter König Rekkared zum Katholicismus über, und damit war das Haupthindernis für die Verschmelzung von Goten und Römern beseitigt. Um 650 setzten die Könige Chindaswinth und Rekkeswinth die verschiedenen Gesetzbücher der Goten und Römer außer Kraft und gaben dem ganzen Volke ein gemeinsames Rechtsbuch, das vorwiegend von german. Rechtsauffassung erfüllt war (s. Gotische Gesetzgebung), wie denn auch die Heer-, Gerichts-, Beamten- und Gemeindeverfassung des Staates überwiegend germanisch war. Die Araber unterwarfen das ganze Reich, nur in den nördl. Gebirgen behaupteten sich Reste der W., ihre Kämpfe mit den Mauren bilden den Anfang der span. Geschichte. In diesen Kämpfen schwand der Gegensatz von Goten und Römern völlig.

Vgl. Aschbach, Geschichte der W. (Frankf. 1827); H. von Eicken, Der Kampf der W. und Römer unter Alarich (Lpz. 1876); C. Stephan, Kritische Untersuchungen zur Geschichte der W. von 372 bis 400. Tl. 1: Gotenkrieg unter Theodosius (Siegburg 1889); Hodgkin, Italy and her invadors, Bd. 1 (2. Aufl., Oxford 1892).

Westgotische Antiqua, s. Antiqua, westgotische.

Westgotland, s. Westergötland.

Westgriqualand, s. Griqua.

West-Ham (spr. hämm), Municipal-, County- und Parlamentsborough (2 Abgeordnete) im Osten Londons, in der engl. Grafschaft Essex, aber zum County London gehörig, links an der zur Themse gehenden Lea, hat (1896) 261297 E., gegen 128953 im J. 1881; bedeutende Fabrikation von Chemikalien sowie Brennerei.

West-Hartlepool, engl. Stadt, s. Hartlepool.

Westhavelland, Kreis im preuß. Reg.-Bez. Potsdam, hat 1213,85 qkm und (1895) 61877 E., 5 Städte, 75 Landgemeinden und 59 Gutsbezirke. Sitz des Landratsamtes ist Rathenow.

Westhofen. 1) W. in Westfalen, Stadt im Kreis Hörde des preuß. Reg.-Bez. Arnsberg, rechts an der Ruhr und an der Linie Schwerte-M.-Gladbach der Preuß. Staatsbahnen, hat (1895) 1909 E., darunter 175 Katholiken, Post, Telegraph; Sandsteinbrüche und Glockengießerei. Westlich die Ruine Hohensyburg mit einem Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Nahebei wurde 1857 ein got. Aussichtsturm (28 m) errichtet. - 2) W. in Hessen, Marktflecken im Kreis Worms der hess. Provinz Rheinhessen, 12 km im NW. von Worms, am Seebach und der Nebenlinie Osthofen-W. (6,1 km) der Süddeutschen Eisenbahngesellschaft, hat (1895) 1726 E., darunter etwa 380 Katholiken und 20 Israeliten, Post, Telegraph, evang. und kath. Kirche; Weinbau und Ziegelei.

Westholsteinische Eisenbahn, ehemalige Privatbahn (99,80 km) von Neumünster über Heide nach Karolinenkoog (Fähre, 1877 eröffnet), von Heide nach Wesselburen (1878) und von Wesselburen nach Büsum (1883), die 1890 vom preuß. Staate erworben wurde. Die Strecke Wesselburen-Heide bildete früher ein selbständiges Unternehmen, das erst 1880 von der W. E. erworben wurde. Das Aktienkapital der W. E. betrug 3,999 Mill. M. Die W. E. untersteht der königl. Eisenbahndirektion zu Altona.